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Essigzwetschgen / Pruneaux au vinaigre

In Kürze

Bei Essigzwetschgen handelt es sich um feste, ganze Zwetschgen, die in einen Sud aus Rotweinessig, Rotwein, Zucker und Gewürze eingelegt sind und dadurch haltbar gemacht werden. Essigzwetschgen sind ein traditionelles Produkt der bäuerlichen Küche.

Heutzutage sind Essigzwetschgen eine Seltenheit geworden, die auf ausgesuchten Bauernhöfen hergestellt und auch dort verkauft werden. Teilweise findet man sie auf Bauernmärkten oder in Geschenkkörben.

Das bekannteste in Essig eingelegte Produkt der Schweiz ist sicherlich die Essiggurke. Hinzu kommen Silberzwiebeln und weitere Gemüsesorten wie Karotten oder Kohl, die in Essig eingelegt werden. Weit näher bei den Essigzwetschgen sind jedoch die im Emmental bekannten Essigbirnen. Die Birnen werden geschält, dann in einem Sud aus Essig, Wasser, Zucker und Senf aufgekocht und anschliessend mit diesem Sud in Einmachgläser aufbewahrt. Wie Essigzwetschgen passen auch Essigbirnen hervorragend zu Fleischgerichten.

Beschreibung

Zwetschgen, die in einen Sud aus Rotweinessig, Rotwein, Zucker und Gewürze eingelegt sind.

Zutaten

Zwetschgen, Rotweinessig, Rotwein, Zucker und Gewürze wie Lorbeer, Nägeli und Zimtstängel.

Geschichte

Ein frühes schriftliches Zeugnis von Essigzwetschgen ist im „Neuen Berner Kochbuch“ zu finden, das von Lina Rytz im Jahre 1835 verfasst wurde. Sie werden dort als „Zwetschgen en aigre-doux“, also als „Zwetschgen süss-sauer“ vorgestellt.

Die Geschichte der Essigzwetschgen dürfte weit älter sein. Wohl mit den Römern sind auch nördlich der Alpen in Essig eingelegte Früchte zu einem wichtigen, systematisch verwendeten Winternahrungsmittel geworden. Sie etablierten vor rund zwei Jahrtausenden den Obstbau in der Schweiz als landwirtschaftliche Sonderkultur und brachten das Wissen über Sorten, Bodenpflege und Veredelung von Obstbäumen über die Alpen. Hinzu kam das Wissen über Konservierungsverfahren, darunter „das Einlegen in Öl, Salzlake oder Essig“, wie Michel Polfer in seinem Aufsatz „Kochen und essen wie die alten Römer“ beschreibt.

Solche Konservierungsverfahren spielten bis weit ins 20. Jahrhundert eine ungeheuer wichtige Rolle. Die Konservendose wurde im 19. Jahrhundert erfunden, der Kühlschrank gehörte laut dem Aufsatz „Haushalt, Konsum und Alltagsleben in der Technikgeschichte“ von Barbara Orland seit den 1960er-Jahren zur Standardausstattung in Schweizer Haushalten, der Tiefkühler ein Jahrzehnt später. Vor diesen Erfindungen blieben den Bauern und Obstgärtnern zur Verarbeitung des reifen Obstes im Herbst jedoch zahlreiche andere Möglichkeiten: die Mosterei, die Obstbrennerei, das Dörren, das Einkochen mit Zucker, das Einlegen in Alkohol oder eben das Einlegen in Essig.

Ein Blick in die Rezeptbücher des 19. sowie zu Beginn des 20. Jahrhunderts offenbart, dass Zwetschgen beileibe nicht die einzigen Früchte waren, die in Essig eingelegt wurden. Im „Kochbuch der Koch- und Haushaltungsschule Winterthur“, das im Jahre 1933 in fünfter Auflage erschienen ist, tauchen neben Zwetschgen folgende „Essigfrüchte“ auf: Johannisbeeren, Preiselbeeren, Kirschen, Heidelbeeren, Trauben, Äpfel, Birnen und Melonen.

Im bäuerlichen Umfeld hat sich die Herstellung von Essigzwetschgen als „Veredelung der Überschussware“ einigermassen erhalten, wie eine Produzentin aus dem Emmental ausführt. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts ist es jedoch zu einem Rückgang in der Essigzwetschgen-Produktion gekommen, die seit jeher in Privathaushalten stattfand. Die Gründe dafür sind vielschichtig und wurden teils schon angesprochen. So haben sich unsere Ernährungsgewohnheiten verändert. Zu Hauptspeisen isst man heute in der Schweiz viel seltener Früchte zu Hauptgängen als im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Produktion

„Für gute Essigzwetschgen ist die Qualität der verwendeten Zwetschgen zentral“, erklärt die befragte Produzentin. „Die Zwetschgen sollten beispielsweise noch nicht ganz ausgereift sein, weil sonst die Gefahr besteht, dass sie zu matschig werden.“ Ausserdem empfehlen sich kleine Zwetschgen, da sie platzsparender in die Einmachgläser gelegt werden können als grosse.

Mit einem Korken, in dem drei Stecknadeln stecken, sticht die Produzentin an verschiedenen Stellen in die Haut der Zwetschgen, damit diese nicht mehr so stark spannt. Über die eingestochenen Zwetschgen wird dann der Sud geleert, bis sie gut damit zugedeckt sind. Der Sud besteht aus Rotwein, Rotweinessig und Zucker. Für zusätzlichen Geschmack sorgen Lorbeer, Nägeli und Zimtstängel. Alle diese Zutaten werden zusammen aufgekocht, jedoch erkaltet über die Zwetschgen geleert. Die Methode des in Essig-Einlegens beruht dabei auf folgendem Prinzip: Der hohe Säuregrad des Essigs verhindert die Entwicklung und das Wachstum von Mikroorganismen, wie Gär- und Fäulnisbakterien oder Schimmelpilzen.

Um die unliebsame Entwicklung von Mikroorganismen zu verhindern, hat die Mutter der Produzentin den Sud früher zweimal aufgekocht und erkaltet über die Zwetschgen gegossen, um schliesslich beides zusammen – Zwetschgen und Sud – aufzukochen. „Heute koche ich den Sud nur einmal auf und lege die Zwetschgen für ein bis zwei Tage im Sud ein. Dann fülle ich beides in Einmachgläser und lasse sie sterilisieren“, erklärt die Produzentin. Die Essigzwetschgen werden also kurzzeitig auf über 80 Grad erwärmt. Die Haut der Zwetschgen kann und soll dabei leicht aufreissen, wodurch der Sud besser ins Fruchtfleisch eindringen kann und beim Verzehr schön zur Geltung kommt. „Im Vergleich zu früher ist der Essiganteil stark zurückgegangen. Je saurer der Sud war, desto länger blieben die Essigzwetschgen haltbar. Dank der Sterilisation können wir heute mehr Rotwein statt Essig verwenden, wodurch der Sud-Geschmack viel ausgewogener und eher süss-sauer wird.“

Die Herstellung von Essigzwetschgen beschränkt sich übrigens auf die Zeit von Ende August bis Ende September, wenn die Zwetschgen reif sind.

Konsum

Sterilisierte Essigzwetschgen bleiben kühl und trocken gelagert weit über ein Jahr haltbar. Sie werden heute vorwiegend zu einer kalten Platte, Raclette oder zu asiatischen Gerichten serviert, wozu der süss-saure Geschmack wunderbar passt. Klassisch gehören Essigzwetschgen jedoch zu geräuchertem Fleisch, etwa zu einer Hamme.

In ausgesuchten Gasthöfen werden Essigzwetschgen besonders zu Fleischspeisen angeboten.

Wirtschaftliche Bedeutung

Für die befragte Bäuerin aus dem Emmental sind die Essigzwetschgen ein „schöner Zustupf“ und die „Weiterführung einer Familientradition“. Rund 900 Gläser füllt sie jeden Spätsommer mit einer Kollegin zusammen ab. Das entspricht einem Gewicht von 180 Kilogramm Zwetschgen. Der Grossteil dieser Zwetschgen wird als Beilage einem Geschenkkorb beigegeben.

Literatur

  • Jöhri, Roland,   Die Kochkunst Graubündens. Traditionelle Rezepte – neu kreiert,   Aarau, Stuttgart,   1989.  
  • Rilling, L.<BR />Weber, L. <BR />Thalmann, E. <BR />237,   Kochbuch der Koch- und Haushaltungsschule Winterthur,   Frauenverbund Winterthur,   Winterthur,   1933.  
  • Coradi-Stahl, Emma,   Gritli in der Küche,   Kommissionsverlag,   Zürich,   1916.  
  • Rytz-Dick, L. und Julie Grüter,   Berner Kochbuch,   Druck und Verlag K.J. Wyss,   Bern,   1911.  
  • Eigeständigi Choscht. Eine kulinarische Rundreise,   Regionaljournal Bern, Freiburg und Wallis,   Bern,   1989.  
  • Kochbuch Salesium Zug,   Haushaltungsschule Salesianum Zug,   Zug,   1920.  
  • Kochbuch für den hauswirtschaftlichen Unterricht an Volks- und Fortbildungs-Schulen,   Schuldirektion der Stadt Bern,   Bern,   1942.  
  • Burckhardt, C.,   "Heimchen am Herd." Kochbuch,   Bellinzona,   1901.  
  • Gessler, A.H.,   Anneli's 440 erprobte Rezepte für die gute bürgerliche Schweizerküche,   Zürich,   o.J: (ca. 1905).  
  • Baur, Eva Gesine<BR />Wüthrich, Beat,   Rezepte aus der Schweiz,   Hallwag,   Bern/Stuttgart,   1999.  
  • Orland, Barbara,   Haushalt, Konsum und Alltagsleben in der Technikgeschichte,   Erschienen in: Technikgeschichte, Heft 65,   1998.  
Früchte, Gemüse, Pflanzen Drücken

Produktionsepizentrum

Wird vereinzelt auf Bauernhöfen hergestellt, die Zwetschgenbäume pflegen.

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