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Saucisse aux choux vaudoise (IGP)

Saucisse au foie, Frâche, saucisse en patois: Choucheche.

Saucisse aux choux vaudoise (IGP)

In Kürze

Die „Saucisse aux choux“ und „saucisse au foie“, Kohl-(Kabis)-„Saucisse“ und „Lebersaucisse“, sind geräucherte Schweine-Rohwürste mit abgebrochener Reifung, oft als Ring präsentiert, deren Besonderheiten die Zutaten Kohl bzw. Leber sind. In ihrer Geschichte, ihrer Zusammensetzung, Erscheinungsform und Fabrikationsweise sind die beiden Würste Kusinen. Sie werden in erster Linie in den Kantonen Waadt, Freiburg und Neuenburg hergestellt. Bedeutend weniger verbreitet ist die „Frâche“, die im Vallée de Joux, Kanton Waadt, zuhause ist. Eine geringe Produktion dieser gelungenen Synthese von „Saucisse aux choux“ und „Saucisse au foie“ lebt dort zur grossen Zufriedenheit der Anhängerschaft weiter.

Die „Saucisse aux choux vaudoise“ ist seit 2004 im Bundesregister der Ursprungsbezeichnungen (AOP/GUB) und geografischen Angaben (IGP/GGA) als IGP eingetragen. Ein Pflichtenheft, das beim Bundesamt für Landwirtschaft hinterlegt ist, definiert die Anforderungen, die man für den Erhalt der Kennzeichnung erfüllen muss. „Saucisses aux choux“ und „saucisses au foie“ werden aber auch in andern Regionen der Romandie hergestellt, namentlich in den Kantonen Freiburg und Neuenburg. Festzuhalten gilt, dass die „Saucisse au foie“ mit der Leberwurst, wie man sie besonders in der Deutschschweiz kennt (Metzgete), nichts gemein hat. In der Westschweiz heisst diese Leberwurst „Saucisse grise“, seltener „Boudin blanc“ (siehe Fiche Leberwurst).

Beschreibung

„Saucisse aux choux“, „Saucisse au foie“ und „Frâche“ haben eine Bogen- bzw. Ringform. Sie werden in einen gekrümmten Rindsdarm gestossen (Kaliber 38-40 mm oder 40-42 mm, Länge ca. 30 cm). Die Zipfel werden mit Clips oder Schnur verschlossen und mit einer Schnur verbunden. Die äussere Farbe der Wurst ist dunkelbraun. Dank einer gewissen Transparenz kann man Kabisteile (eher hell) erraten oder Leber (dunkler). Einmal gekocht, hat das Fleisch der „Saucisses“ eine dunkelrosa Farbe.

Zutaten

„Saucisse aux choux vaudoise (IGP)“:

Mageres Schweinefleisch, Speck, gekochte Schwarte, Schweineleber (möglich, aber selten), blanchierter Kohl. Basisgewürze: Salz und Pfeffer. Tolerierte Gewürze: Muskatnuss, Macis (eventuell Knoblauch, Koriander, Nelke, Anis). Nahrungsmittelzusätze.

"Saucisse au foie":

VD: Schweinefleisch, Speck, Schweinsleber (rund 5%), gekochte Schwarte, Gewürze.

NE: Schweinefleisch (70%), Schwarte (10%), Schweinsleber (10-20%), Salz, Pfeffer.

FR: Gleiches Rezept wie Waadt, aber mit einem höheren Anteil Schweinsleber (bis zu 30%).

"Frâche" :

Schweinefleisch, Speck, Schweinsleber (4-5%), gekochte Schwarte Schweinskopf, gekochter Kohl, Gewürze.

Geschichte

Gemäss der Association charcuterie vaudoise AOP/IGP reichen «die Ursprünge der „Saucisse aux choux“ ins Jahr 879» zurück. Da es schwierig ist zu wissen, was vor so langer Zeit tatsächlich eine „Saucisse aux choux“ war und darüber auch Legenden zirkulieren, verlassen wir uns auf jüngere und verlässlichere Quellen.

Es ist nicht sicher, ob die „Saucisse aux choux“ und die „Saucisse au foie“ in ihren heutigen Erscheinungsformen vor dem 19. Jahrhundert stark verbreitet waren. Gewiss war man seit langem in der Lage, haltbare „Saucisses“ und „Saucissons“ herzustellen. So präsentiert das Bernerisches Koch-Büchlein von 1749 ein Rezept für Würste zum roh oder gekocht essen, die sich bis zu einem Jahr lang konservieren liessen. Doch glaubt man Soupes et citrons von François de Capitani, war im „Ancien Régime“ Schweinefleisch in der Waadt ein seltenes und teures Lebensmittel. Das lag an der Konkurrenzsituation zwischen Mensch und Schwein: Beide sind Allesesser – umgekehrt stand mehr Fleisch von Wiederkäuern zur Verfügung, vor allem Kalbfleisch. Mit Küchenabfällen konnte man gewiss ein «Familienschwein» in gutsituierten Häusern füttern. Aber für eine Mast in grösserem Umfang reichte das nicht, man musste bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts warten, als das Fressangebot für Schweine mit der Verbreitung des Kartoffelanbaus und dem Aufschwung der Milchwirtschaft zum Nachteil des Getreideanbaus die Mast ermöglichte – so gab man den Schweinen Molke zu saufen, die beim Käsen anfällt. Der Cours d’économie domestique à l’usage des jeunes filles de la campagne, herausgegeben in Lausanne 1840, präsentiert Würste zum Grillen, „Atriaux“ und „Boudins“ (Blutwürste), aber weder „Saucisses aux choux“ noch „Saucisses au foie“.

Trotzdem wurden das Waadtland und Umgegend Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer Hochburg für „Charcuterie“, wie mehrere schriftliche Quellen bestätigen; diese Entwicklung verpasste auch Juste Olivier nicht, der bereits 1837 schrieb: „Früher waren Milch und Linsen die Basis der ländlichen Ernährung. Heute sind vielleicht das Schwein und anderes gesalzenes Fleisch alltäglicher.“ Alfred Cérésole erwähnt in seinen Scènes vaudoises von 1884 (gemäss Dictionnaire suisse romand) die „Saucisses au foie“ und die „Saucisses aux choux“, ebenso im Le bonheur domestique, herausgegeben 1886 in Neuchâtel, ist von der „Saucisse au foie“ die Rede – freilich ohne weitere Präzisierung. Die „Frâche“ ist seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts belegt: 1944 präsentierte Professor Auguste Piguet die Wurst, unter Berufung auf mündliche Zeugnisse und persönliche Erinnerungen, als eine seit langem etablierte Spezialität. Es sind auch ältere Erwähnungen bekannt (siehe Recettes d’Elisabeth de Gottrau von 1832), doch die damit verbundenen Rezepte decken sich kaum mit dem, was danach als „Saucisse au foie“ verstanden wurde.

Das 19. und 20. Jahrhundert prägen bis in die 1970er-Jahre die Entwicklung einer starken Tradition, die in den frühen 2000er-Jahren fast erloschen ist: die Hofschlachtung. Auf dem Hof grossgezogen, wurde das Tier auch dort von einem Störmetzger geschlachtet. Die weniger feinen Stücke wurden gehackt, gewürzt und in vorab präparierte Rinder- oder Schweinsdärme gestossen. „Saucisses“ und „Saucissons“ (siehe entsprechende Fiche) wurden anschliessend in den Kamin oder in die borne gehängt (Bretterschlot: siehe Fiche „Jambon de la borne“). Pierre Savary berichtet ausführlich über diese Rituale in Cuisine et Tradition au Pays de Fribourg und unterscheidet zwischen „Saucisson“ und „Saucisse“: „Bei der Herstellung der Wurstmasse spielen vielschichtige Fleischqualitäten eine Rolle. Das Fleisch für den „Saucisson“ sollte, angereichert mit etwas zerdrücktem Knoblauch, nobler sein. Das für die „Saucisse“, fein gehackt, etwas bescheidener; es kann mit Kohl oder Leber veredelt werden, lässt sich dafür aber weniger lange konservieren.“ Auguste Piguet seinerseits präzisiert in seinen Heften aus den 1940er-Jahren: „Nachdem der Metzger die erste Wahl gehackt hat, hackt er die Stücke der zweiten Wahl – Eingeweide, Kutteln, Knorpel und Ausschuss, was die „Frâche“ ergibt. […] Passend dazu ist 1 Pfund Salz für 40 Pfund „Saucisson“ (oder Bratwurst), ein Pfund auf 30 Pfund für „Frâche“, weil eine bestimmte Menge Kohl vorgängig in die gehackte Masse gegeben wurde. Gewöhnlich gab man sich mit zwei Kohlköpfen pro Schwein zufrieden. Doch gewisse Familien gaben im Bestreben, ihren Profit zu vergrössern, bis zu vier Köpfe hinein – ein gefährliches Spiel, denn die „Frâche“ verlor an Haltbarkeit“. Weiter wurde etwas Salpeter dazugegeben wie auch Koriander, Pfeffer und Knoblauch. Dann wurden die Würste im Kamin geräuchert. Halten wir nebenbei noch fest, dass das qualitative Niveau der „Frâche“ seit Professor Piguets Zeiten deutlich gestiegen ist!

Auch die „Saucisse au foie“ wurde in der Westschweiz während des ganzen 20. Jahrhunderts produziert (und wird es weiterhin im 21. Jahrhundert).

Produktion

Diese Charcuterie-Spezialitäten werden vor allem von Mitte September bis April produziert und konsumiert; diese Periode variiert je nach Umgebungstemperatur. Die Entwicklung von Hygiene- und Konservierungstechnologie seit dem Zweiten Weltkrieg erlaubt eine Fabrikation während des ganzen Jahres; zuvor wurde im Herbst und Winter geschlachtet, um die besseren Konservierungsbedingungen in der kalten Jahreszeit zu nutzen. Doch die Konsumenten bleiben der saisonalen Verankerung dieser Würste auf sensible Weise treu.

"Saucisse aux choux (IGP)":

Die bekannteste dieser drei Wurstarten ist sicherlich die „Saucisse aux choux vaudoise“, die 2004 das IGP-Label erhalten hat. Das Produktionsgebiet dieser Spezialität ist ausschliesslich der Kanton Waadt. Die Produktionsvorschriften sind in einem Pflichtenheft festgehalten. Dabei gibt es mehrere Etappen: das Hacken (3mm für die Schwarte, 5 mm für das Fleisch), die Masse (Fleisch, Gewürze, Additive), das Stossen, die Umrötung, das Räuchern und das Lagern. Das Endgewicht der Wurst beträgt 300 bis 400 Gramm. Das Schwein muss minimal 140 Tage alt sein und ein Gewicht von mindestens 75 Kilo aufweisen, damit es geschlachtet werden kann. Mast und Schlachtung erfolgen in der Schweiz. Im Kanton Freiburg unterscheidet sich das Rezept der „Saucisse aux choux“ ein wenig: sie enthält weder Leber noch Schwarte, ihre Konsistenz ist deshalb etwas fester. Einige Freiburger Metzger hängen die Würste als ausgesprochene Spezialität in den Rauch der borne (einem traditionellen Bretterschlot, bei dem die Durchlüftung eine besondere Rolle spielt).

"Frâche":

Die Herstellungsweise ist ziemlich ähnlich wie bei der „Saucisse aux choux vaudoise IGP“. Das Rezept der „Frâche“ aus dem Vallée de Joux hat im Lauf der Zeit ein paar Modifikationen erfahren. Gemäss Jacques Chapuis, einem Charcuterie-Experten, gaben einige Metzger bis vor kurzem (gegen Ende 20. Jahrhundert) rohen Kohl in die Wurst; früher gab man auch Kohlrabi in die Masse. Mittlerweile wird der Kohl blanchiert und gepresst, um Probleme mit der Haltbarkeit zu verhindern (mögliche Gärung).

"Saucisse au foie":

Die Herstellung ist sehr ähnlich; statt Kohl nimmt man Leber. Die „Saucisse au foie“ wird im ganzen Kanton Waadt produziert ausser im Vallée de Joux (dort gibt es die Frâche). Meistermetzger Pierre Rochat in Le Brassus hat diesen Befund bestätigt.

Konsum

Die drei Wurstspezialitäten werden normalerweise von September bis April konsumiert. Die expressiven Aromen von Leber und Kohl schmecken nicht allen; laut befragten Metzgern sind die Liebhaber der genannten Würste oft älter als 40 Jahre. Die jüngere Generation isst weniger gesalzenes Schweinefleisch als einst; in Neuchâtel hat man einen Rückgang des Verkaufs der „Saucisse au foie“ festgestellt. Sie bleibe aber, wie J. Chapuis feststellt, insbesondere „im Norden des Kantons Waadt und in der Broye präsent und geschätzt wie auch an der Côte, an der Riviera oder im Chablais, oder man zieht die „Saucisse aux choux“ vor.“

Die Würste lässt man 35 bis 40 Minuten lang in etwa 75°C heissem Wasser ziehen und serviert sie dann, eventuelle mit anderem gesalzenem Fleisch, mit Kartoffeln und Gemüse. Die „Saucisse aux choux“ spielt eine tragende Rolle beim berühmten „papet vaudois“, einem Brei auf der Basis von Kartoffeln und Lauch. Puristen legen Wert darauf, dass die Würste nicht im Wasser, sondern direkt auf dem „Papet“ bei schwacher Hitze gegart und vorher angestochen werden (damit der Saft ins Gemüse rinnt); andere verzichten aufs Anstechen und wollen den ganzen Geschmack in der Wurst behalten. Die Waadtländer bereiten dieses Gericht gerne für Gäste aus andern Regionen zu.

Im Vallée de Joux wird der „Papet“ gerne mit „Frâche“ zubereitet. Diese Kombination ist vielleicht nicht allzu althergebracht, glaubt man Zeugnissen, welche die Autoren der Encyclopédie illustrée du Pays de Vaud gesammelt haben: «Bei uns in der Familie war es Tradition, am Neujahrstag „Frâche“ mit Randensalat zu essen. Andernorts gab es zur Wurst nur Kohlrabi. Nichts Anderes.»

In einigen Waadtländer Dörfern zieht am Morgen des 1. Januars die Jugend von Haus zu Haus, um „Saucisses aux choux“ einzusammeln. Die Würste werden ein paar Tage später zum „Petit Nouvel an“ unter seinesgleichen oder mit der Dorfbevölkerung gegessen; so zum Beispiel am 2. Januar in Ollon und Aigle (Patrimoine du Canton de Vaud, octobre 2018).

Wirtschaftliche Bedeutung

2004 wurde die „Saucisse aux choux vaudoise“ als IGP registriert; jede Wurst ist erkennbar anhand einer grünen Konformitätsmarke, auf der das IGP-Logo sowie eine Rückverfolgungsnummer stehen.

In einem Dokument mit dem Titel Données économiques succinctes sur la filière (Bestandteil des Antragsdossiers für IGP) sind 50 handwerkliche Metzgereien und acht mittelgrosse Betriebe aufgeführt, von denen fünf gut zwei Drittel ihrer Produktion ausserhalb des Waadtlands verkaufen. 1997 wurden rund 500 Tonnen der „Saucisse aux choux vaudoise IGP“ hergestellt. Fast zehn Jahre später, im Jahr 2016, erreichte die Menge 626 Tonnen, produziert von 45 zertifizierten Betrieben (gemäss der Studie Die Schweizer AOP-IGP: Rückblick auf 20 Jahre Erfahrungen, 1997-2017).

... anderes

Die „Saucisse aux choux“ ähnelt der „Saucisse fratze“ im Unterwallis (siehe Fiche über die Walliser Trockenwurst). Eine „Saucisse de chou“ kennt man im Chablais savoyard. Das Beigeben von Gemüse in Würste ist in der Deutschschweiz und im Tessin quasi unbekannt; Ausnahmen sind die Kartoffelwurst in Graubünden und die Randenwurst im Oberwallis (siehe entsprechende Fichen.

Literatur

  • Knecht, Pierre,   Dictionnaire suisse romand,   Zoe,   1997.  
  • Vouga, J.-P.,   Encyclopédie illustrée du Pays de Vaud - vol.11,   Editions 24 Heures,   Lausanne,   1984.  
  • Bernerisches Kochbüchlein (Faksimile Nachdruck),   Bern,   1970.  
  • Olivier, Juste,   Le canton de Vaud, vol. I,   Libr. de M. Ducloux,   Lausanne,   1837.  
  • Peiry, Anne Marie,   Cuisine & Traditions au pays de Fribourg,   Association fribourgeoise des paysannes,   Fribourg,   1995.  
  • Torche-Julmy, Marie-Thérèse (transcription et présentation),   Recettes d'Elisabeth de Gottrau, Château de Léchelles 1832 / Recettes d'Elisabeth de Gottrau, Château de Léchelles 1832 /,   Ed. Martin Michel, cop,   Fribourg,   1988.  
  • Piguet, Auguste,   Vieux métiers de la Vallée de Joux : 1944-1949 : nourriture, habillement,   Les Charbonnières,   Ed. Le Pèlerin,   1999.  
  • Cahier des charges IGP: Saucisse aux choux vaudoise,   2000.  
  • imité de l'allemand et publ. par la maison Ph. Suchard,   Le bonheur domestique : conseils aux femmes sur la conduite de leur ménage,   Delachaux et Niestlé,   Neuchâtel :,   1886.  
  • De Capitani, François,   Soupes et citrons. La cuisine vaudoise sous l'Ancien Régime,   Éditions d'en bas,   Lausanne,   2002.  
  • © Association Suisse des AOP-IGP,   Photo Saucisse aux choux vaudoise IGP.  
  • Les AOP-IGP suisses : Regards sur 20 ans d’expériences ; Association suisse des AOP-IGP, OFAG et AGRIDEA, novembre 2017.  
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