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Urner Pastete

Urner Paschteetä

En bref

Die Urner Pastete ist eine gänzlich untypische und erstaunlich einfache Pastetenart: Von der Form her gleicht sie einem eckigen, zuweilen auch runden gedeckten Fladen, während die Füllung praktisch nur aus in Trester eingelegten Weinbeeren besteht.

Diese Einfachheit gilt als typisches Merkmal der traditionellen Urner Küche, die sich grösstenteils aus Produkten zusammensetzt, die von der bäuerlichen Bevölkerung selbst produziert wurden oder aus dem nahe gelegenen Italien stammten, wie etwa die Weinbeeren.

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein blieben die Pasteten ein bäuerliches Hausgebäck, das zur „Chilbizeit“ und zu anderen Festanlässen gebacken wurde. Heutzutage sind vor allem die Urner Bäcker und Konditoren für das Pastetenbacken während der Festtage und darüber hinaus verantwortlich, man bekommt die Pastete mittlerweile das ganze Jahr über. Geblieben ist die grosse Vielfalt unter den Urner Pasteten, die je nach Bäckerei oder Haushalt mit einem anderen Teig und anderen Gewürzen hergestellt werden.

Auch wenn die rechteckigen oder runden Pasteten zu einem Alltagsgebäck geworden sind, steigt die Produktion während der Chilbizeit noch immer markant an. Die Chilbi war ursprünglich eine Kirchweih, ein jährliches Erinnerungsfest der Kircheinweihung und Feiertag des Kirchenpatrons. Seit dem Spätmittelalter vermischten sich die Kirchweihen aber zunehmend mit anderen, weltlichen Festanlässen wie der Weinlese, dem Schützenfest oder eben dem Alpabzug. So wurde die Chilbi landauf, landab zu einem populären Ortsfest, oftmals mit Jahrmärkten und Tanztagen verbunden. Zu dieser Chilbizeit, die von Anfang September bis Ende November dauert, gehörten seit jeher spezielle Festgebäcke. Das ist bis heute so geblieben, und im Urnerland ist die Chilbizeit ohne Urner Pastete sowie Zigerkrapfen und Iberlitzli, den bauchigen Weinbeeren-Teigbeuteln, die als kleine Schwester der Pasteten bezeichnet werden können, kaum denkbar.

Description

Die Urner Pasteten sind eckige oder runde, mit Weinbeeren gefüllte flache Gebäcke, die je nach Region und Bäckerei aus unterschiedlichem, aber immer süssem Teig bestehen.

Variantes

Es gibt zahlreiche regionale Bezeichnungen. Am bekanntesten ist wohl die Silener Pastete.

Ingrédients

Rezept nach Karl Iten für zwei Silener Pasteten mit ca. 25 cm Durchmesser

Teig: 1kg Mehl, 500g Butter, 250g Zucker, 20g Salz, 1 dl Trester, 1-2 Eier, ½ dl alter Most.

Füllung: 750 g Weinbeeren, wenig Zucker und Zimt, etwas Trester.

Histoire

Zwei Pole bestimmten das kulinarische Jahr der Urner Bauern bis zum Zweiten Weltkrieg weitgehend: der magere, entbehrungsreiche Alltag mit vielen Fastentagen sowie die üppigen Festtage rund um die herbstliche Chilbi, um Weihnachten und Neujahr sowie um die Fastnacht. Fleisch, Kartoffeln und die bunte Welt der Gebäcke – Pasteten, Iberlitzli und Zigerkrapfen – entschädigten für die karge Zeit. „Gefeiert, getanzt (…) und natürlich auch geschlemmt (wird dann), denn das ausgiebige Tanzen macht Hunger und Durst!“, wie Karl Iten in seinem Werk „Vom Essen und Trinken im alten Uri“ vermerkte.

Wie weit dieser Brauch des Pastetenbackens tatsächlich zurückreicht, lässt sich nicht mehr genau eruieren. Auch Karl Iten hat in seinem umfangreichen Buch keine näheren Angaben gemacht, er bezeichnet die Pasteten und Iberlitzli zwar als „eigentliche Urner Festgebäcke bäuerlicher Prägung (…) seit alters her“, nennt aber keine weiteren Zeitangaben. Sein Hinweis auf den bekannten Urner Arzt, Historiker und Politiker Karl Franz Lusser, der im Jahr 1834 geschrieben hat: „An Festtagen ist dann eine Pastete oder doch etwas Gebackenes, z.B. mit Zieger und Gewürz gefüllte Kuchen (Krapfen) und süsser Wein das non plus ultra des Guten“, ist auch kein Anhaltspunkt, da Lusser offensichtlich mit Fleisch gefüllte Pasteten gemeint hat.

Einen Hinweis auf das Alter des Festgebäcks finden wir aber in François de Capitanis Buch „Festliches Essen und Trinken im alten Bern“, wo ein Weinbeerenkuchen-Rezept aus dem 16. Jahrhundert aufgeführt ist, das jenem der Urner Pastete und des Iberlitzli ziemlich ähnlich ist.

Weinbeeren waren tatsächlich schon im 16. Jahrhundert nördlich der Alpen weit verbreitet, wie zahlreiche weitere Rezepte, die Weinbeeren als Zutat enthalten, aufzeigen. Die Weinbeeren stammten meistens aus Norditalien. Wie in einem Bericht über die Urner Pastete im Richemont Fachblatt aus dem Jahr 2003 nachzulesen ist, waren es Urner Säumer, welche die getrockneten und süssen Traubenbeeren und viele weitere Nahrungsmittel im Tausch gegen Vieh und Käse ins Urnerland brachten. Die so genannten Säumergenossenschaften waren seit dem 14. Jahrhundert für den Warentransport über den Gotthard und weitere Alpenpässe verantwortlich. Auch eingesottene Butter war im von der Viehzucht geprägten Urnerland gerade in der Herbst- und Winterzeit vorhanden. Versorgungsprobleme gab es wohl höchstens beim Mehl, weil praktisch die ganze Innerschweiz wegen dem lukrativen Viehhandel mit der Lombardei auf die Viehzucht setzte; Getreide wurde kaum noch angepflanzt.

Die Grundzutaten für eine Urner Pastete waren also schon im Spätmittelalter vorhanden, wobei die damaligen Festgebäcke niemals so reichlich gewürzt und verfeinert werden konnten wie heutzutage. Gewürze und auch Zucker waren bis ins 18. Jahrhundert hinein für die Landbevölkerung kaum erschwinglich.

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein standen nur in den wenigsten Bauernhäusern Backöfen zur Verfügung. So war es Brauch, heisst es im bereits genannten Artikel des Richemont Fachblattes, dass die Bäuerinnen bei den Bäckern Backbleche holten, die Pastete zu Hause herstellten und sie dann zum Ausbacken wieder in die Bäckerei zurück brachten. Um Verwechslungen zu vermeiden, wurden die Gebäcke mit den Initialen der Hersteller gekennzeichnet. 

Production

Pasteten und auch Iberlitzli werden im ganzen Urnerland hergestellt, wo jede Pastete wieder anders schmeckt, je nach Teig- und Gewürzmischung. Ausserdem gibt es sie sowohl in runder wie auch in rechteckiger Form. Das zeigt sich auch in den Urner Koch- und Rezeptbüchern, wo jeweils mehrere Pastetenrezepte gleichzeitig zu finden sind. So nennt das im Jahr 2001 erschienene Buch „Urner Bäuerinnen kochen“ gleich fünf regional verschiedene Pastetenarten, die sich vor allem in der Teigherstellung unterscheiden. Eine spezielle Note erhalten die Teigvarianten übrigens durch die Beigabe von Milch, Most, Schnaps (vor allem Kirsch) oder sogar Bier.

Auch Karl Iten und Emil Stadler, die 1973 „Rezepte aus dem alten Uri“ zusammengetragen haben, präsentieren vier Pastetenarten. Sie bezeichnen die „Silener Paschteetä“ als die echte, alte „Püüräpaschteetä“ (Bauernpastete), deren Teig nach dem Backen im Innersten noch eine ganz leicht käsige Form aufweisen sollte. „Schlyyffstäinig sii“, nennt Emil Stadler, ein ehemaliger Koch, diesen Teigzustand, „weil der Teig im Innern ein wenig grau und glänzend ist, wie ein nasser Schleifstein“. Im Unterschied zum geriebenen Mürbeteig der Silener Pastete verwendet ein besuchter Bäcker in Andermatt einen speziellen, eher luftig-spröden Blätterteig für seine Pasteten und Iberlitzli.

Im Folgenden wird nun näher auf die Produktion der Bauernpastete eingegangen: Am Vorabend schon verreibt man das Mehl, die Butter, den Zucker und das Salz miteinander und formt es zu einem Kranz. In seine Mitte schlägt man die Eier auf und giesst dann Trester sowie Most dazu, was „dem Teig zusätzliches Aroma verleiht“, erläutert der besuchte Produzent, „und keine Sorge, der Alkohol ist nach dem Backen längst verdunstet.“ Nicht wenige Konsumenten halten denn auch den Teig für das Besondere an den Pasteten, und nicht die Füllung. Schliesslich knetet man all diese Zutaten zu einem Teig, nicht zu lange allerdings, weil er sonst zäh werden kann, und lässt diesen über Nacht ruhen.

Ebenfalls am Vorabend weicht man die Weinbeeren im Trester ein. Am Folgetag schüttet man sie ab und mariniert sie mit Zucker, Zimt und Trester. Nun wird der Teig einen halben Zentimeter dick ausgerollt. Am besten legt man anschliessend eine grosse, runde Platte auf diesen Teigteppich und schneidet den Teig ihrem Rand nach durch. Dieser Pastetenboden wird auf ein Kuchenblech gelegt und mit Eigelb bestrichen. Vom restlichen Teig schneidet man nun etwa drei Zentimeter breite Streifen und legt diese als Rand rundherum auf den Pastetenboden. Auf die gleiche Art legt man noch einen zweiten Streifen darauf, damit der Rand höher wird. Nun kommt die vorbereitete Weinbeeren-Füllung auf den Pastetenboden und zum Schluss deckt man alles mit einem gleich grossen Teigdeckel zu. Auch dieser wird mit Eigelb bestrichen. Mit einer Gabel durchsticht man die Pastete an verschiedenen Stellen und zeichnet auch die Oberfläche. Von Hand wird schliesslich der Rand rundherum festgedrückt. Gebacken wird die verzierte Pastete im mittelwarmen Ofen (180-200 Grad) während einer guten halben Stunde, bis sie eine goldbraune Farbe aufweist.

Consommation

Noch immer werden die verschiedenen süssen und mit Weinbeeren gefüllten Pasteten im ganzen Urnerland vor allem in der Chilbizeit, aber auch über Weihnachten und Neujahr sowie an der Fastnacht konsumiert und hergestellt. Die Pasteten, ob rund oder rechteckig, sind heutzutage nicht mehr zwingend so gross wie früher (ca. 25 cm Durchmesser) und werden mittlerweile sowohl im Ober-, wie auch im Unterland das ganze Jahr über hergestellt. Frisch schmecken die verschiedenen Pasteten natürlich am besten, sie sind aber rund eine Woche haltbar.

Die verschiedenen Urner Pasteten passen wunderbar zu einem Kaffee, am besten mit Schnaps aufgepeppt, oder zu einem Glas Rotwein. Das Richemont Fachblatt empfiehlt einen Tessiner Merlot.

Neben der traditionellen Variante mit Weinbeeren-Füllung bieten die meisten Bäcker längst auch eine Alternative mit Mandelfüllung an. „Weinbeeren sind nicht jedermanns Sache“, meint ein besuchter Bäcker in Andermatt, „deshalb hat schon mein Grossvater eine Alternative mit Mandelfüllung hergestellt.“

Importance économique

Die Pasteten werden vorwiegend von Einheimischen geschätzt.

Absoluter Höhepunkt der Pastetenbackzeit ist noch immer die Chilbizeit, wo die Pastete neben dem Zigerkrapfen und den Iberlitzli zu den wichtigsten Bäckereiprodukten zählen. Ihr Absatz steigert sich in dieser Zeit um ein Vielfaches.

Sources

  • Richemont Fachblatt,   Fachschule Richemont Luzern,   ab 1945.  
  • Schweizerisches Archiv für Volkskunde,   Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde,   Basel,   1934.  
  • Stadler, Emil und Karl Iten,   Vom Essen und Trinken im alten Uri. Band 2: Rezepte aus dem alten Uri,   Buchdruckerei Gamma & Cie.,   Altdorf,   1973.  
  • Iten, Karl,   Das Altdorfer Pasteten-Büchlein,   Buchdruckerei Gamma & Cie.,   Altdorf,   1971.  
  • Stadler, Emil,   Das Kochbuch aus Uri,   Wolfgang Hölker,   Münster,   1988.  
  • Iten, Karl,   Vom Essen und Trinken im alten Uri. Band 1, ein fröhlicher Streifzug durch die Urner Küche,   Buchdruckerei Gamma & Cie.,   Altdorf,   1970.  
  • Urner Bäuerinnen kochen,   Bäuerinnenverband Uri,   Liebefeld-Bern,   2001.  
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Epicentre de production

Kanton Uri; die Urner Pasteten waren einst typische Festgebäcke, die vor allen an den herbstlichen Chilbis hergestellt und konsumiert wurden. Heute werden sie das ganze Jahr über hergestellt.

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