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Brienzer Krapfen

Brienzer Chrapfe, Brienser Chrapfe

Brienzer Krapfen

In Kürze

Der quadratische Brienzer Krapfen, im Oberländer Dialekt Brienser Chrapfe genannt, ist ein typisches Wintergebäck. Es wird von Ende September bis März hergestellt. Seine Blütezeit erlebt der Brienzer Krapfen alljährlich am Mittwoch und Donnerstag der zweiten Novemberwoche, wenn in der Seegemeinde der Brienzer Markt stattfindet. Der Genuss des quadratischen Gebäcks ist dann für Bewohner wie Besucher Pflicht.

Der in einem Fettstoff gebackene Krapfen mit seiner Birnenmusfüllung wird saisonal vor allem in Brienzer Bäckereien angeboten, man bekommt ihn aber auch in anderen Gemeinden rund um den Brienzer See. Das relativ grosse (11 x 11 cm) und 150 Gramm schwere Gebäck ist sehr nahrhaft.

Das Wort Krapfen ist auf die althochdeutschen Begriffe „crapho“, „kraphun“ und „kräpfen“ zurückzuführen, die schon im 9. Jahrhundert bekannt waren. Es bedeutete in erster Linie Kralle oder Haken und nahm wohl Bezug auf die gebogene Form, die Krapfengebäcke teilweise bis heute aufweisen.

Verschiedene Kochbücher aus dem Spätmittelalter zeigen, dass Krapfen damals als gefülltes Gebäck verstanden wurden. Die Füllung konnte dabei sowohl aus Fleisch und Gemüse, wie auch aus süss gewürzten Äpfeln, Nüssen und Rosinen bestehen. Gebäcke zu füllen hatte in der frühen Neuzeit auch funktionale Gründe. Man ass damals viele Speisen von Hand, wollte aber gleichzeitig sauber sein, weshalb Küchenmeister und Hausfrauen ihre Speisen entsprechend in einen Teigmantel „einpackten“.

Eine einheitliche Form oder Grösse scheint es nie gegeben zu haben. Diese Vielfalt zeigt sich bis heute. Krapfen kann man sowohl in einem Fettstoff wie auch mit Ofenhitze backen. Die erste Variante ist möglicherweise die ältere und weiter verbreitete, da Backöfen bis ins 20. Jahrhundert hinein in Privathaushalten nicht selbstverständlich waren. Die in einem Fettstoff gebackenen Krapfen sind im deutschsprachigen Raum vielfach eng mit der Fasnachtszeit verbunden. In der Schweiz umfasst das Krapfen-Gebiet vor allem die Innerschweiz.

Beschreibung

Quadratisches, nahrhaftes Wintergebäck (ca. 11 cm) mit gezackten Aussenrändern und einem Gewicht von ca. 150 g. Die Füllung des in einer Friteuse gebackenen Krapfens besteht aus gedörrten Birnen und gehackten Baumnusskernen.

Zutaten

Teig: Weizenmehl, Pflanzenfett, Schweinefett, Eier, Kochsalz, Wasser

Füllung: Gedörrte Birnen (gekocht, passiert), Baumnusskerne (gehackt), Zucker, Wasser.

Geschichte

Die erste schriftliche Erwähnung des Brienzer Krapfens stammt aus dem Jahre 1934. Damals wurde im Rahmen einer nationalen volkskundlichen Umfrage unter anderem versucht, regionale Gebäckspezialitäten zu erfassen. Als typisches Gebäck der Region Brienz wurden „Brienzerkrapfen“ angegeben.

Auch Peter Wyss, ein evangelischer Pfarrer, der im Jahre 1919 in Brienz zur Welt kam, erinnert sich, dass die einheimischen Bäckereien die Krapfen in den 1930er-Jahren schon im Angebot hatten. Er berichtet überdies, dass man das Gebäck zuvor vor allem in der Altjahrswoche (Woche zwischen Weihnachten und Neujahr) in Privathaushalten buk. Dabei produzierten in den so genannten Krapfennächten zwei oder drei Familien gemeinsam das Festgebäck, wobei das Knacken und Zerkleinern der Baumnüsse Männersache war, während die Frauen den Rest besorgten, wie Peter Wyss ausführt. Am Ende erhielt schliesslich jede Familie einen Weidenkorb voll Krapfen.

Wie es scheint, hat die allmähliche Verlegung der Krapfenproduktion von der Haus- in die Berufsbäckerei zu Beginn des 20. Jahrhunderts für eine saisonale Verschiebung gesorgt. Nicht mehr die Altjahrswoche sondern der Brienzer Markt stand für die Krapfenproduktion im Vordergrund.

Der Brienzer Krapfen wurde und wird nicht nur an Festanlässen hergestellt und konsumiert, sondern den ganzen Winter über. Wegen seiner Nahrhaftigkeit und langen Haltbarkeit war der Brienzer Krapfen gerade bei körperlichen Arbeiten im Wald oder auf der Alp eine beliebte Verpflegung. Diese Qualitäten schätzt man auch heute noch rund um den Brienzersee und nimmt das Gebäck gerne auf Wanderungen oder an Sportanlässe mit.

Die Füllung, bestehend aus gekochten und passierten Dörrbirnen, gehackten Baumnusskernen und Zucker, scheint übrigens nicht dem Zufall oder einer bestimmten kulinarischen Vorliebe der einheimischen Bevölkerung zu entspringen. So berichtet Peter Wyss, wie „die Kirchgemeinde Brienz früher für ihren Reichtum an Birn- und Nussbäume bekannt war“. Und Simon Egger stellt in seinem im Jahre 2002 erschienenen Bericht „Obstsortenvielfalt – wertvolles Kapital erhalten“ fest: „... man sagt zum Beispiel, die lokale Berner Sorte „Sonnenbirne“ eigne sich am besten für die Zubereitung herrlicher Brienzer Krapfen.“

Produktion

Wie alle Krapfen besteht auch jener aus dem Berner Oberland aus einem Teig, der eine Füllung umwickelt. Für den geriebenen Teig wird ein Teil Schweine- oder Pflanzenfett vorerst mit vier Teilen Mehl vermengt, erst dann werden Eier, Wasser und Kochsalz hinzugefügt und in der Knetmaschine vermischt. Dort wird der Teig so lange bearbeitet, bis er schön fest und zäh ist. Ausgerollt wird er von einer Maschine, die den Teigteppich präzise und schnell in die gewünschte Form und Dicke bringt. Von da an übernehmen die Hände des Bäckers den Grossteil der Arbeit.

Auf den Teigteppich wird nun mit einem Plastikschaber die Füllung gestrichen. Eine streichfähige Masse aus Birnenmus, gehackten Baumnusskernen, Zucker etwas Wasser und einer geheimen Gewürzmischung, in der Zucker, Zimt und Nelkenpulver nicht fehlen dürfen. „In jener Zeit, als das Krapfenbacken in der Altjahrswoche am heimischen Herd stattfand, kochte und passierte man Dörrbirnen aus dem eigenen Obstgarten, und die Baumnüsse mussten in mühseliger Handarbeit geknackt und zerkleinert werden“, weiss der besuchte Brienzer Bäcker. „Die gedörrten Birnen kochen und passieren wir noch immer selbst, aber die Nüsse lassen wir uns schon geknackt liefern. Und sind sehr froh darüber."

Ein zweiter Teigteppich wird schliesslich auf den bereits bestrichenen gelegt. Daraufhin zeichnet der Bäcker mit einer speziellen Holzvorrichtung, dem so genannten Krapfenbrett, quadratische Konturen auf die Teigfläche. Mit einem stumpf gezackten „Krapfenrädli“, ebenfalls aus Holz, werden die vorgezeichneten Quadrate dann ausgeschnitten. Die Aussenränder werden beim Schneiden schön zusammengedrückt und erhalten so eine Zackenform.

„Noch bevor man die Krapfen für zwei Stunden ruhen lässt, damit sich der Teig vom Kneten und Ausrollen erholen kann, stupft man sie, oben wie unten. Beim Frittieren kann so der heisse Dampf im Innern entweichen“, erklärt der Produzent und nimmt dafür erneut das Krapfenrädli zur Hand.

Rund sieben Minuten werden die Krapfen abschliessend in 180 Grad heissem Erdnussöl frittiert. Dazu werden sie vorab in ein verschliessbares Sieb gelegt, in dem zwölf der quadratischen Teigtaschen Platz haben. Nach etwa vier Minuten wird das Sieb gewendet, und sobald sie schön hellbraun gebacken sind, fischt man sie heraus und lässt sie kurz abtropfen und auskühlen.

Konsum

War der rund 150 Gramm schwere Brienzer Chrapfe früher „ein eigentliches Nahrungsmittel“, wie Peter Wyss ausführt, wird er heutzutage vorwiegend als Süssspeise zum Zvieri, Znüni oder Dessert konsumiert, oftmals in Kombination mit Schlagrahm.

Der quadratische Krapfen ist bis zu einem Monat haltbar. Er ist sehr nahrhaft und deshalb bis heute eine beliebte Verpflegung für unterwegs – sei es beim Wandern, bei der Arbeit oder beim Sport.

Wirtschaftliche Bedeutung

Produziert wird der Brienzer Krapfen traditionell in der kälteren Jahreshälfte von Ende September bis Anfang März. Der besuchte Produzent schätzt, dass er jährlich „um die 6500 Stück“ herstellt. Als Produktionshöhepunkt gilt der Brienzer Markt, an dem gemeinsam mit den anderen lokalen Produzenten rund 4000 Krapfen abgesetzt werden.

Als regional verankertes Produkt zählt der rund vier Franken teure Krapfen zu den Aushängeschildern der Bäckerei (2008). Es wird aber nicht nur am Markt, sondern die ganze Saison hindurch von Einheimischen wie von Touristen rege konsumiert. In einem Internetshop wird der Brienzer Krapfen für 7 Franken pro Stück angeboten (chaesfritz.ch; Mai 2017).

Literatur

  • Krauss, Irene,   Chronik bildschöner Backwerke,   Hugo Matthaes Druckerei und Verlag GmbH & Co. KG,   Stuttgart,   1999.  
  • Währen, Max,   Gesammelte Aufsätze zur Brot- und Gebäckkunde und -geschichte. 1940-1999,   Deutsches Brotmuseum Ulm (Dr. Hermann Eiselen),   Ulm,   2000.  
  • Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache,   Staub, Friedrich et al..  
  • Hauser, Albert,   Das Neue kommt. Schweizer Alltag im 19. Jahrhundert,   Zürich,   1989.  
  • Loosli, Ernst O.,   Dür ds Oberland uuf! Eine Sammlung alter Kochrezepte aus dem Berner Oberland,   Verkehrsverband Berner Oberland,   Interlaken,   1990.  
  • Bäckerei Walz,   Dossier Brienzer Chrapfe / Dänzeschiibli,   Bäckerei Walz,   Brienz.  
Konditorei- und Backwaren Drücken

Produktionsepizentrum

Brienz im Berner Oberland und die nähere Umgebung.

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