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Zofinger Kinderfestweggen

Wurstweggen, Chenderfäschtwegge, Worschtwegge

Zofinger Kinderfestweggen

In Kürze

Der Zofinger Kinderfestweggen ist de facto ein Wurstweggen: Ein Gebäck aus Blätterteig, das mit Fleischbrät gefüllt ist. Er ist von länglicher Form mit zwei offenen Enden, so dass man auch die Füllung sieht. Der Zofinger Kinderfestweggen gehört mit der Zofinger Kinderfesttorte zum kulinarischen Repertoire des alljährlich stattfindenen Stadtfestes.

Wurstweggen sind vor allem in der Deutschschweiz verbreitet. In der Westschweiz ist der Wurstweggen zwar bekannt, jedoch seltener als in der Deutschschweiz. Die Westschweiz kennt hingegen eine andere Kombination von Blätterteig und Brät: Es ist das pastetenförmige Gebäck mit rundem Boden namens „Rissole à la viande“. Ebenfalls wird ein Wienerli in Blätterteig verpackt, das „Vienne en cage“ – in der Deutschschweiz Wienerli im Schlafrock genannt. Im Tessin sucht man vergeblich nach einem Wurstweggen.

Der Wurstweggen gehört zur „Familie“ der Krapfen. Verschiedene Kochbücher aus dem Spätmittelalter zeigen, dass damals Krapfen als gefülltes Gebäck verstanden wurden. Die Füllung konnte dabei sowohl aus Fleisch oder Gemüse als auch aus süss gewürzten Äpfeln, Nüssen und Rosinen bestehen. Gebäcke zu füllen, hatte in der frühen Neuzeit auch funktionale Gründe. Man ass damals viele Speisen von Hand, wollte sich aber nicht dreckig machen, weshalb Küchenmeister und Hausfrauen ihre Speisen entsprechend in einen Teigmantel „einpackten“. Ob gebacken oder frittiert: Die Vielfalt zeigt sich bis heute. Die frittierte Variante ist möglicherweise die ältere und weiter verbreitete, da Backöfen bis ins 20. Jahrhundert hinein in Privathaushalten nicht selbstverständlich waren. Die in einem Fettstoff gebackenen Krapfen sind im deutschsprachigen Raum vielfach eng mit der Fasnachtszeit verbunden.

Beschreibung

Mit Brät gefülltes etwa 10 cm langes Blätterteiggebäck mit offenen Enden.

Variationen

Vegetarischer Weggen: Blätterteig mit pflanzlichem Fett gemacht, fein gehacktes Gemüse (Sellerie, Rüebli, Blumenkohl, Lauch, Spinat u.a.), Gewürze.

Zutaten

Blätterteig (Mehl, Butter, Wasser, Salz; Eigelb zum Bestreichen), Rind- und Kalbfleisch, Gewürze, Zwiebeln und Paniermehl.

Geschichte

Es ist schwierig abzuschätzen, seit wann der Wurstweggen am Zofinger Kinderfest gegessen wird. Gesichert ist, dass er seit den 1940er Jahren zum Zofinger Kinderfest dazugehört. Ein 1939 geborener Altmetzger erinnert sich, als Knabe Wurstweggen gegessen zu haben und eine Publikation aus dem Jahre 1942 erwähnt das traditionelle Kinderfestmittagessen, das zur Freude der Kinder aus einem Wurstweggen bestand.

Das Kinderfest selber ist einiges älter: Die früheste Erwähnung findet man im „Reglement für die sämtlichen öffentlichen Schulen der Stadt Zofingen“ aus dem Jahr 1809. Das erste Fest fand im darauf folgenden Jahr statt, als Belohnung für die besonders fleissigen Schulkinder. Erst fünfzehn Jahre später, also 1825, wurde das zweite Kinderfest durchgeführt. Der Hauptprogrammpunkt war eine zweistündige, öffentliche Exerzierübung von dem im gleichen Jahr gegründeten Zofinger Kadettenkorps. In dieser Form fand das Kinderfest ab dann jedes Jahr statt. Nach dem 1. Weltkrieg begann man in Zofingen, den Sinn des Kadettenkorps anzuzweifeln und seit dem Jahr 1969 beschränkte man die militärischen Aktivitäten der Kadetten auf die Kinderfestwoche. Heute besteht das Korps nur noch während der Kinderfestwoche.

Das Essen war seit der Einführung wichtiger Programmpunkt. Eine Beschreibung des Mittagessens um 1825 zeigt, was es damals für die Kinder gab: „Die Knaben erhielten Bratis (Braten) und Salat, zweyerley Sorten Küchli, Biren und Zwetschgen so wie auch Tarteren Wein und schönes SimmelBrodt. Die Mädchen Thee mit Milch, Küchli, Tatteren, Obst und Brodt wie die Knaben.“ Zum Zvieri gab es wieder Küchlein und zum Abendessen unter anderem auch eine Wurst.

Die älteste Erwähnung eines Wurstweggens findet man übrigens im Idiotikon, dem Schweizerdeutschen Wörterbuch. Dort ist eine Quelle aus dem Jahr 1863 erwähnt.

Produktion

Die zwei Hauptbestandteile des Wurstweggens sind der Blätterteig und das Fleischbrät. Der Blätterteig besteht aus Mehl, Wasser, Butter und Salz, er ist "viertourig", besteht also aus 256 Teigschichten!

Der Bäcker legt den Teig in die Ausrollmaschine und lässt ihn auf eine Dicke von zweieinviertel Millimeter ausrollen. Immer wieder bestäubt er den Teig mit Mehl, damit er in der Maschine nicht kleben bleibt oder reisst.

Nun schneiden der Bäcker und sein Mitarbeiter Teigbahnen, ein Metallrohr bestückt mit mehreren Metallscheiben sind das Werkzeug dazu. Die Fachleute nennen es Teigschneidewalze. Das Rohr wird geführt, die Scheiben schneiden. Einer der beiden Männer streicht eine Längsseite der Teigbahn mit Ei an. Inzwischen füllt der andere Bäcker den Dressiersack mit dem Brät und drückt eine Brätwurst von gut 3 Zentimeter Durchmesser auf die andere Seite des Teigs. Nun klappt der zweite Mann den Teig zu. Mit einem Holzstab werden die beiden Ränder leicht aufeinander gedrückt. Der „Panzer“, ein breites, metallenes Rillrädchen, drückt den Teig noch intensiver aufeinander. Zu gross darf der Druck allerdings nicht sein, sonst gibt es Einschnitte und das ist beim Wurstweggen nicht erwünscht. Die Wurstweggen werden nun geschnitten.

Vor dem Backen werden die Wurstweggen mit Ei bestrichen. Danach kommen sie in den Ofen. Wurstweggen werden mit Dampf bei etwa 200 Grad Celsius während 15 bis 20 Minuten gebacken. Der Dampf bewirkt, dass der Teig aufgeht und die Krustenbildung später einsetzt.

Wenn der Bäcker die Weggen nicht am gleichen Tag bäckt, legt er sie eng nebeneinander auf eine Plastikfolie und lagert sie im Tiefkühlraum.

Konsum

Der Kinderfestweggen wird von Bäckern und Metzgern produziert und verkauft. Während des Kinderfests isst beinahe das ganze Städtchen einen Wurstweggen. Der befragte Bäcker verkauft ihn an diesem Tag eigens an einem Stand vor der Bäckerei.

Der Wurstweggen ist aber auch in Zofingen das ganze Jahr hindurch erhältlich. Er wird warm und kalt gegessen, als Take-Away oder zu Hause am Esstisch. Der Wurstweggen kann auch tiefgefroren gekauft und dann im eigenen Ofen aufgebacken werden. Gerne wird er zusammen mit Salat serviert.

Wirtschaftliche Bedeutung

Der Wurstweggen ist ein bedeutendes Produkt für den befragten Bäcker. Am Zofinger Kinderfest isst ganz Zofingen Wurstweggen. Der befragte Bäcker produziert dann etwa 4000 Wurstweggen und 900 Gemüseweggen! An einem normalen Tag gehen 30 bis 50 Wurstweggen über den Ladentisch. Die verkaufstärksten Wurstweggen-Monate für die Zofinger Bäcker und Metzger sind Juni und Juli.

... anderes

„Iezu aber weidli hei zum Zmittag! „Wurschtwegge git’s, juhee“! Schlücke, schlinge a du abe vom Stuel. Me wott doch d Freischare gseh!“ Im Jahr 1960 machte ein Wurstweggen die Kinder noch sehr glücklich.  Auf der Homepage zofingen.ch zum Kinderfest 2016: „Nicht fehlen dürfen auch die traditionellen Wurstweggen als Mittagessen in fast allen Zofinger Familien.“

Literatur

  • Vogt, Ernst, Ludwig M. Raith, Bruno Heilinger und Jakob Viel,   Der Schweizer Bäcker-Konditor. Handbuch für das gesamte Bäckerei- und Konditoreigewerbe in 3 Bänden. Band 2,   Thun,   1944.  
  • Zofinger Neujahrsblatt 1958,   Zofingen,   1958.  
  • Zofinger Neujahrsblatt 1976,   Zofingen,   1976.  
  • Zofinger Neujahrsblatt 1986,   Zofingen,   1986.  
  • 400 Jahre Aarauer Maienzug,   Stadt Aarau,   Aarau,   1988.  
  • Lüthi, Christian, Manuela Ros, Annemarie Roth und Andreas Steigmeier,   Zofingen im 19. und 20. Jahrhundert. Eine Kleinstadt sucht ihre Rolle,   Baden,   1999.  
  • Thalmann, Rolf,   Das Jahr der Schweiz in Fest und Brauch,   Zürich, München,   1981.  
  • Kurt, Blum,   Das Zofinger Kinderfest gestern,   Zofingen,   1975.  
  • Schwarz, Rudolf,   Das Kadettenkorps Zofingen. In den ersten 100 Jahren seines Bestehens,   Zofingen,   1925.  
  • Zofinger Neujahrsblatt 1960,   Zofingen,   1960.  
  • Monatsbulletin Zofingen und Umgebung,   Zofingen,   1989.  
  • Blätterteig / Le feuilletage,   Zürich,   1950.  
  • Métraux, Hans,   Schweizer Jugendleben in fünf Jahrhunderten,   Zürich,   1942.  
Konditorei- und Backwaren Drücken

Produktionsepizentrum

Zofinger Kinderfestweggen in Zofingen; als Wurstweggen in der Deutschschweiz, teilweise Romandie

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