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Birnenhonig / Concentré de jus de poires

Birnendicksaft, Birähung, Birehung, Birnenkonzentrat

Birnenhonig / Concentré de jus de poires

In Kürze

Der Birnenhonig ist ein eingedickter Fruchtsaft von dunkelbrauner Farbe. Die verwendeten Früchte sind Birnen, manchmal auch Äpfel, zumeist von Hochstammbäumen.Der Birnenhonig wird heute vor allem in der Zentralschweiz hergestellt und konsumiert. Ein ähnliches Produkt, „Vin cuit“ oder „Raisinée“ genannt, wird in den Kantonen Waadt, Freiburg, Neuenburg und Jura produziert. Dieses wird jedoch nicht notwendigerweise aus Birnen hergestellt, sondern kann auch ein Konzentrat aus Äpfeln oder Trauben sein oder ein Gemisch. Unter „Birnel“ wiederum versteht man den industriell konzentrierten Birnensaft, er wird von der Firma Unipektin in Eschenz hergestell. Birnel entsteht in einem Schnellverfahren von nur 15 Minuten. Dabei wird der Birnenmost vor dem Konzentrieren entsäuert, um einen stabilen Säureanteil des Birnels zu gewährleisten. Birnel ist ein klarer und zähflüssiger Saft, der dank seines relativ neutralen Geschmacks als Zuckerersatz benutzt werden kann. Da er als besonders gesund gilt, ist Birnel seit 1952 auch ein Solidaritätsprodukt, das zu Gunsten der „Winterhilfe“ verkauft wird.

Auf Schweizerdeutsch wird das Produkt meist „Birehung“ oder „Birähung“ genannt. „Hung“ ist eine Mundartbezeichnung für Honig. Damit ist aber nicht nur der Bienenhonig gemeint. Auch eingedickte Fruchtsäfte werden als Honig bezeichnet.

Beschreibung

Eine opake, dickflüssige Masse, farblich zwischen braun und schwarzbraun.

Zutaten

Birnen wie Theilers-, Furrer-, Wasser- und Hofratsbirnen. Je nach Produzent oder Produzentin auch andere Mostbirnen. Manchmal auch Äpfel (z. B. Süssapfel).

Geschichte

Die älteste Nennung des Birnenhonigs ist in einer Krämerordnung aus Einsiedeln aus dem Jahr 1688 zu finden. Diese regelte die Herstellung und den Verkauf der Einsiedler Schafböcke: Es dürfe nicht gerufen oder gesungen werden und es sollen keine „jungen Meyttlin“ die Schafböcke verkaufen, ist in der Krämerordnung zu lesen. Diese schrieb zudem vor, dass für die Herstellung der Böcke nur Birnenhonig und in Ausnahmefällen Bienenhonig verwendet werden dürfe! Konzentrierten Fruchtsaft gab es auf dem Gebiet der heutigen Schweiz schon zur Römerzeit: Die Römer süssten mit konzentriertem Traubensaft ihre quasi ungeniessbaren sauren Weine. Der eingedickte Birnensaft war bis zum Aufkommen des Rübenzuckers Mitte des 19. Jahrhunderts in der ganzen Schweiz verbreitet. Man benutzte ihn vornehmlich, um Speisen zu süssen. In den Zürcher Ausrufbildern von David Herrliberger, die Mitte 18. Jahrhunderts datieren, ist ein Birnenhonigverkäufer dargestellt: Er trägt seine Ware in einer gedeckten Brente auf dem Rücken. Mit dem hölzernen Löffel schöpft er Birnenhonig in das Gefäss der Kundin.  Ein erstes Rezept findet man im „Neuen schweizerischen Kochbuch“ aus dem Jahr 1886: „Sind die Birnen gepresst, so lässt man sie einige Stunden stehen, damit der Satz fällt, und seihet den Satz durch ein Tuch in den Topf, worin man den Most kochen lässt. Ist der Most zu Hälfte eingekocht, so werden 40 Erdbeerenäpfel und 5 Quitten geschält, sauber ausgeschnitten und mit 4 gelben Rüben, nebst Anis und Gewürznelken, die letzteren in ein Tüchlein eingebunden, gekocht. Nach 6 Stunden sollte der Most dick sein; dann wird er durch ein Tuch geschüttet und in steinernen Krügen aufbewahrt.“ In einer Frauenfelder Rezeptsammlung aus dem Jahr 1824 ist ein ähnliches Rezept zu entdecken: Birnenmost wird bis zur Hälfte eingekocht, dann abgeschüttet, über Nacht stehen gelassen, wieder übers Feuer gesetzt, aber mit dem Zusatz von Quitten, das Ganze soll gekocht werden bis es „recht dick“ ist.

Auf dem besuchten Bauernhof in Giswil wird seit mindestens drei Generationen Birnenhonig produziert. Der Altbauer erzählt: "Während des 2. Weltkriegs waren Zucker und Konfitüre rationiert, so wichen die Leute auf andere Süssmittel wie zum Beispiel dem Birnenhonig aus. Die Nachfrage war so gross, dass wir während der Nacht durcharbeiteten."

Produktion

In der Zentralschweiz ist die klassische Birne zum Einkochen die Theilersbirne, auch Theiligsbirne, Streuler oder Weissbründler genannt. Vor 1901 war sie in Luzern so verbreitet, dass man sie auch „Luzerner Birne“ nannte und in Zug hiess sie „Zuger Mostbirne“. In der Romandie wird neben der Theilersbirne für den vin cuit häufig die Büschelibirne oder die Kannenbirne verwendet. Es ist wichtig, die richtige Sorte zu nehmen; je aromatischer die Birne, desto geschmacksvoller der Honig. Der richtige Zeitpunkt für die Herstellung des Birnenhonigs ist jeweils dann, wenn die ersten Früchte kernteig werden. Das heisst, dass sie sich von innen her allmählich braun verfärben, weich werden und vom Baum fallen. Die Früchte sind zu diesem Zeitpunkt sehr saftig und süss, mit ausgeprägtem Aroma. Einige Produzenten mischen dem Birnenhonig einen Anteil Süssäpfel bei, das Produkt wird dann etwas milder im Geschmack.

Am Vortag der Honigherstellung wird der Birnensaft gepresst und in einen Kupferkessel geleert; ein Sieb hält die groben Partikel zurück. Über Nacht lässt man den Kessel im Keller stehen. Am nächsten Morgen entfernt der Produzent den „Träsel“, die obenauf schwimmenden Fasern.  Am Produktionstag muss zuerst in der Feuergrube angefeuert werden. Dies geschieht zwischen vier und fünf Uhr morgens. Im Kupferkessel werden rund 110 Liter Birnenmost erhitzt. Die Ausbeute am Ende des Tages wird zwischen 15 und 17 Kilogramm Birnenhonig betragen. Der Kupferkessel hängt an einem Schwenkarm über der Feuergrube. Bevor der Most kocht, muss der sich bildende Schaum mit der Schöpfkelle entfernt werden. Bis etwa 11 Uhr brennt ein starkes Feuer unter dem Kupferkessel. Danach muss man die Temperatur ein wenig drosseln; das Feuer soll nun nur noch den Kesselboden erhitzen, da sonst die Gefahr besteht, dass der eingedickte Most anbrennt.

Nach etwa siebenstündiger Kochzeit beginnt die Überprüfung der Konsistenz: Die Produzentin legt ein Kühlelement auf den Tisch, nimmt etwas von der eingedickten Masse und gibt sie auf den Teller, den sie auf das Kühlelement stellt. Sie rührt mit einem Löffel in der Masse. Fällt sie zusammen, sobald sie den Löffel durchgezogen hat oder ist die Bahn noch zu sehen? Letzteres zeigt, dass die Masse langsam dick wird. Das Abkühlen der Masse dauert etwa vier Minuten, ist die Bäuerin mit der Konsistenz fast zufrieden, muss der Kupferkessel sehr gut im Auge behalten werden. Der Schaum wird dichter und die leicht aufsteigende Masse drängt ihn an den Kesselrand. Nun zieht die Bäuerin immer wieder mit einem Haken den Kessel vom Feuer weg; hat sich die Masse wieder beruhigt, schiebt sie den Kessel wieder übers Feuer, zwischendurch kontrolliert sie die Konsistenz. Endlich ist die perfekte Konsistenz erreicht; und der Birnenhonig kann in die bereitgestellten Steinguttöpfe umgefüllt werden. Bis zum nächsten Morgen ist der Birnenhonig abgekühlt.

Konsum

Birnenhonig wurde in der Innerschweiz sehr gerne zu Gschwellti (gekochten Kartoffeln) gegessen. Eine regionale Kombination ist aber auch Birnenhonig mit Ziger.

Die von vielen Kindern geliebte Honigmilch kann anstatt mit Bienenhonig auch mit Birnenhonig hergestellt werden. Als der Bohnenkaffee während des 2. Weltkrieges rationiert war, trank man anstelle des gewohnten Milchkaffees häufig Birnenhonigmilch.

Man kann Birnenhonig, mit Schlagrahm untergezogen, als eigenständiges Dessert geniessen. Heute wird er wohl am häufigsten als Brotaufstrich verwendet und zum Süssen der traditionellen Luzerner Lebkuchen. Aber auch Gebäck, Müesli, Kompott, Konfitüren und Milchdrinks können mit Birnenhonig versüsst werden. Neuere Rezepte sind etwa Birnenhonigglace und -sorbet. 

Ein grosser Vorteil des Birnenhonigs ist seine lange Haltbarkeit. Die Produzentin berichtet von einer Frau, die eines Tages den Birnenhonig der Mutter aufmachte. Letztere hatte ihn vor 20 Jahre produziert, er war noch geniessbar!

Und auch in der Volksmedizin scheint er eine Bedeutung zu haben: Die Mutter der Produzentin erzählt, dass Birnenhonig „Blut pflanze“. Offenbar gab man den Birnenhonig vor allem Wöchnerinnen oder kränklichen Kindern als Stärkungsmittel.  

Gekauft wird der Birnenhonig von Alt und Jung, von Einheimischen und seit einigen Jahren auch vermehrt von den Touristen.

Wirtschaftliche Bedeutung

Für die Produzentin bedeutet die Herstellung von Birnenhonig ein willkommener Nebenerwerb auf ihrem Bauernhof. In guten Jahren kann die Bäuerin mit den Früchten vom eigenen Hof etwa 200 Kilogramm Birnenhonig herstellen. Er wird in Gläsern à 250, 500 oder 1000 Gramm verkauft. Im Winterhalbjahr steigt der Verbrauch von Birnenhonig, weil vermehrt Lebkuchen gebacken wird.

... anderes

Es ist eine interessante Erfahrung, Birnenhonig von unterschiedlichen Birnensorten zu kosten. So ist zum Beispiel der Honig aus Wasserbirnen säuerlichsüss und hat einen leicht zusammenziehenden Geschmack. Er eignet sich vorzüglich für den Obwaldner Lebkuchen. Der Honig der Hofratsbirne ist verglichen mit dem der Mostbirne geschmacklich etwas weicher. Der Honig aus Furrer- und Theilersbirnen verursacht eine kleine Explosion im Mund, denn er ist sehr süss. Ein Honig nur aus Theilersbirne beinhaltet Säure, Süsse, etwas Carameliges und eine aromatische Fruchtigkeit.

Literatur

  • Ringholz, Odilo P.,   Geschichtliches über die Einsiedler Schafböcke,   Einsiedeln,   1916.  
  • Schweiz. Gemeinnütziger Frauenverein Chur,   Koch-Rezepte bündnerischer Frauen,   Verlag der Sektion Graubünden,   Chur,   1905.  
  • Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache,   Staub, Friedrich et al..  
  • Kaltenbach, Marianne,   Aus Schweizer Küchen. Originalrezepte der verschiedenen Regionen der Schweiz,   Gräfe und Unzer,   München,   2004.  
  • Sorbello Staub, Alessandra,   Die Basler Rezeptsammlung. Studien zu spätmittelalterlichen deutschen Kochbüchern,   Königshausen&Neumann GmbH,   Würzburg,   2002.  
  • Gessler, A.H.,   Anneli's 440 erprobte Rezepte für die gute bürgerliche Schweizerküche,   Zürich,   o.J: (ca. 1905).  
  • Herrliberger, David,   Zürcherische Ausrufbilder,   Ulrich, Conrad,   Zürich,   1968.  
  • Kessler, Hans,   Birnensorten der Schweiz,   Schweizerischer Obstverband,   Bern,   1948.  
  • bioterra,   Bioterra (Die Schweizer Bio-Organisation für Garten, Konsum und Landwirtschaft),   Zürich,   Sept./Okt. 5/20.  
  • http://www.tagesspiegel.de/kultur/;art772,1964255,   URL,   6.12.2006.  
  • http://apfelsaft.ch/downloads/PM_2004_Birnel_d.pdf,   URL,   2.11.2004.  
  • http://www.winterhilfe.ch/de/deutsch/birnel.html,   URL.  
  • Das Kochbuch der Catharina Fehr 1824,   Hux, Angelus, Müller, Walter,   Frauenfeld,   1998.  
Früchte, Gemüse, Pflanzen Drücken

Produktionsepizentrum

Zentralschweiz, vor allem Obwalden und Luzern

 

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