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Glarner Birnbrot

Glarner Birnenbrot

Glarner Birnbrot

En bref

Das länglich-runde Glarner Birnbrot zählt wie das Toggenburger und Bündner Birnbrot sowie der Luzerner Birnenweggen und das Kleingebäck Birnenweggli zur grossen Familie der Birnbrote und Birnenweggen.

Eine grobe Unterscheidung lässt sich dabei am besten auf den Grundlagen des Atlas der schweizerischen Volkskunde vornehmen, der im Jahre 1950 erschienen ist, sich aber auf eine nationale Umfrage aus den 1930er-Jahren bezieht. Er unterscheidet vier Arten der Herstellung, die sich auf zwei Hauptarten reduzieren lassen: 1. Die Fruchtmasse wird auf einen ausgewallten Teig gestrichen und damit gerollt. 2. Die Fruchtmasse wird mit Teig vermischt und zugleich aussen mit einem Teig umwickelt.

Das Glarner Birnbrot gehört wie das Toggenburger und Bündner Birnbrot zur zweiten Kategorie, wobei der unter die Füllung gemischte Teig ein Ruchbrotteig ist, aussen jedoch ein Hefeteig die kompakte Masse umwickelt. Zwischen dem Glarner und dem Toggenburger Birnbrot gibt es nur geringe Unterschiede in der Würzung sowie im Mischverhältnis. Der grosse Unterschied zur Bündner-Variante liegt in der Zubereitung der Füllung: Im Glarnerland sowie im Toggenburg werden die gedörrten Birnen gekocht und anschliessend passiert mit den weiteren Zutaten zur Füllung vermischt, im Bündnerland hingegen werden die gedörrten Birnenschnitze über Nacht in Rosenwasser oder Birnenträsch eingelegt.

Grösser ist der Unterschied zum Luzerner Birnenweggen, der zur ersten Kategorie gehört: Durch das Rollen erhält der Birnenweggen keine runde, sonder eher eine ovale Form und die Füllung ist ohne Teigzugabe weicher als bei den Birnbroten. Somit lässt sich eine klare Differenzierung der beiden Bezeichnungen „Birnbrot“ und „Birnenweggen“ vornehmen: Unter dem Begriff „Brot“ sind jene Birnengebäcke gemeint, bei denen die mit Teig versehene Füllung vom Teig umwickelt wird, während „Weggen“ für diejenigen Birnengebäcke steht, bei welchen die Füllung und der Teig gerollt sind. Die Begriffe Birnbrot und Birnenweggen können also, zumal auf die vier eben erwähnten und national bekanntesten Varianten bezogen, nicht synonym verwendet werden.

Birnbrote und Birnenweggen werden nicht in der ganzen Schweiz hergestellt. In der Westschweiz oder im Tessin kennt man die Birnengebäcke kaum. Die Angaben über die Verbreitung der Birnengebäcke aus dem Volkskunde-Atlas sind noch heute weitgehend gültig. Demnach liegen die Hauptproduktionsgebiete in der Ost-, Nord- und Zentralschweiz sowie in Graubünden. Zudem werden im Atlas die zwei verschiedenen Bezeichnungen – Birnbrot und Birnenweggen –geografisch klar unterteilt: „In der Nordschweiz wie in Luzern und Zug herrschen Birnwecken vor. Von (…) Graubünden ausgehend reicht das Gebiet der Birnbrote bis an den Vierwaldstättersee (…), Glarus und Appenzell einschliessend. (…) Auf st. gallischem Boden erscheinen Birnbrote zum Teil neben Birnwecken."

Description

Das länglich gebackene Birnbrot besteht zur Hauptsache aus einer kompakten Birnenmasse-Füllung, die von einem dünn ausgerollten Hefeteig umschlossen ist. Während im Glarnerland und im Toggenburg die Birnen gekocht und passiert unter den Rest der Füllung gemischt werden, legt man in Graubünden die gedörrten Birnenschnitze in Rosenwasser ein, ehe sie zu einer Füllmasse verarbeitet werden.

Der Luzerner Birnenweggen ist etwas flacher und oval, zudem wird die Fruchtmasse, der kein Brotteig untergemischt wird, auf einen ausgewallten Teig gestrichen und damit gerollt.

Ingrédients

Füllung: Ruchbrotteig, gedörrte Birnen (gereinigt, gekocht, passiert), Orangeat, Zitronat, Baumnüsse, Feigen, Sultaninen, oftmals auch Apfelschnitze, Zucker, Trester/Kirsch (zuweilen auch Wein) sowie eine Gewürzmischung aus Koriander, Zimt, Sternanis, Anis und Nelken.

Einschlagteig: Milch, Hefe, Zucker, Salz, Butter, Weissmehl

Histoire

Entstanden ist das heute als Delikatesse geschätzte Glarner Birnengebäck wahrscheinlich schon vor dem Spätmittelalter aus einem Mangel heraus: In vor- und hochalpinen Gebieten, die vom Spätmittelalter an hauptsächlich von der Viehwirtschaft lebten, fehlte es zuweilen an teurem Mehl. Um das Brot zu strecken, fügte man dem Mehlteig ganz einfach gedörrte Birnen und andere Dörrfrüchte hinzu. Nicht zufällig fallen auch die anderen bekannten Birnengebäcksregionen – das Toggenburg, das Bündnerland sowie Luzern – in vor- oder hochalpine Gebiete.

Beliebt war das Birnbrot vor allem wegen seiner langen Haltbarkeit. Oft wurde deshalb eine grosse Menge auf einmal gebacken. Aus diesen anfänglich rudimentären, mit Dörrbirnen gestreckten Broten haben sich im Verlaufe der Zeit typische Weihnachts- und Neujahrsgebäcke entwickelt, die mit zahlreichen Gewürzen und weiteren Zusätzen verfeinert wurden. Eine klare Aufwertung des Gebäcks. „Am Altjahrabend findet man im ganzen Lande, in den Häusern der Reichsten wie in den Hütten der Armen die Familie um einen Nidel und selbstgebackenes Birebrot versammelt“, zitiert das Idiotikon eine diesbezügliche Quelle aus dem Glarnerland.

Ein anschauliches Bild vom Birnbrotbacken, wie es bis weit ins 20. Jahrhundert hinein üblich war, vermitteln die Erinnerungen eines 1885 geborenen Glarners, die im Aufsatz „Festliches Brauchtum im alten Glarus“ überliefert sind: „Uffe Winter hät me Bire gchauft und teere luh (dörren lassen). Mä hät doch möse Birebrot ha uf Wienacht und Nüjahr. Jedi Husfrau hät ihres eigis Rezäpt gcha für ds Gwürz, dr Bränz (Gebranntes), Nusse, Wiibeeri und alles, wo driigchöört. D’Bire hät mä nuch mit äme Wiegemässer verwieget und dä, wänn d’Mueter sicher gsi isch, äs fähli käs Leche (nicht das mindeste), dä hät mä alls zum Begg tue. Birebrot hät mä nüd das ganze Jahr gcha we jetz.“

Im 20. Jahrhundert begann sich die Herstellung der Birnbrote allmählich von der Haus- in die Berufsbäckerei zu verlagern. Das hat einerseits dazu geführt, dass die Birnbrote heute nicht nur an den winterlichen Festtagen, sondern das ganze Jahr über gebacken und konsumiert werden, und auf der anderen Seite zu einer bewussten Vermarktung des seit Jahrhunderten in der Region hergestellten Birnbrotes als Glarner Spezialität unter dem heute bekannten Namen Glarner Birnbrot.

Im jüngst von Susanne Peter-Kubli editierten Glarner Kochbuch von Othmar Blumer-Paravicinis, das Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden ist, sind gleich drei verschiedene Birnbrotrezepte zu finden. Diese Vielfalt, auch innerhalb einer Region, ist typisch für die Birnbrotherstellung. Bis heute gibt es keine verbindlichen Richtlinien oder Originalrezepte zu den genauen Zutaten oder zur Gewürzmischung.

Als regionale Spezialität wird das „Birnbrot“ zwar schon 1929 in Helene Guggenbühls „Schweizer Küchenspezialitäten“ (2. Auflage) in Glarus verortet, aber noch nicht explizit als Glarner Birnbrot vorgestellt. Dies geschieht erstmals im Fachbuch „Der Schweizer-Bäcker“ von 1944, in dem das Glarner Birnbrot neben einem Toggenburger und einem Bündner Birnbrot sowie dem Birnenweggen vorgestellt wird. Zwölf Jahre später wird im Richemont-Fachblatt unter dem Titel „Birnbrote – ein begehrtes Wintergebäck“ ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Unterschiede zwischen dem Glarner und dem Toggenburger Birnbrot nur in der Gewürzmischung und der Zutatenbeigabe liege. Im beiliegenden Glarner Rezept sticht Anis als Gewürz heraus, während das Toggenburger Birnbrot zusätzlich mit eingekochten Zwetschgen und Apfelmarmelade versehen wird.

Production

„Seit rund 140 Jahren haben sich das Grundprinzip und die Zutaten des Birnbrotes kaum verändert“, schickt der besuchte Bäcker voraus, bevor er mit dem Formen der Brote beginnt. Damals eröffnete sein Ur-Ur-Grossvater eine Bäckerei in Ennenda, dem Dorf gegenüber von Glarus, auf der anderen Seite der Linth. Tatsächlich dürften die Handgriffe und die Zusammensetzung vor eineinhalb Jahrhunderten kaum anders ausgesehen haben: Auf ein rechteckig ausgeschnittenes und sehr dünn ausgerolltes Hefeteigstück legt der Bäcker die kompakte Füllung in länglicher Form. Die Teigplatte ist zuvor mit Wasser bestrichen worden, damit der Teig beim anschliessenden Zudecken der Füllung, erst die Schmal-, dann die Längsseiten, auch schön klebt. Auf dem Blech muss die Nahtstelle dann unbedingt auf der Unterseite liegen, damit sie beim Backen nicht aufplatzt. Ebenso wichtig sind die eingestochenen, kleinen Löcher in den Seiten und im Deckel des Brotes, durch welche die im Innern entstehende Hitze entweichen kann und der Teig rissfrei bleibt.

Eine Hexerei ist das Formen der Birnbrote nicht. Die hohe Kunst des Birnbrotbackens liegt vielmehr in der Herstellung des Hefeteiges und vor allem der Füllung, die heute jede Bäckerei (und früher jeder Haushalt) nach ihrem eigenen, bewährten Rezept herstellt. Und an diesem Punkt findet sich dann doch noch ein Unterschied zur früheren Herstellung des Birnbrotes. Bis in die 1980er Jahre legte man die halbierten und geschälten Birnen in lauwarmes Wasser ein und liess sie über Nacht stehen. Am Folgetag wurden sie weich gekocht, dann durch einen Passevite getrieben und schliesslich mit den weiteren Zutaten – Ruchmehlteig, Baumnüsse, Sultaninen, Tresterschnaps, Zucker, Zitronat und Orangeat sowie einer Gewürzmischung bestehend aus Koriander, Zimt, Sternanis, Anis und Nelken – zur Füllung vermengt. Der Ruchmehlteig verleiht der späteren Füllung dabei die richtige Konsistenz, so dass die Masse weder pampig noch zäh-feucht wird. Heute erspart man sich den langwierigen Arbeitsschritt des Einkochens und verwendet stattdessen in praktisch allen Bäckereien eine vorpräparierte, auf natürlicher Basis produzierte Birnenmasse, was dazu geführt hat, dass die Unterschiede der einzelnen Birnbrote nicht mehr so gross sind wie noch vor drei Jahrzehnten. „Neben dem verringerten Produktionsaufwand bringt die Birnenmasse den weiteren Vorteil, eine konstant gute Qualität zu bieten“, erklärt der Bäcker, „während es früher grosse Schwankungen gab, je nach Güte der geernteten Birnen. Heute kann man solche Schwankungen kompensieren, indem man Birnen von minderer Qualität mit solchen von hoher Qualität mischt.“ Bevor die Brote abschliessend bei 210 Grad Celsius für eine gute halbe Stunde in den Ofen kommen, bestreicht man die Aussenfläche mit zerquirltem Ei, und verleiht dem Teig so einen schönen Glanz.

Consommation

Das Birnbrot war bis nach dem Zweiten Weltkrieg ein traditionelles Klaustags- und Weihnachtszeitgebäck. Mittlerweile sind die Brote mit der Birnenfüllung das ganze Jahr über erhältlich.

Am besten schmeckt die Scheibe Birnbrot mit Butter bestrichen zu einer Tasse Milch, Kaffee oder Tee. Nur auf den ersten Blick abenteuerlich mutet die Kombination von Birnbrot und Käsefondue an, die beiden Geschmäcker ergänzen sich jedoch hervorragend, verspricht der besuchte Bäcker mit Nachdruck. Auch zu einem Glas Rotwein passt das Birnbrot. Und nicht zuletzt ist das fruchtige Glarner Birnbrot ein wahrer Kraftriegel mit seiner nährstoffreichen und zuckerhaltigen Füllung. So verzehrte ein hoffnungsvoller Glarner Nachwuchsläufer am liebsten ein Birnbrot vor seinen Wettkämpfen.

Importance économique

Der grosse Vorteil des Birnbrotes ist seine lange Haltbarkeit. Wenn die meisten anderen Brote schon nach wenigen Tagen trocken und hart sind, bleibt das Birnbrot dank seiner kompakten, feuchten Füllung und dem darin enthaltenen Alkohol problemlos einen Monat lang geniessbar. Ein Umstand, der das Brot zu einem idealen kulinarischen Mitbringsel macht.

In vielen Glarner Bäckereien zählt das Birnbrot denn auch zu den Leader-Produkten. Auf 300 bis 400 Stück pro Woche beläuft sich die Produktion der Bäckerei in Ennenda, wovon ein Teil über einen Partner-Händler an verschiedene Käsereien und Molkereien in der Region vertrieben werden. Erhältlich sind die Birnbrote übrigens in verschiedenen Grössen: In Ennenda kriegt man Birnbrote von 300, 400 oder 600 Gramm.

Sources

  • Atlas der schweizerischen Volkskunde,   Weiss, Richard und Paul Geiger,   Basel,   1950.  
  • Knobel, Käthy,   Kochen im Glarnerland. Traditionelle und eigene Gerichte,   Landfrauen kochen,   Liebefeld-Bern,   2004.  
  • Nold, Ruth,   Glarner Spezialitäten,   Glarus,   1981.  
  • Stüssi, Heinrich,   75 Jahre Bäcker-Konditorei-Meisterverband des Kantons Glarus 1909-1984,   Glarus,   1984.  
  • Guggenbühl, Helen,   Schweizer Küchenspezialitäten. Ausgewählte Rezepte aus allen Kantonen,   Schweizer-Spiegel-Verlag,   Zürich,   1929.  
  • Dumont, Cédric,   Kulinarisches Lexikon,   Bern,   1997.  
  • Borer, Eva Maria,   Die echte Schweizer Küche,   Mary Hahns Kochbuchverlag,   Berlin,   1963.  
  • Guggenbühl, Helen<BR />Lienert, Meinrad,   Schweizer Küchenspezialitäten. Alte Rezepte aus allen Kantonen,   Schweizer Spiegel Verlag.,   Zürich,   1962.  
  • Albonico, Heidi<BR />Albonico, Gerold,   Schweizer Tafelfreuden. Band 3,   Silva Verlag,   Zürich,   1976.  
  • Richemont Fachblatt,   Fachschule Richemont Luzern,   ab 1945.  
  • Kulinarische Reise durch die Ostschweiz.,   Ostschweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft,   St. Gallen,   1996.  
  • Vogt, Ernst, Ludwig M. Raith, Bruno Heilinger und Jakob Viel,   Der Schweizer Bäcker-Konditor. Handbuch für das gesamte Bäckerei- und Konditoreigewerbe. Band 1,   Thun,   1944.  
  • Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache,   Staub, Friedrich et al..  
  • Jahrbuch des Historischen Vereins des Kantons Glarus, Heft 85,   Fridolin Druck und Medien,   Schwanden,   2005.  
  • Streiff, Hans Jakob,   Speis und Trank im alten Glarnerland,   Diesbach,   2004.  
  • Schweizer Volkskunde,   Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde,   Basel,   1953.  
  • Schweizerisches Archiv für Volkskunde,   Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde,   Zürich,   1900.  
  • Glarner Heimatbuch. Lehrmittel zum Unterricht in “Mensch und Umwelt“ für die Primarschule des Kantons Glarus,   Kantonale Lehrmittelkommission Glarus,   Glarus,   1992.  
  • Braun, Rudolf,   Sozialer und kultureller Wandel in einem ländlichen Industriegebiet,   Eugen Rentsch Verlag,   Erlenbach,   1965.  
  • Bührer, Peter,   Schweizer Spezialitäten. Alte Original-Kochrezepte,   Editions M,   Zürich,   1991.  
  • Larese, Dino,   Guten Appetit. Eine bunte Folge Ostschweizer Spezialitäten,   Amriswil,   1952.  
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