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St. Galler Alpkäse

In Kürze

Der St. Galler Alpkäse ist ein vollfetter Halbhartkäse aus Rohmilch. Ein Laib wiegt zwischen 4 und 7 Kilo und der Käseteig weist eine spärliche Lochung auf. Im Handel ist der St. Galler Alpkäse sowohl in milder als auch in würziger Form erhältlich. 

Wie alle Schweizer Alpkäse unterliegt auch der St. Galler der Berg- und Alp-Verordnung. Demnach darf die Kennzeichnung „Alpkäse“ nur verwendet werden, wenn die Milch während der Alpsaison im Alpgebiet erzeugt und verarbeitet wurde. Die Rohmilch muss dabei von Kühen stammen, die auf einer Alpweide frei weiden können.

Das Produktionsgebiet umfasst die drei St. Galler Alpregionen: in erster Linie das Sarganserland, aber auch Werdenberg im Rheintal und das Toggenburg. Verbreitet ist der St. Galler Alpkäse vor allem in seinem Heimatkanton. In der übrigen Ostschweiz sowie im Raum Zürich ist er im Gross- und Detailhandel teilweise erhältlich.

Der St. Galler Alpkäse zählt zur Familie der halbharten Alpkäse, die bereits nach zwei bis drei Monaten in den Handel kommen. Zur gleichen Familie gehören die weiteren Ostschweizer Alpkäse und jene aus den Kantonen Uri oder Wallis. Alpkäse aus dem Berner Oberland oder aus Unterwalden sind dagegen Hartkäse, die länger reifen und etwas expressiver im Geschmack sind.

Beschreibung

Der St. Galler Alpkäse ist ein vollfetter Halbhartkäse aus Rohmilch. Ein Alpkäselaib ist zwischen 4 bis 7 Kilogramm schwer und weist einen Durchmesser von etwa 30 Zentimetern auf.

Zutaten

Rohmilch, Milchsäure-Bakterienkulturen, Lab; später Salz und Wasser für das Salzbad und die Pflege der Rinde

Geschichte

Im Gegensatz zu anderen Alpregionen sind die drei genannten St. Galler Alpgebiete in der Literatur kaum erwähnt. Fast scheint es, als hätten viele Autoren und Forscher die durchaus vorhandene Alpwirtschaft im Kanton St. Gallen übersehen. In Kurt Gutzwillers Werk „Die Milchverarbeitung in der Schweiz und der Handel mit Milcherzeugnissen“ aus dem Jahre 1923 ist jeder einzelne Käse herstellende Kanton historisch gut erfasst, während von St. Gallen jede Spur fehlt. Auch in weiteren Standardwerken fehlt von der St. Galler Alpkäserei jede Spur. „Vielleicht hängt das damit zusammen, dass auf den St. Galler Alpen bis ins 20. Jahrhundert hinein für die Selbstversorgung gekäst wurde, ähnlich wie das in Graubünden lange der Fall war“, meint der St. Galler Vertreter im Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verband. „In den meisten anderen Alpregionen wurde ja schon viel früher Käse exportiert, teilweise in grossem Umfang. Kommerziell gesehen war St. Gallen also vielleicht zu wenig interessant.“ 

Im umfangreichen Werk „Sankt-Galler Geschichte 2003“ finden sich dann doch ein paar Hinweise auf die St. Galler Alpwirtschaft und die Alpkäserei. In einem Dokument aus dem Jahre 1299 werden die auf eine Alp aufgetriebenen Rinder ausdrücklich als „melkîv rinder“ bezeichnet, als „Melkrinder“ also, und in den Informationen über die auf der Alp erwirtschafteten Produkte kommen Schmalz, Ziger und Käse vor. Auch in Verzeichnissen der bäuerlichen Abgaben an das Kloster St. Gallen aus dem 13. und 14. Jahrhundert tauchen Käse auf. Die erwähnten Käse sind nicht weiter beschrieben. Es dürfte sich jedoch um mageren Weichkäse aus gesäuerter Milch gehandelt haben. Fetthaltige Labkäse waren damals noch nicht verbreitet, die Technik der Labkäserei setzte sich erst im Verlaufe des 15. und 16. Jahrhunderts langsam in der Eidgenossenschaft durch. 

Während in anderen Alpregionen mit dem Aufkommen der Labkäserei ein regelrechter Käseboom ausbrach, betrieb man das Käsen auf den St. Galler Alpen zur Selbstversorgung. Woran das lag? Vermutlich vor allem daran, dass die Alpen nicht gross genug waren, um Käse in grossem Stil herzustellen. Eine kommerzielle Käseproduktion lohnte sich nur ab einer gewissen Milchmenge, die es erlaubte, grosse Laibe herzustellen. Noch im 19. Jahrhundert bestimmte nämlich nicht das Gewicht, sondern die Stückzahl der exportierten Käse die Höhe des Zolles. So kam der St. Galler Alpkäse erst im Verlaufe des 20. Jahrhunderts allmählich in den Verkauf. Gleichzeitig hat sich die Alpkäserei zunehmend modernisiert und auch vereinheitlicht – ein Prozess, der immer noch im Gange ist.

St. Galler Alpkäse steht auf der Kandidatenliste für einen GUB/AOP-Eintrag (Mai 2017).

Produktion

Der St. Galler Alpkäse zählt zu Familie der halbharten Alpkäse, die alle den gleichen Produktionsprozess durchlaufen. Dass innerhalb der Familie trotzdem geschmackliche Unterschiede existieren, ist auf verschiedene Gründe zurückzuführen. So verändert sich – wie bei jedem Käse – auch bei den halbharten Alpkäsen der Geschmack je nach Reifegrad. Kommt er nach zwei bis drei Monaten in den Handel, ist er angenehm mild. Lässt man ihn länger reifen, wird er würziger und nach einem halben Jahr allmählich rezent. Ausserdem weist die Rohmilch auf jeder Alp ihren eigenen, typischen Geschmack auf, je nachdem, welche Alpenkräuter die Kühe fressen. Hauptverantwortlich für den Geschmack sind schliesslich die Milchsäuren-Bakterienkulturen, mit denen die Rohmilch geimpft wird. Sie verleihen den St. Galler Alpkäsen durch die Vergärung des Milchzuckers und den späteren Eiweissabbau ihren typischen Geschmack. Die Bakterienkulturen werden von den St. Galler Älplern ausgehend von einer Stammkultur selbst nachgezüchtet, sind also einzigartig. Im Grunde genommen schmeckt also kein St. Galler Alpkäse wie der andere.

Für den St. Galler Alpkäse wird ein Gemisch aus über Nacht gelagerter und gekühlter Abendmilch und frischer Morgenmilch verarbeitet. Die Abendmilch ist dabei so abgerahmt, dass der gewünschte Vollfettgehalt erreicht wird. Das heisst, der Fettgehalt in der späteren Trockenmasse des Alpkäses sollte mindestens 45 Prozent betragen, wobei der St. Galler Alpkäse eher an die obere Grenze von 54 Prozent herankommt. 

Um aus der Alpmilch einen lagerfähigen, halbharten St. Galler Alpkäse zu fabrizieren, muss ihr ein grosser Teil der enthaltenen 87% Wasser entzogen werden. Den Grundstein dafür bildet das Labverfahren. Eine halbe Stunde nachdem der Käser bei 32 Grad das Lab, ein Enzym aus Kälbermagen, beigegeben hat, ist die Milch geronnen. Sie wird nun verschnitten, worauf es zum „Bruch“ kommt: Die geronnene Milch trennt sich in flüssige Sirte, auch Molke oder Schotte genannt, und feste Käsekörner, die vor allem Milchfett und -eiweiss enthalten. Damit den Körnern ausreichend Flüssigkeit entzogen werden kann, verschneidet sie der Käser beim St. Galler Alpkäse etwa kaffeebohnengross. Danach wird der Käsebruch unter permanentem Rühren auf – für Halbhartkäse eher tiefe –  42 Grad erhitzt, wodurch sich die Körner weiter zusammenziehen. „Würden wir einen Hartkäse herstellen, müssten wir die Körner noch kleiner verschneiden und auf über 50 Grad erhitzen, um ihnen noch mehr Flüssigkeit zu entziehen“, erklärt der Käser. Hartkäse können entsprechend länger gelagert werden, weil die Geschwindigkeit der Reifung und Bakterientätigkeit stark vom Wassergehalt der Käsemasse abhängt.  

Nun wird die Körnermasse in runde Käseformen (Järbe) verteilt. Mit einem Gewicht wird während 24 Stunden weiter Sirte aus der Käsemasse gepresst. Die jungen Laibe kommen nach dem Pressen für ein bis zwei Tage in ein Salzbad. Das Salz entzieht der Randpartie Wasser und setzt sich dort fest, es kommt zur Rindenbildung. Zudem wandert das Salz langsam in den Käseteig und wirkt so als Aromaträger.

Nun beginnt die Reifung in den Lagerkellern, wo die Käse in den ersten 1-2 Wochen täglich und später 2-3-mal wöchentlich von Hand gepflegt werden müssen. Mit Bürsten wird gesalzenes Wasser auf die Käselaibe geschmiert, wobei eine natürliche Schmiereflora, bestehend aus Bakterien, Hefen und Schimmelpilzen, entsteht. Diese Schmiereflora baut Milchsäure ab, fördert die Aroma und Geschmacksentwicklung, unterstützt die Rindenbildung, bildet die typisch rötlich-braunen Farbpigmente der Rinde und schützt den Käse vor Verschimmelung und anderen unerwünschten Mikroorganismen. 

Bis zum Alpabzug im Herbst lagern die Käse im Keller bei der Alp, dann im Tal im Keller der Bauernhäuser. Ein gutes Kellerklima mit einer hohen Luftfeuchtigkeit von über 85% ist notwendig, damit die Schmiereflora gut gedeiht und die Käse nicht austrocknen. Im kühlen Keller bauen die der Rohmilch zugegebenen Käsekulturen kontinuierlich das Eiweiss ab und bilden daraus Geschmacks- und Aromastoffe. Es darf in den Kellern nicht wärmer als 18 Grad sein, sonst könnten plötzlich Löcher und Fehlaromen entstehen.

Konsum

Konsumiert wird der St. Galler Alpkäse vorwiegend als Beilage zum Zmorge oder Znacht. Auch als Dessertkäse zu einem Glas Wein passt er hervorragend.

Wirtschaftliche Bedeutung

36 Alpbetriebe stellen im Kanton St. Gallen Alpkäse her. Der Grossteil, 24 an der Zahl, produziert im Sarganserland, während im Toggenburg nur sehr wenig Alpkäse hergestellt wird. Die Gesamtproduktion beträgt etwa 230 Tonnen (2008).

Aus dem Jahresbericht 2016 des Vereins Alpkäseproduzenten (umfasst Kantone St. Gallen, Appenzell Ausser- und Innerrhoden, Fürstentum Liechtenstein): „Im Sarganserland wurde mit 1954 Milchkühen 191,3 Tonnen Alpkäse von hervorragender Qualität fabriziert, im Werdenberg mit 515 Kühen 54,5 Tonnen von ebenfalls bester Qualität.“ Im Sarganserland sind 23 Betriebe beheimatet, die Hälfte des Gesamtbestandes von 46 Betrieben. Alle zusammen produzierten 2016 rund 380 Tonnen Alpkäse. (alpkaeseproduzenten.ch; Mai 2017)

Die Älpler verkaufen ihren Käse privat meist an eine Stammkundschaft oder an lokale Käsereien und Dorfläden. Ein Teil der Produktion geht in den Grosshandel und ist damit auch im Thurgau, in Schaffhausen oder im östlichen Teil des Kantons Zürich erhältlich.

Literatur

  • St. Galler Geschichte 2003,   Wissenschaftliche Kommission der St. Galler Kantonsgeschichte.,   St. Gallen,   2003.  
  • Gutzwiller, Karl,   Die Milchverarbeitung in der Schweiz und der Handel mit Milcherzeugnissen,   Buchdruckerei Kühn & Comp.,   Schaffhausen,   1923.  
Käse- und Milchprodukte Drücken

Produktionsepizentrum

Sarganserland, Werdenberge, Toggenburg.

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