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Zwetschgenwasser, Pflümli / Eau-de-vie de pruneaux / Acquavite di prugne

Zwetschgenbrand, Zwetschgenschnaps, in Luzern auch Zipperliwasser genannt. Teilweise wird der Begriff „Pflümli“ als Synonym verwendet.

In Kürze

Als Zwetschgenwasser bezeichnet man einen aus Zwetschgen gebrannten Schnaps. Besonders die Hauszwetschge und die Bühlerzwetschge eignen sich hervorragend zur Obstbrandherstellung.

Der aus Zwetschgen gebrannte Schnaps wird manchmal auch „Pflümli“ genannt. Der schweizerdeutsche Begriff „Pflümli“ kann grundsätzlich alle Schnäpse bezeichnen, die aus der Obstart Pflaume gewonnen werden, von der die Zwetschge eine Unterart ist.  

Für Verwirrung sorgt der Umstand, dass auch eine bestimmte Unterart innerhalb der Obstart Pflaumen genannt werden. Der umgangssprachliche Begriff „Pflümli“ kann also für zwei Schnapsarten verwendet werden: Als Überbegriff für alle jene Schnäpse, die aus irgendeiner Pflaumenunterart gebrannt werden oder als konkrete Bezeichnung für einen Schnaps, der aus der Unterart gebrannt wird, die man als Pflaume bezeichnet. In der Praxis „entscheidet der Brenner, was ein Pflümli und was ein Zwetschgenwasser ist“, wie Stefan Keller vom Schweizer Schnapsforum verrät. „Grundsätzlich nennt er es Pflümli, wenn die destillierte Frucht eher rund und weich ist, wie bei der Haus- oder Löhrpflaume.

Neben dem Zwetschgenwasser wird auch zwischen anderen Pflaumenbrandarten unterschieden. Die bekanntesten Beispiele sind Mirabellenschnaps und „Damassine“, ein Obstbrand aus kleinen roten Pflaumen, Damassons rouges, die traditionell im Kanton Jura angebaut werden. Seit 2007 ist der Name „Damassine“ als geschützte Ursprungsbezeichnung AOC eingetragen. Und in Neuenburg zählen die Eaux-de-vie de prunes aus den zwei Pflaumensorten „Bérudge de Cornaux“ und „Prune de Chézard“ ebenfalls zu den Spezialitätenbränden.  Mit dem so genannten „Vieille Prune“ gibt es zudem eine Edel-Variante des Pflümli. Destilliert werden dafür nur ausgesuchte, voll ausgereifte Früchte. Das Destillat wird meistens im Holzfass gelagert, wodurch es an Farbe gewinnt, und nicht in Edelstahltanks wie Pflümli oder Zwetschgenwasser. 

Nach dem Kirsch ist das Zwetschgenwasser der wohl bekannteste Steinobstbrand der Schweiz. Beliebt ist es vor allem in der Deutschschweiz, wo besonders in der Nordwestschweiz sowie im gesamten Mittelland Zwetschgen angebaut und auch gebrannt werden. Man produziert und kennt das Zwetschgenwasser aber auch in der Romandie und im Tessin. Der hohe Zuckergehalt von reifen Zwetschgen macht die Frucht zu einer idealen Brennware.

Beschreibung

Obstbrand aus Zwetschgen, der nach dem Brennen und Herabsetzen auf Trinkbrandstärke rund 43 Volumenprozent Alkohol aufweist.

Zutaten

Zwetschgen. Hefe, Säurezugabe, demineralisiertes Wasser.

Geschichte

Im 112. Band der Oeconomischen Encyklopädie von J. G. Krünitz, der 1809 erschienen ist, taucht die „Zwetsche“ ein erstes Mal im Zusammenhang mit dem Schnapsbrennen auf: „(die) Früchte [des Pflaumenbaums] sind von ausgebreitetem Nutzen und Gebrauch (…), und der Überfluss dient unter andern auch zum Brennen des vortrefflichsten Branntweins. Es zeichnen sich (…) vornehmlich die gewöhnlichen Zwetschen und die gelben Mirabellen aus.“ Etwas später werden die „so genannten Zwetschen“ als „das vorzüglichste Material“ zum „Branntweinbrennen“ beschrieben. Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts war man sich also bewusst, welch hervorragenden Obstbrand aus Zwetschgen gewonnen werden kann.

Gebrannte Wasser sind auch in der „Geographisch-statistischen Darstellung des Kantons Bern“ von Johann Rudolf Wyss, die zwischen 1819 und 1822 entstanden ist, ein Thema. Neben „Kirschenwasser [werden] auch aus den Zwetschen, Pflaumen und den beim Vermosten der Äpfel übrigbleibenden Trebern gebrannte Wasser bereitet“, erfahren wir darin. Interessant an dieser Quelle ist, dass schon damals zwischen einem „Zwetschen-„ und einem „Pflaumenwasser“ unterschieden wurde.  

Ansonsten ist es sehr schwierig, historische Quellen über den Zwetschgenschnaps zu finden. Oftmals wird in der Literatur vor dem 19. Jahrhundert von „Branntwein“ oder „gebranntem Wasser“ gesprochen, womit zumeist ein Brand aus Trester gemeint ist. Wenn schliesslich doch einmal konkret von einem Obstbrand die Rede ist, handelt es sich praktisch ausschliesslich um den Kirsch oder den im 19. Jahrhundert sehr populären, weil billigen Kartoffelschnaps.

Produktion

Die Zwetschgen sollten zur vollen Zucker- und Aromabildung so lange wie möglich auf dem Baum bleiben, „sie können sogar schon leicht zu schrumpeln beginnen“, meint die besuchte Produzentin. Denn auch beim Zwetschgenwasser gilt: Je besser die Qualität der Früchte ist, desto besser wird auch der spätere Brand.

Das Ernten selbst übernehmen die regionalen Obstbauern, die die reifen Haus- oder Bühlerzwetschgen dann bei der Gewerbebrennerei abliefern. So schnell wie möglich nach der Lieferung folgen das Einmaischen der Zwetschgen und die anschliessende Gärung. Die Zwetschgen werden dazu über eine spezielle Vorrichtung zu einer Mischung aus Haut, Fruchtfleisch und Saft ausgequetscht, zu so genannten Maische. Die Steine werden je nach Produzent in der Maische gelassen. Im Familienbetrieb aus dem Baselbiet beispielsweise lässt man die Steine in der Maische, denn „solange die Steine beim Quetschvorgang nicht kaputt gehen, geben sie keine unerwünschten Bitterstoffe ab“. Hier ist man sogar der Meinung, dass die Steine für ein volleres Aroma der späteren Brände sorgen. 

Sobald die Zwetschgen eingemaischt sind, wird die Maische in gut verschliessbare Gärbehälter gepumpt und sowohl mit Hefe, als auch mit Schwefel-, Milch- oder Phosphorsäure angesetzt. Die Hefe ermöglicht eine kontrollierte Gärung, also eine Umwandlung des Zuckers in Alkohol, während die erwähnte Säurebeigabe das Wachstum unerwünschter Mikroorganismen während des Gärprozesses verhindert. Bei der Zwetschgenmaische ist die Vergärung nach zwei, drei Wochen abgeschlossen. Sie enthält dann wegen des hohen Zuckergehaltes der Früchte einen „sehr hohen Wert“ von bis zu acht Volumenprozent Alkohol.

Die Fachwelt ist sich nicht einig, ob die vergorene Zwetschgenmaische, die einen sehr hohen Wert von bis zu acht Prozent Alkoholvolumen enthält, direkt abgebrannt oder noch eine Weile in den Gärbehältern gelassen werden soll. Im besuchten Familienbetrieb wird die Maische mehrere Monate stehen gelassen, „wodurch sie an Aroma gewinnt“, wie ein Mitarbeiter ausführt

Mit dem Brennen folgt der zentrale Schritt auf dem Weg zum Zwetschgenwasser. Dabei macht man sich zu Nutze, dass Wasser bei 100 Grad, Alkohol dagegen schon bei etwa 80 Grad verdampft. Man pumpt die vergorene Maische also in die Brennblase des Destillierapparates und erreicht dann durch eine regulierte Erhitzung, dass der Alkoholdampf früher aufsteigt als der Wasserdampf. Dieser Dampf, der neben Alkohol auch die zentralen Zwetschgen-Aromastoffe enthält, wird über ein Rohr durch einen Kühler, oftmals ein Wasserbehälter, geleitet. Dort kühlt sich der Alkoholdampf ab und kondensiert, um schliesslich als flüssiges Zwetschgendestillat in einen dafür vorgesehenen Behälter zu tropfen.

Das sorgfältige und langsame Abbrennen des Alkohols ist äusserst wichtig. Das Zwetschgendestillat, das am Ende des Brennprozesses in die so genannte Vorlage tropft, lässt sich in drei Phasen einteilen. Und nur eine davon ist für das spätere Zwetschgenwasser brauchbar: „Zuerst kommt der Vorlauf, dann das Herzstück und schliesslich der Nachlauf. Der Vorlauf enthält scharfe, aber nicht der Zunge gelegene Bestandteile, zum Beispiel Essigester, er hat einen typischen Nagellackentfernergeschmack. Dann kommt das Herzstück, wo also alles gut und schön ist. Wir bewegen uns da zwischen Temperaturen von 78 und 82 Grad. Daraufhin sinkt der Alkoholgehalt ganz rapide ab bis zum Nachlauf, der so genannte Fuselöle enthält. Der Ausdruck „Fusel“ für schlechten Schnaps ist genau darauf zurückzuführen“, erläutert der Mitarbeiter die Wichtigkeit eines langsamen Brennens.  

Das so gewonnene Zwetschgendestillat enthält zwischen 70 und 75 Volumenprozent Alkohol. Trinkbar ist das Destillat (noch) nicht, dafür ist der Alkoholgehalt für einen Normalsterblichen viel zu hoch. Man setzt das Destillat deshalb mit demineralisiertem Wasser auf Trinkbrandstärke herab. Die Verwendung von demineralisiertem Wasser ist wichtig. „Bitte ja kein Regenwasser, Bachwasser und auch kein normales Leitungswasser verwenden“, führt der Mitarbeiter aus, „das Destillat verliert sonst an Geschmack und neigt zum Eintrüben.“ Die im Destillat enthaltenen Trübstoffe müssen aber auch nach dem Herabsetzen auf Trinkbrandstärke mit demineralisiertem Wasser herausfiltriert werden.

Gebrannt und auf Trinkbrandstärke herabgesetzt mag das Zwetschgenwasser nun sein, ins Glas und damit auch in den Verkauf kommt er allerdings noch lange nicht. „Rund zwei Jahren lagern wir unseren Zwetschgenschnaps in den Edelstahltanks, wodurch der Brand Zeit hat, sein volles Aroma zu entwickeln.“

Konsum

Zwetschgenwasser, das sehr aromatisch ist, wird in der Regel pur getrunken, zumeist als Digestif. Gerade weil das Zwetschgenaroma so gut zur Geltung kommt, eignet sich das Zwetschgenwasser aber weniger als Geschmacksbeigabe in der Bäckerei und Konditorei als der neutralere Kirsch. Zu einem Zwetschgensorbet passt Zwetschgenwasser selbstverständlich.

In Wintersportgebieten ist das Zwetschgenwasser sehr beliebt als Beigabe im Kaffee. Zwetschgenwasser und Zucker werden in ein Glas gegeben, mit Kaffee aufgegossen und mit einer Rahmhaube garniert. Das feurige Kaffeegetränk ist ein gutes Beispiel für die synonyme Begriffsverwendung von „Pflümli“ und „Zwetschgenwasser“.

Wirtschaftliche Bedeutung

Nach dem Kirsch ist das Zwetschgenwasser der meist hergestellte Steinobstbrand in der Schweiz. Häufig vor allem im Baselbiet, im Jura und im Mittelland.  

Wie der Kirsch gilt auch das Zwetschgenwasser als typischer Obstbrand, während Mirabellenschnaps und Damassine, die weit weniger häufig gebrannt werden, als Spezialitäten wahrgenommen werden.

... anderes

Das wohl bekannteste Zwetschgenwasser hat seinen Ursprung im ehemaligen Jugoslawien: Es ist der so genannte Slivovice, den wohl jeder Balkan-Reisende nicht nur einmal von den gastfreundlichen Einheimischen vorgesetzt bekommen hat.

Literatur

  • Krünitz, Johann Georg,   Oeconomische Encyklopädie. Oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirtschaft in alphabetischer Reihenfolge,   1773-1858.  
  • Historisches Lexikon der Schweiz (HLS),   Historisches Lexikon der Schweiz,   Bern,   15.8.2006.  
  • Hauser, Albert,   Das Neue kommt. Schweizer Alltag im 19. Jahrhundert,   Zürich,   1989.  
  • Wüstenfeld, Hermann und Georg Haeseler,   Trinkbranntweine und Liköre,   Blackwell Wissenschafts-Verlag,   Berlin,   1996.  
  • Jahrheft der Stadt Illnau-Effretikon 2007. Thema: Wasser,   Hotzehuus-Verein mit Unterstützung der Stadt Illnau-Effretikon,   Effretikon,   2007.  
  • Pischl, Josef,   Schnaps brennen heute,   Leopold Stocker Verlag,   Graz,   1988.  
  • Jäger, Peter,   Das Handbuch der Edelbranntweine, Schnäpse, Liköre. Vom Rohstoff bis ins Glas,   Leopold Stocker Verlag,   Graz,   2006.  
  • Andreae, Illa,   Alle Schnäpse dieser Welt. Das internationale Buch der flüssigen Genüsse,   Seewald Verlag,   Stuttgart,   1973.  
  • Wyss, Joh Rud,   Geographisch-statistische Darstellung des Cantons Bern (Gemälde der Schweiz),   Orell Füssli Verlag,   Zürich,   1819 - 1822.  
  • Bert L. Vallee,   Kleine Kulturgeschichte des Alkohols,   Spektrum der Wissenschaft,   8/1998.  
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Produktionsepizentrum

Nordwestschweiz und das Mittelland.

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