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Badener Chräbeli

Kräbeli

Badener Chräbeli

In Kürze

Das Badener Chräbeli ist ein helles Anisgebäck, das etwa fünf Zentimeter lang und anderthalb Zentimeter dick ist. Es ist leicht gebogen und mehrfach eingeschnitten. Die dunklen Pünktchen im Gebäck sind die Anissamen, die dem Chräbeli seinen unvergleichlichen Geschmack geben.

Das Badener Chräbeli ist seit mehr als einem Jahrhundert als Spezialität der Stadt Baden bekannt. Als Weihnachtsgebäck kennt man das Chräbeli in der ganzen Deutschschweiz, in Baden jedoch verkauft man sie ganzjährlich.

Neben dem Chräbeli gibt es in der Schweiz eine Vielzahl von Anisgebäcken. Typisch sind die mit einem Model geformten Anisbrötli oder eher regional verbreitete gefüllte Gebäcke wie der Uristier oder die Stanser Anisstange. Auch beim Anisbrötli gibt es verschiedene Varianten. So verfeinern die Freiburger, vor allem im französischsprachigen Teil, ihre Anisbrötli mit Butter oder Rahm und geben ein Triebmittel wie Backpulver oder Hirschhornsalz (E503) hinzu. Dadurch wird das Westschweizer Brötli luftiger als das Deutschschweizer. Der zweite grosse Unterschied ist, dass das Freiburger Anisbrötli nicht mit einem Model gemacht wird.

Die hellfarbigen Anisgebäcke waren ursprünglich ein Ersatz für das kostbare Marzipan. Im ausgehenden Mittelalter kannte man Marzipan nur in der Oberschicht. Die Zuckerbäcker waren richtige Künstler darin, Tischdekorationen wie Pflanzen, Tiere oder ganze Gebäude aus Marzipan zu formen. Die Formbarkeit von Marzipan ist nur dank dem Zucker im Teig möglich. Zucker ist in der Schweiz sicherlich seit dem 14. Jahrhundert bekannt. Das zeigt etwa die Klosterordnung der Königin Agnes von Ungarn für das Kloster Königsfelden aus dem Jahr 1330. Diese empfiehlt, den kranken Nonnen Zucker zur Stärkung zu verabreichen. Der Zucker blieb jedoch lange Zeit ein Arzneimittel und Prestigeprodukt. Erst der steigende Zuckerimport aus der Karibik nach dem Dreissigjährigen Krieg (1618-1648) leistete dem Anstieg des Zuckerkonsums Vorschub. Dies wirkte sich auch auf die Küche der breiten Bevölkerung aus. Der bis zu diesem Zeitpunkt vorwiegend zum Süssen verwendete Honig wurde durch Zucker ersetzt. In der Folge entstanden verschiedene Nachahmerprodukte von Marzipan. In den Kochbüchern findet man ab dem 17. Jahrhundert vermehrt Rezepte für „Gemeines Marzipan“, „Bauernmarzipan“ und „Eiermarzipan“, alles Bezeichnungen für Anisgebäcke. Bei diesen Rezepten werden die sehr teuren Mandeln durch Weissmehl ersetzt. Die begriffliche Anlehnung an Marzipan entstand vermutlich auch, weil das Anisguetzli, wie das Marzipan, mehr getrocknet als gebacken wird. Ausserdem verlieh das Wort dem neuen Gebäck ein höheres Ansehen.

Beschreibung

Helles Anisgebäck, länglich, 2-4 Mal eingekerbt, gebogen.  Eher trockenes Gebäck von ca. 5 Zentimetern Länge.

Zutaten

Eier, Weissmehl, Zucker, Anis grob oder gestossen, Salz, (Sorbit) und Triebsalz (Ammoniaksalz) .

Geschichte

Der Ursprung des Chräbelis liegt im Dunkeln. Der Schweizer Gebäckforscher Max Währen meint, dass das Chräbeli erstmals in der Beschreibung einer Badenfahrt um das Jahr 1710 erwähnt wurde. Auch in der Encyclopädie von Krünitz aus dem Jahr 1773 ist ein Rezept für Anis-Gebackenes zu finden: Der feste Teig aus Eiern, Zucker, Anis und Mehl soll ausgerollt werden können: "Zulezt machet man davon kleine länglichte Stücke, und schneidet solche mit einem dünnen spitzigen Messer in der Länge über, aber nicht ganz durch." Gekrümmt wurden die Teiglinge offenbar aber nicht.

Die wohl älteste bildliche Darstellung eines Chräbelis ist wohl von Ernst Ludwig Rochholz, einem volkskundlich interessierten Kantonsschullehrer aus Aarau und stammt aus der Zeit um 1860. Rochholz bezeichnet das Chräbeli auch als „Schwabenbrot“. Auf dem Bild in seiner Sammlung ist es mit zwei Schnitten dargestellt.

Wer mit der ganzjährigen gewerblichen Herstellung des Chräbelis in Baden anfing, lässt sich nicht mehr genau eruieren. Der Vater des befragten Bäckers vermutet, dass es seine Grossmutter war, die damit im 19. Jahrhundert begonnen hatte. Während des 19. Jahrhunderts sollen ganze Wagenladungen Badener Chräbeli in die weite Welt gebracht worden sein, so berichtet das "Fremdenblatt von Baden" aus dem Jahr 1939. Über 25 Bäckereien und Konditoreien produzierten in der Bäderstadt in dieser Zeit Tag und Nacht einzig Badener Chräbeli. Auch in Baden selber waren sie ausserordentlich beliebt: In den Badehotels und Bädern waren Verkaufsdamen unterwegs, die diesen "Badkram" an die Gäste brachten.

Ein Zeitzeuge der Chräbeliproduktion in Baden ist der Zürcher Autor Gottfried Keller (1819 - 1890). Dieser scheint nicht nur Chräbeli gegessen zu haben, ihn faszinierte auch deren Herstellung. In der Backstube einer berühmten Badener Konditorendynastie stand noch im Jahr 1939 ein alter, schön geschnitzter Chräbelitisch, in den das Messer tiefe Mulden gegraben hat. Hier habe Keller der Herstellung zugeschaut, berichtet das "Fremdenblatt von Baden".

Die Form des Chräbelis veränderte sich über die Jahre leicht. Auf der Abbildung von Rochholz aus der Mitte des 19. Jahrhunderts hat es zwei Einkerbungen. In einem Rezept für die Schweizer Bäcker und Konditoren aus dem Jahr 1944 ist die Rede von vier Schnitten. Heute sind bei den Badener Bäckereien diverse Formen vorzufinden: Manche sind eher eckig, und die Krümmung ist schwach. Andere haben eine andere Anzahl der Einschnitte.

Produktion

Chräbeli werden in gewerblichen Betrieben, häufig aber auch in Privathaushalten hergestellt. Besonders wichtig für ein feines Chräbeli ist, dass Eier und Zucker in einem Kupferbecken unter ständigem Erwärmen über der Gasflamme gerührt werden, bis die Masse locker und sehr schaumig ist und der Zucker sich vollständig aufgelöst hat. Danach muss man die Masse bis zum Erkalten weiter rühren. Die restlichen Zutaten werden dann durch ein feinmaschiges Sieb gegeben und mit der Zuckereiermasse gemischt und von Hand zu einem lockeren, aber doch kompakten, Teig zusammengewirkt. Ideal ist es, wenn der Teig sich zu einer Kugel formen lässt.

Der fertige Teig wird mit einem feuchten Tuch zugedeckt, damit er für zwei bis drei Stunden ruhen kann.

Bei der Herstellung der Chräbeli formt der Bäcker kleine, runde Kugeln zu einer Tropfenform, kerbt sie mit einem scharfen Messer dreimal ein und drückt das Teigstück um den Daumen. So erhält es die gebogene Form.

Die Chräbeli legt der Bäcker nun auf ein gefettetes Blech zum Trocknen. Je nach Produzent kann diese Phase bis zu 24 Stunden dauern. Danach werden sie bei 160 Grad ohne Dampf gebacken. Wichtig ist, dass das Chräbeli von heller Farbe bleibt.

Konsum

Im Grossraum Baden wird das Chräbeli das ganze Jahr durch konsumiert. Gerne stellen es die Organisatoren in Baden bei repräsentativen Anlässen auf den Tisch. Als Mitbringsel verpacken die Bäckereien es gerne in den Badener Farben Rot, Weiss und Schwarz.

Die echten Badener Chräbeli sind glashart und ähneln darin und in der Zusammensetzung den in Süddeutschland unter dem Namen Springerle bekannten Anisguetzli. Vorsicht ist beim ersten Kontakt mit dem Chräbeli geboten: Man soll es brechen und die Stücklein im Mund wie ein Zuckerbonbon zergehen lassen. Es passt gut zu Rotwein, Kaffee oder Tee.

Aufbewahrt in einer verschliessbaren Büchse halten sie Wochen, wenn nicht Monate.

Wirtschaftliche Bedeutung

In einem älteren Rezeptbuch eines besuchten Bäckers ist der Zettel „Preisvergleich der Konditoreiwaren während 20 Jahren“ eingeklebt: Im Jahr 1914 kosteten 100 Gramm Chräbeli 40 Rappen, 20 Jahre später im Jahr 1934 waren sie 10 Rappen teurer und kosteten 50 Rappen. Heute kosten 100 Gramm rund vier Franken. Als Vergleich dazu: Im Jahr 1912 berechnete eine Kochkursleiterein die Kosten für zwei Mahlzeiten einer vierköpfigen Arbeiterfamilie. Für 80 Rappen schlägt sie vor: zu Mittag Hafermehlsuppe, ein Pfund Kutteln mit Bratkartoffeln, abends Suppe, Käse und Kartoffeln in der Schale. Im gleichen Jahr kostete ein Kilo Reis 50 Rappen, ein Pfund Kaffee 1.70 Franken.

... anderes

Das Idiotikon bezeichnet die eigenwillige Form des Chräbelis übrigens als ein Abbild des Hahnenkamms. Der Gebäckforscher Währen erklärt, der Begriff Chräbeli komme vom Indogermanischen „gru-mo“, was so viel heisst wie "kleiner Kram, kleines Zeug, krebel, Gräbel". Noch heute verwendet man in Interlaken, Wilderswil oder Grindelwald für das kleine Weihnachtsgebäck den Namen Chräbel, Kräbel. In anderen Orten des Kantons Aargau nannte man dasselbe Gebäck in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch Hirzehörnli oder Hirschhörnli.

Literatur

  • Krauss, Irene,   Chronik bildschöner Backwerke,   Hugo Matthaes Druckerei und Verlag GmbH & Co. KG,   Stuttgart,   1999.  
  • Wild, K. (langjährige Köchin und Kochkursleiterin),   Koch-Buch für einfache, bürgerliche und feine Küche,   Buchdruckerei J. Schills Erben,   Luzern,   1912.  
  • Richemont Fachblatt,   Fachschule Richemont Luzern,   ab 1945.  
  • Vogt, Ernst, Ludwig M. Raith, Bruno Heilinger und Jakob Viel,   Der Schweizer Bäcker-Konditor. Handbuch für das gesamte Bäckerei- und Konditoreigewerbe in 3 Bänden. Band 2,   Thun,   1944.  
  • Badener Neujahrsblätter 1985,   Literarische Gesellschaft Baden und Vereinigung für Heimatkunde des Bezirks Baden,   Baden,   1986.  
  • Badener Neujahrsblätter 1964,   Literarische Gesellschaft Baden und Vereinigung für Heimatkunde des Bezirks Baden (?),   Baden,   1964.  
  • Badener Neujahrsblätter 1992,   Literarische Gesellschaft Baden und Vereinigung für Heimatkunde des Bezirks Baden,   Baden,   1992.  
  • Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache,   Staub, Friedrich et al..  
  • Allerhand Confect, Lattwerig-Werk und eingemachte Sachen. Das Kochbuch der Dorothea Welti-Trippel, Zurzach 1751,   Hist. Vereinigung des Bezirks Zurzach,   Zurzach,   2002.  
  • Kaltenbach, Marianne,   Aus Schweizer Küchen. Originalrezepte der verschiedenen Regionen der Schweiz,   Gräfe und Unzer,   München,   2004.  
  • Fremdenblatt von Baden,   Kur- und Verkehrsverein Baden,   Baden,   20.8.1939.  
  • Badener Gästeblatt,   Baden,   11.10.1958.  
  • Der Sihltaler,   Zürichsee Presse AG,   Stäfa,   8.12.1989.  
  • Gesammelt von Uli Münzel,   Baden in Gedichten und Liedern aus 6 Jahrhunderten,   Baden,   1987.  
  • Johann Georg Krünitz u.a. <BR />,   http://www.kruenitz1.uni-trier.de/ (Oeconomische Encyklopädie),   URL,   Universität Trier,   1773 bis 1858.  
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