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Küttiger Rüebli

Chüttiger Rüebli, Gerstenrüebli

Küttiger Rüebli

In Kürze

Das Dorf Küttigen nahe bei Aarau, bietet eine ganz spezielle Karotte oder ein spezielles Rüebli, wie man im Dialekt sagt: das Küttiger Rüebli. Es ist eine alte und robuste Sorte und ist nicht etwa orange, so wie wir alle das Rüebli kennen sondern es ist weiss. Die konische Wurzel hat einen intensiv aromatischen Geschmack, der eher erdig ist und wenig Süsse hat.

Das stark carotinhaltige orangefarbene Rüebli, in Deutschland auch Möhre genannt, tauchte erstmals Ende des 17. Jahrhunderts in den Niederlanden auf. Sie ist dort aus gelben Möhren entwickelt worden und setzte sich durch züchterische Verbesserungen im 19. Jahrhundert durch.

Der Kanton Aargau wird scherzhaft Rüebliland genannt wird. Die Bezeichnung Rüebliland ist vermutlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden. Möglicherweise ist es eine Ableitung von "Rübenland", einer Bezeichnung für den einstigen Berner Aargau, das ein klassisches Rübenanbaugebiet ist – allerdings weniger von Karotten, sondern vielmehr Zuckerrüben.

Beschreibung

Weisse (elfenbeinfarbige), konische Wurzel mit intensiv aromatischem Geschmack. Er ist erdig und wenig süss.

Geschichte

Küttigen ist seit über 130 Jahren bekannt für sein Gemüse. Die Küttiger Frauen zogen schon im 19. Jahrhundert regelmässig mit ihrem Gemüse an den Aarauer Wochenmarkt. An der Aargauer Industrie- und Gewerbeausstellung im Jahre 1880 zeigte sich die Jury überwältigt von der Präsentation der Küttiger Produkte, im Ausstellungsbericht wird Küttigen ein spezieller Abschnitt gegeben. Karotten und Rüben werden auch erwähnt, doch werden sie nicht detailliert beschrieben.

 Ausschlaggebend in der Geschichte des Küttiger Rüeblis ist das Jahr 1978. Damals wurde den Küttiger Bäuerinnen bewusst, welch spezielles Rüebli sie besitzen und dass es in der Region kaum noch angebaut wird. Mit viel Fachwissen und etwas Glück gelang es ihnen die Sorte zu erhalten und den Wiederanbau des Küttiger Rüeblis zu fördern. Mit verschiedenen Werbeaktionen wurde zusätzlich der Absatz des Küttiger Rüeblis gefördert. So demonstrierte die Köchin vom EWA (Elektrizitätswerk Aarau) bei mehreren Schaukochen, wie das Rüebli eingesetzt werden konnte.

Produktion

Die Bäuerinnen erzeugen seit Ende der 1970er Jahre wieder das eigene Saatgut für die Küttiger Rüebli. Da sich die Samenträger auf dem Feld wieder mit wilden Möhren der Umgebung kreuzen können, wird immer stark selektioniert.

Die Saatgutherstellung geht folgendermassen: zuerst werden Erdlöcher gegraben, die mit Laub von Baumnussbaum gefüllt werden. Nusslaub wirkt gegen Mäuse. Die Samenrüebli (das noch grüne Laub wird bis auf drei bis fünf Millimeter weg geschnitten) werden über den Winter in das Erdloch gelegt, idealerweise von Ende Oktober/Anfang November bis März. Das Grün braucht es, damit das Rüebli im Frühling wieder ausschlagen kann. Als Samenrüebli kommen nur die schönsten Rüebli in Frage: Sie haben eine schöne Form, sind nicht zu gross und haben nur eine Wurzel. Im März werden die Samenrüebli im Garten gepflanzt und mit Stroh gegen die Kälte geschützt. Das Kraut wächst weiter und es bilden sich Blätter und Blüten. Wenn die weissen Dolden sich braun verfärben, meist im Juli, ist der Samen reif. Die Dolden werden abgeschnitten, zu Sträussen gebunden und zum Trocknen aufgehängt. Im Frühjahr wird der Samen geputzt in einem Papiersack versorgt.

Heutzutage wird das Rüebli nach den Eisheiligen (Mitte Mai) in Reihen ausgesät. Das war nicht immer so: Zuvor, als noch mit der Sense Getreide geerntet wurde, wurden die Rüeblisamen teilweise über den Schnee in die Wintergerste gesät. Die Gerste wuchs und wurde mit der Sense geerntet, die Rüebli wurden anschliessend gehackt, das heisst, die Pflanzen wurden ausgedünnt. Da waren sie etwa 15 Zentimeter hoch, nun erhielten die Rüebli Platz und Licht und wuchsen gut weiter. Während der Wuchszeit wurde mehrmals gehackt und gejätet. Ein anderer geläufiger Namen des Küttiger Rüebli ist denn auch Gerstenrüebli. 

Im Herbst vor dem Kälteeinbruch, meist im Oktober und November werden die Rübeli samt dem Kraut eingebracht. Heutzutage nehmen die Bäuerinnen die Spatengabel. Auf dem Platz beim Hof wird das grüne Kraut entfernt und die Rüebli werden in Harassen gelegt und sind für den Verkauf bereit.

Konsum

Die Küttiger Rüebli wurden lange Zeit hauptsächlich als Futterrüben für Pferde verwendet, so erinnerte sich in den 1980er Jahren eine ältere Küttigerin. Sie wurden mit Ross und Wagen bis ins Züribiet und in die Stadt, transportiert. „Ein älterer Mann“, so die Produzentin, „erzählte mir, dass es einige Familien im Dorf gab, die eher verschämt die Rüebli assen. Wer Tierfutter essen musste, war nicht allzu rosig gebettet.“ Wann dies aber genau war, kann nicht gesagt werden. 

Allzu eng darf man diese Aussagen nicht sehen, denn es ist bekannt, dass die Küttiger Rüebli als Wintergemüse, wie die Herbstrüben auch, sauer eingemacht wurden. Zum Rüeblischneiden trafen sich die Nachbarn und Nachbarinnen zur Rüebliabbauete in einem der Häuser. Dabei wurde ein „Räben-Hobel“ verwendet, mit dem man auch die Herbstrüben zum Sauereinmachen schnitt. Die Rüeblispäne wurden sauer eingemacht, im Keller aufbewahrt und bis im Frühjahr verwendet.

Zum Essen bereitet man die eingemachten Rüebli meist mit weisser Sauce und Blut- und Leberwürsten oder mit Apfelschnitzen. Offenbar schnitt man früher teilweise das holzige Mark heraus, da man glaubte es sei schädlich. „Das ist ein Ammenmärchen. Das Küttiger Rüebli kann vollständig konsumiert werden“, meint die befragte Produzentin.

Neben dem Sauereinmachen gab es auch die Möglichkeit, Rüebli zu dörren. Hierfür wurden sie zuerst geschwellt und dann in Stängelchen geschnitten auf dem Ofen gedörrt. „Das het anigs gschmöckt, wie hütt Pommes frites!“ erzählten die alten Küttiger. Küttiger Rüebli hat man auch verwendet um Kartoffelgerichte zu strecken. Das Gericht wird heute noch gekocht, doch nun ist das weisse Rüebli gerade die Spezialität: Die Rüebli werden in mundgerechte Stücke geschnitten und mit Knoblauch, Zwiebeln, Salz und Pfeffer gedämpft. Das Ganze wird mit Wasser abgelöscht, anschliessend wird "grüner Speck" hinzugegeben. Gibt man kleine Kartoffeln dazu, erhält man ein Eintopfgericht.

Heutzutage wird auch gerne ein feiner Rüeblisalat aus Küttiger Rüebli gemacht und mit einer Rösti serviert.

Wirtschaftliche Bedeutung

Zu kaufen ist das weisse Rüebli alljährlich am Rüeblimarkt (immer am ersten Mittwoch im November) am Graben in Aarau. Es empfiehlt sich für dieses Rüebli früh aufzustehen, denn oft ist es schnell ausverkauft. Um das Jahr 2000 verkauften die Bäuerinnen 800 bis 950 Kilogramm des Küttiger Rüeblis. Manchmal ist es auf einem regionalen Wochenmarkt, im Bioladen oder beim Grossverteiler zu entdecken. Seit einigen Jahren gehört das Küttiger Rübeli zum Sortiment von ProSpecieRara.

Literatur

  • Imhof, Paul (Hg.),   Culinarium: Essen und Trinken in der Schweiz,   Zürich,   2003.  
  • Bartha-Pichler, Brigitte, Zuber, Markus,   Haferwurzel und Feuerbohne. Alte Gemüsesorten - neu entdeckt,   Aarau,   2002.  
  • Buser, Marianna,   Wurzelgemüse. Warenkunde und Rezepte,   Augsburg,   1997.  
  • Us eusem Dorf. Buchausgabe zum Jubiläum 950 Jahre Küttigen,   Landfrauenverein,   Küttigen,   1986.  
  • Schibli, Max, Josef Geissmann und Ulrich Weber,   Aargau. Heimatkunde für jedermann,   Aarau, Stuttgart,   1978.  
  • http://www.azonline.ch/pages/index.cfm?dom=113&rub=100211482&arub=100211482&orub=100211474&osrub=100211482&Artikel_ID=101693670,   URL,   konsultiert 15..  
  • Bericht über die Aarg. Industrie- u. Gewerbe-Ausstellung in Aarau vom Jahr 1880: verbunden mit einer Ausstellung von lan,   Organisationskomitee Aargauische Industrie- und Gewerbeausstellung Aarau 1880,   Aarau,   1880.  
Früchte, Gemüse, Pflanzen Drücken

Produktionsepizentrum

Traditionell: Küttigen

Aargau und Westschweiz

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