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Tabakrolle

In Kürze

Die Tabakrolle ist ein so genanntes Fettgebäck, also ein Gebäck, das frittiert oder wie es im Bäckerjargon heisst "schwimmend im heissen Pflanzenfett gebacken wird". Vom Aussehen gleicht sie der Hüppe. Denn auch sie ist ein länglicher, gefüllter Hohlkörper. Allerdings wird der Hohlkörper aus einem weit reichhaltigeren Teig hergestellt als für Hüppen. Und auch die ursprüngliche Herstellungsart ist eine andere: Bei Hüppen wird der noch heisse und gebackene Teig gerollt, bei der Tabakrolle hingegen wird der ungebackene Teig um ein Hölzchen gelegt und zum Frittieren spiralförmig mit einer Schnur befestigt. Zudem wird die Tabakrolle nicht mit einer Gianduja-Schokoladenmasse, sondern mit Himbeerkonfitüre oder Schlagrahm gefüllt.

Hergestellt wird die einst weit verbreitete Tabakrolle heute nur noch selten und dies vorwiegend in der Region um Schaffhausen und in Zürich.

Ihren Namen hat das Fettgebäck laut dem sechsten Band des Schweizerischen Idiotikons (1906) den spiralförmigen Einschnitten der Schnur zu verdanken, die „einige Ähnlichkeit mit den Rollen erzeugen, in denen der Rauchtabak früher zum Verkauf kam.“

Beschreibung

Zylinderförmiges und hohles Fettgebäck aus einem geriebenen Haselnussteig. Nach dem Frittieren wird Konfitüre oder Schlagrahm in den Hohlraum der rund 12 cm langen Tabakrollen gestrichen.

Zutaten

Teig: Mehl, Butter, Staubzucker, Haselnuss, Ei, Salz, Zimt

Füllung: Himbeerkonfitüre

Geschichte

Die Geschichte der Tabakrollen reicht mindestens bis ins 18. Jahrhundert zurück. So hat der Publizist Albert Spycher für sein Werk „Leckerli aus Basel“ Basler Stubenverwalter-Rechnungen untersucht und ist bei Einträgen aus den Jahren 1747 bis 1760 auf Tabakrollen gestossen. Auch die älteste zitierte Quelle aus dem bereits erwähnten Idiotikonband stammt aus dieser Zeit.

Im 19. Jahrhundert scheint die Tabakrolle dann bereits allgegenwärtig gewesen zu sein, jedenfalls was die Erwähnung in zeitgenössischen Kochbüchern betrifft. Das Fettgebäck ist sowohl im „Kochbuch der Catharina Fehr“ (1824) und im „Neuen Berner Kochbuch“ (1835) als auch im „Schweizerköching“ (1873) sowie im „Lindauer Kochbuch“ (1904) aufgeführt. Sie scheint also damals regional weitaus verbreiteter gewesen zu sein als heute, wo sie vor allem in den Kantonen Schaffhausen und Zürich hergestellt wird. Worauf dieser Rückgang zurückzuführen ist, bleibt unklar. Eine Rolle dürfte sicherlich das aufwändige Herstellungsverfahren spielen.

Auffallend an den Rezepten aus dem 19. Jahrhundert sind zwei Dinge. Als Füllung wurde damals weder Schlagrahm noch Konfitüre angegeben, sondern eine Masse aus gemahlenen Mandeln, Zucker, Zitronenschale und Eiern. Diese „Fülle“ wurde nicht erst nach dem Frittieren in den Hohlraum gestrichen, sondern noch vor dem Umwickeln des Holzstückchens auf die Teigquadrate gelegt und anschliessend mitfrittiert. Ganz verschwunden ist diese alte Füllung aber nicht, gemahlene Mandeln oder auch Haselnüsse werden heutzutage oftmals unter den geriebenen Teig gemischt. Eine weitere Zutat, die im 19. Jahrhundert an der Tagesordnung zu sein schien, war Alkohol, insbesondere Wein. Der Wein dient dabei als Geschmacksträger und neutralisiert gleichzeitig den Fettgeschmack. Im Unteren Klettgau enthält der Tabakrollen-Teig bis heute Weisswein, während in Zürich darauf verzichtet wird.

Abschliessend folgen ein paar Worte zur charakteristischen Herstellungstechnik der Tabakrolle. Zeugnisse davon, dass Brotteig spiralförmig um eine hölzerne Stange gewickelt wurde, tauchen bereits in der Antike auf. Der grosse Vorteil dieser Technik liegt auf der Hand: Man braucht keinen Ofen, ein einfaches Feuer und ein Holzstecken reichen aus. Im 15. Jahrhundert taucht neben dem Brot- auch erstmals ein Kuchenteig in den Quellen auf. Von da an begannen sich verschiedene Gebäcksarten zu entwickeln, die auf dieser Technik basierten. Tabakrollen und Hüppen gehören zu den letzten Zeugen dieser Technik.

Produktion

"Es ist sehr wichtig, dass der Teig für die Tabakrollen zäh ist. Nur ein zäher Teig zieht sich beim Frittieren so zusammen, dass er keine Flüssigkeit aufnimmt. Das ist einer der Punkte, die wir beachten müssen", antwortet der Produzent auf die Frage, wie man eine perfekte Tabakrolle macht. Für den Teig werden zuerst Mehl und Butter vermischt. "So kann sich der Kleber im Mehl mit dem Butter verbinden", verrät der Produzent. Staubzucker und geriebene Haselnüsse werden zugefügt und gemischt. Damit sich Salz und Zimt gleichmässig verteilen, werden sie vorab in Ei aufgelöst und abschliessend dem Teig beigegeben.

"Nun beginnt der aufwändige Teil der Produktion", sagt der besuchte Bäcker und präzisiert: "Vor allem das Aufziehen des Teigs beansprucht viel Zeit." Der ausgerollte Teig wird in Quadrate geschnitten und um die eigens für die Tabakrollen von einem Schreiner gefertigten Hölzchen gerollt. Diese müssen gut gefettet sein – ein weiterer wichtiger Punkt für das Gelingen der Tabakrollen. Wären sie es nicht, würden sich die frittierten Rollen nicht vom Holz lösen und zerbrechen.

Dass der Teig in Quadrate geschnitten wird, ist gemäss Produzent ein Zugeständnis an die Effizienz - in historischen Rezepten wird ein schmaler Teigstreifen um das Hölzchen umwickelt. Bei den fertigen Rollen ergibt sich so eine optisch schöne Zeichnung. Diese Zeichnung erreicht der besuchte Bäcker dennoch, indem er die aufgezogenen Teigstücke über ein Gitter rollt.

Auch das Frittieren hat seine Tücken. Die Temperatur muss relativ tief, zwischen 160 und 180 Grad liegen. "So wird der Teig gut gebacken und man kriegt eine perfekt knusprige Tabakrolle", erklärt der Produzent und legt das Gitter mit den Rollen in das Erdnussfett. Sind die Tabakrollen fertig gebacken, schwimmen sie oben auf. Weshalb ist das so? Der Produzent: "Durch die Hitze verdampft die Flüssigkeit, vor allem die der Eier. Das Produkt wird leichter und steigt deshalb an die Oberfläche."

Die Tabakrollen müssen noch heiss weggenommen werden, sonst lösen sie sich nicht vom Hölzchen. Warm werden sie auch durch Zimtzucker gedreht.

Der besuchte Bäcker füllt sie anschliessend mit Himbeerkonfitüre; verbreitet ist auch eine Rahmfüllung.

Konsum

Eine Tabakrollen-Hochburg ist das Untere Klettgau im Kanton Schaffhausen, vor allem die Ortschaften Hallau, Wilchingen, Trasadingen und Gächlingen. Dort werden Tabakrollen an den so genannten Herbstsonntagen gebacken. Dabei handelt es sich um Winzerfeste, die in den Klettgauer Gemeinden alljährlich in der Zeit der Weinlese gefeiert werden.

In Zürich hingegen wird die Tabakrolle während der Fasnachtszeit gebacken, wie der besuchte Produzent ausführt. Dies habe für die Bäckerei allerdings weniger einen traditionellen Hintergrund als vielmehr einen praktischen Aspekt. Während dieser Zeit haben nämlich die klassischen – ebenfalls in Fett gebackenen - Fasnachtsgebäcke Saison. Wie in den Quellen zu lesen ist, soll die Tabakrolle früher auch zum kulinarischen Inventar des Sechseläutens gehört haben. "Eigens für dieses Fest die Frittiermaschine herauszunehmen, würde sich nicht lohnen.", erzählt der Produzent.

Die Verbindung mit Fasnacht ist jedoch sicherlich nicht falsch: die Tabakrolle wird in den Quellen als ein traditionelles und typisches Fasnachtsgebäck beschrieben. Gerne gegessen wurde sie aber auch zur Hochzeit, Taufe und Konfirmation.

Wirtschaftliche Bedeutung

Die aufwändige Produktion macht die Tabakrolle beinahe zu einem Luxusprodukt. "Ein Gewinn beschert uns die Tabakrolle nicht, dafür ist die Herstellung viel zu zeitintensiv. Wir müssten die Tabakrolle etwa für CHF 5.- verkaufen, damit es sich lohnen würde", erklärt der Produzent. Verkauft wird sie zu CHF 3.50.

Literatur

  • Meier, Eugen A.,   Das süsse Basel,   Buchverlag Basler Zeitung,   Basel,   1996.  
  • Riedl, Christine Charlotte,   Lindauer Kochbuch, für guten bürgerlichen und feineren Tisch eingerichtet (…),   Lindau,   1904.  
  • Spycher, Albert,   Leckerli aus Basel. Ein oberrheinisches Lebkuchenbuch,   Buchverlag Basler Zeitung,   Basel,   1991.  
  • Schweiz. Gemeinnütziger Frauenverein Chur,   Koch-Rezepte bündnerischer Frauen,   Verlag der Sektion Graubünden,   Chur,   1905.  
  • Morel, Andreas,   Basler Kost. So kochte Jacob Burckhardts Grossmutter,   Morel, Andreas,   Basel,   2000.  
  • Geschichte des Kantons Zürich. Band 2. Frühe Neuzeit, 16.-18. Jahrhundert.,   Niklaus Flüeler, Marianne Flüeler-Grauwiler,   Zürich,   1994-1996.  
  • Schweizer illustriertes Handbuch der Konditorei,   Schweizerischer Konditorenverband,   Zürich,   1932.  
  • Ebert, Jenny Lina,   Schweizerköchin,   o.O.,   1873.  
  • Richemont Fachblatt,   Fachschule Richemont Luzern,   ab 1945.  
  • Style, Sue,   Typisch Schweiz. Landschaften - Leute - Brauchtum - Rezepte,   Müller Rüschlikon Verlags AG,   Cham,   1992.  
  • Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache,   Staub, Friedrich et al..  
  • Rytz, Lina,   Neues Berner Kochbuch,   Bern,   1840.  
  • Widmer, Anna<BR />Fülscher, Elisabeth,   Kochbuch der Privat-Kochschule Widmer Zürich,   Buchdruckerei J. Rüegg Söhne,   Zürich,   1928.  
  • Bührer, Peter,   Schweizer Spezialitäten. Alte Original-Kochrezepte,   Editions M,   Zürich,   1991.  
  • Nietlispach, F.,   Das Meisterwerk der Küche,   Sanitas-Verlag,   Bern,   1929.  
  • Bosshard, Anna,   Bürgerliches Kochbuch,   Schulthess und Co.,   Zürich,   1907.  
  • Bosshard, Anna,   Grosses Schweizerisches Kochbuch,   Schulthess und Co,   Zürich,   1910.  
  • Büchi, L.,   Heinrichsbader Kochbuch,   Orell Füssli Verlag,   Zürich,   ?.  
  • Brönnimann-Kobel, Berta,   Das Kochbuch für alle. 435 erprobte, zuverlässige Rezepte,   Verbandsdruckerei AG Bern,   Bern,   1938.  
  • Iten, Karl,   Vom Essen und Trinken im alten Uri. Band 1, ein fröhlicher Streifzug durch die Urner Küche,   Buchdruckerei Gamma & Cie.,   Altdorf,   1970.  
  • Das Kochbuch der Catharina Fehr 1824,   Hux, Angelus, Müller, Walter,   Frauenfeld,   1998.  
  • Kaltenbach, Marianne,   Aus Schweizer Küchen. Überlieferte Rezepte aus den 26 Kantonen der Schweiz,   Hallwag AG,   Bern,   1996.  
Konditorei- und Backwaren Drücken

Produktionsepizentrum

Zürich, Schaffhausen

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