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Grittibänz / Saint Nicolas / Pupazzo di San Nicolao

Griiti-, Gritibänz, Benz, Bänz, Grättimaa (Region Basel) Elggermaa (Kanton Zürich und Thurgau), Brötige Maa, Chläus, Bonhomme de Saint Nicolas, Bonhomme de Pâte, Bonhomme. Im Elsass auch Mannala.

Grittibänz / Saint Nicolas / Pupazzo di San Nicolao

In Kürze

Der Grittibänz ist ein „Gebildbrot“, ein Hefegebäck (normalerweise) in der Gestalt einer Männer- oder seltener Frauenfigur. Sein Gewicht kann zwischen 100 Gramm und zwei Kilo variieren. In der Region Basel wird der Grättimann aus einem süssen Hefeteig hergestellt und mit Hagelzucker bestreut. Andernorts verwendet man einen ungesüssten Hefeteig.

Der Grittibänz ist sehr eng mit dem 6. Dezember, dem Chlaustag, verbunden. Eine kleine Ausnahme bildet das aargauische Seetal, dort feiert man den Chlaustag am zweiten Donnerstag im Dezember. 

Erhältlich ist der Grittibänz in der ganzen Schweiz in jeder Bäckerei und in den Grossverteilern von Mitte November bis Ende Dezember.

Die Bezeichnung Grittibänz setzt sich aus zwei Wörtern zusammen. „Gritten“, so erklärt das Idiotikon, das schweizerdeutsche Wörterbuch, ist zu übersetzen mit „die Beine spreizen“, der „Gritti“ ist ein mit gespreizten Beinen gehender, meist gebrechlicher, alter Mann. Der Bänz oder Benz, ist die Kurzformen des Vornamens „Benedikt“ der seiner Häufigkeit wegen ganz allgemein für „Mann“ verwendet worden ist.

Beschreibung

Gebäck in Menschengestalt in verschiedenen Grössen und Formen.

Zutaten

Mehl, Butter, Wasser, Salz, Zucker, Hefe, Milch(pulver), Rosinen, Mandeln, kandierte Kirschen, Wacholderbeeren zur Dekoration.

Geschichte

Eines der ältesten Zeugnisse einer Teigfigur in Menschenform am Nikolaustag findet man im Niklausspruch des Zürcher Reformators Heinrich Bullinger aus dem Jahre 1546. „Der Felix nehm zem ersten s’Horn, Das Frowli esse er erst morn“. Um was es sich bei diesem Frowli gehandelt hat, präzisiert der Gebäckforscher Max Währen in einem Artikel aus dem Jahr 1991: Das „Frowli“ sei ein weiblicher Grittibänz. Offenbar waren demnach lange Zeit Grittibänze in Frauengestalt nicht so selten wie heute. Diese Annahme untermauern verschiedene Quellen. So ist zum Beispiel in der „Schweizer Volkskunde“ aus dem Jahr 1964 zu lesen, dass der Grittibänz im Berner Oberland in weiblicher Form vorkommt. Teigfiguren in weiblicher Gestalt erwähnt auch der Baselbieter Eduard Strübin. Ebenso beschäftigte sich Keller-Ris um 1920, so die Fussnote im Atlas der Schweizer Volkskunde, mit Elggerma und Elggerfrau.

Die Verehrung des heiligen Nikolaus begann nördlich der Alpen im 11. Jahrhundert. Daraus entstanden mit der Zeit verschiedene Bräuche. Einer, der seinen Ausgangspunkt in Nordfrankreich hat, ist, dass am Nikolaustag unter den Schülern einen Kinderbischof gewählt worden ist, der für diesen einen Tag dem Kloster und der Schule vorstand. Er durfte Beschwerden den Lehrern gegenüber vorbringen und die Erwachsenen durch seine Knechte bestrafen lassen. Die älteste Nachricht eines solchen Umzugs in der Schweiz stammt aus Basel und führt uns ins 14. Jahrhundert zurück: Am 6. Dezember zogen die Schüler mit einem verkleideten Kinderbischof durch die Stadt. Am Schluss erhielten alle einen Wecken aus Weissmehl.

Ab dem 19. Jahrhundert häufen sich die Quellen, dass am 6. Dezember Teigmännli gegessen wurden. Auch der erste Hinweis auf den heutigen Namen Grittibänz ist in diesem Zeitraum zu finden. Der Aargauer Gebäckforscher Rochholz beobachtete am 6. Dezember 1835 auf der St. Petersinsel im Bielersee einige Kinder beim Spielen mit "Manoggle", Brotmännchen, die ihnen der Vater zum Nikolaustag aus Twann mitgebracht hatte. Die Kinder nannten ihn "Chriddibenz". So ein Artikel im Aargauer Tagblatt vom 16.2.1963. In Rochholzs Nachlass sind Zeichnungen vom Grittibänz zu finden: Ein im Aargau „Kläusli“ genannter Teigmann vom Bäcker ist ca. 26 cm gross und mit einem Schultergurt und einem breiten, turbanartigem Hut versehen. Sehr kunstvoll ist auch der Stiefel tragende „Aarauer Brodmann“. Seine Höhe beträgt ca. 45 cm, der Hosenlatz ist mit Knöpfen versehen, dazu trägt er Gurt, Jacke und Gilet mit Knöpfen sowie eine Zipfelmütze.

Eine Quelle aus dem Jahr 1860, im Idiotikon erwähnt, zeigt, dass in Bern der Grittibänz auch aus Lebkuchenteig hergestellt wurde. Zu Solothurn besteht, so das Idiotikon, eine besondere Beziehung: "Das in Solothurn alteinheimische landesübliche Gebäck zeigt in seiner Figur auffallende Ähnlichkeiten mit dem Landesheiligen dem Ritter St. Ursus.“  

Der Atlas der schweizerischen Volkskunde, einer volkskundlichen Untersuchung aus den 1930er Jahren, zeigt, dass der Grittibänz damals fast ausschliesslich im schweizerischen Mittelland verbreitet war. Gebräuchlich war besonders guter Weissbrotteig, wie er auch für Festtagsbrote, Wecken, Zöpfe u. ä. verwendet wurde. Andere mögliche Teigarten waren laut Atlas, Butterteig, Eierbrotteig, (süsser) Weggliteig, Brotteig oder Roggenbrotteig. Der Elggermaa, eine regionalspezifische Variante des Grittibänz aus dem Dorf Elgg im Kanton Zürich, soll laut Atlas ein Bäcker im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zum ersten Mal hergestellt und zur Weihnachtszeit am Markttag in Frauenfeld zum Verkauf gebracht haben. Erhältlich war der Grittibänz damals in der Vorweihnachtszeit und je nach Gebiet bis in die Neujahrswoche.

In der Stadt Basel war der Grittibänz schon früher bekannt als in der umliegenden Landschaft. Aus Eduard Strübins „Jahresbrauch im Zeitenlauf“ geht hervor, dass sich der Grittibänz im Verlauf des 20. Jahrhunderts von der Stadt Basel aus in den ärmeren Landkanton verbreitet hat. Strübin berichtet weiter, dass der Grittibänz Ende des 19. Jahrhunderts öfter an Weihnachten als am St. Nikolaustag gegessen wurde. Die Verschienung zu St. Niklaus erfolgte gemäss Strübin zwischen Anfang und Mitte 20. Jahrhundert.  

Der Röstigraben zeigte sich bis etwa in die 1950er Jahre übrigens auch beim Grittibänz. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde er in der Romandie bekannt, so die Publikation zur Ausstellung „Rideau de rösti – Röstigraben“ (2005). Zur landesweiten Verbreitung bzw. Kommerzialisierung haben vor allem die Grossverteiler gesorgt.

Produktion

Der besuchte Bäcker macht den Grittibänz mit einem Butterteig. Andere nehmen einen Zopfteig mit etwas Zucker, ein so genannter Süssteig.

Für die Herstellung des Teigs wägt der Bäcker alle Zutaten ab: Weissmehl, Frischmilch oder Milchpulver, Salz und Hefe. Es folgen die Backhilfsmittel: Malz für die Farbe und Levit für den Geschmack. Alles gelangt gleichzeitig, zusammen mit Wasser in die Knetmaschine. Nach fünf Minuten kommt die Butter dazu. Der Teig soll am Ende des Knetens über solch eine Elastizität verfügen, dass man ihn auseinander ziehen kann bis er fast durchsichtig ist. Der Teig ruht nun während 30 Minuten.  

Nun wird der Teig portioniert und vom Bäcker auf der Arbeitsfläche zu einem länglichen Teigling geformt. Er ist zweigeteilt, oben ein kleiner Teil für den Kopf, unten ein grosser Teil für den Körper des Grittibänzen. Beim kleinen Teigling macht der Bäcker Schnitte: zwei für die Arme und einen für die Beine. Beim grösseren Grittibänz schneidet der Bäcker Arme und Beine bis zum Körperansatz los, oder wenn die Hand frei geschnitten wurde, wird der Arm zur Hüfte gebogen. Nun geht es ans Ankleiden der Teigfigur: Aus kleineren Teigstück macht der Bäcker Gürtel, den oberen Rand eines Stiefels, ein Halstuch oder den Rand einer Zipfelmütze. Die grossen Grittibänze erhalten manchmal eine weisse Tonpfeife oder einen Stab aus Teig. Andere Bäcker geben ihm eine kleine Rute.

Die ungebackenen Bänze kommen nun für 35 bis 40 Minuten in den Gärschrank. Anschliessend streicht der Bäcker sie mit Ei an. Zum Schluss werden die Figuren mit Augen, Knöpfen, Ruten, Pfeifen u. s. w. versehen. Sultaninen oder Wacholderbeeren, letztere eher selten, ergeben die Augen und die Knöpfe, mit der Schere schneidet der Bäcker den Mund. 

Die Grittibänze sind zwischen acht und zwanzig Minuten bei ca. 190 Grad im Ofen, je nach Gewicht.

Konsum

Von Johanna Von der Mühll erfahren wir, dass es in der Stadt Basel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Bürgerhäusern üblich war, dass sich die Mütter mit den Kindern am 6. Dezember zum „Zobetrinke“ bei der Grossmutter trafen. Auf dem Tisch lagen Berge von Grättimanne. So gestärkt, erhielt die Gesellschaft Besuch vom "Samiklaus". 

Der Grittibänz ist nach wie vor ein fester und wichtiger Bestandteil der Vorweihnachtszeit bei Klein und Gross. Sein Verbreitungsgebiet vergrösserte sich in den letzten Jahrzehnten. Das zeigt auch ein Bericht aus Appenzell Innerrhoden. Hier pflegte man bis in die 1980er Jahre eigene Nikolausbräuche, die durch den Grittibänz ersetzt wurden.

In einigen Familien backt noch heute ein Elternteil mit den Kindern die Grittibänze und abends werden sie im Familienkreis gegessen.

Wirtschaftliche Bedeutung

Ein Bänz von 80 Gramm kostet beim besuchten Bäcker 2.10 Franken. Grittibänzen gibt es in zahlreichen Varianten von artisanaler Gebäckskunst bis zur Massenproduktion der Grossverteiler.

Literatur

  • Atlas der schweizerischen Volkskunde,   Weiss, Richard und Paul Geiger,   Basel,   1950.  
  • Hammel, Hans Peter,   Minu`s Basler Küche von A-Zed,   Buchverlag Basler Zeitung,   Basel,   1989.  
  • Währen, Max,   Gesammelte Aufsätze zur Brot- und Gebäckkunde und -geschichte. 1940-1999,   Deutsches Brotmuseum Ulm (Dr. Hermann Eiselen),   Ulm,   2000.  
  • Richemont Fachblatt,   Fachschule Richemont Luzern,   ab 1945.  
  • Strübin, Eduard,   Jahresbrauch im Zeitenlauf,   Verlag des Kantons Basel Land,   Liestal,   1991.  
  • Von der Mühll, Johanna,   Basler Sitten. Herkommen und Brauch im häuslichen Leben einer städtischen Bürgerschaft,   Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde,   Basel,   1944.  
  • Schenkel, J.J.,   Das Schweizervolk in seinem Essen und Trinken; Sonderdruck aus dem 7. Heft der Beiträge zur vaterländischen Geschichte,   Historisch-antiquarischer Verein des Kantons Schaffhausen,   Schaffhausen,   1900.  
  • Schweizer Volkskunde,   Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde,   Basel,   1964.  
  • Schweizerisches Archiv für Volkskunde,   Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde,   Basel,   1902.  
  • Schnieper, Claudia<BR />Jaray, Peter,   Festliches Schweizer Gebäck. Rezepte und Traditionen aus allen Kantonen,   Mondo-Verlag,   Vevey,   2006.  
  • Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache,   Staub, Friedrich et al..  
  • Grimm, Jacob und Wilhelm,   Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Quellenverzeichnis 1971. Band 4,   Leipzig,   1854-1960.  
  • Foodnews.ch,   5.1.2006.  
  • Flütsch, Laurent,   Rideau de rösti - Röstigraben,   Musée Romain Lausanne-Vidy,   Gollion,   2005.  
  • Küng, Josef,   Unser Innerrhoden,   Appenzell,   2003.  
  • Berufskunde für Bäcker-Konditoren-Confiseure. Band 3,   Richemont Fachschule, Luzern,   Luzern,   2006.  
  • Aargauer Tagblatt,   16.2.1963.  
  • http://www.post.ch/de/ph_lupe_04_2005_weihnachten.pdf,   URL,   2005.  
  • Greyerz, Otto von und Ruth Bietenhard,   Berndeutsches Wörterbuch. Für die heutigen Mundart zwischen Burgdorf, Lyss und Thun,   Muri bei Bern,   1997.  
  • Schnitzler, Theodor,   Kirchenjahr und Brauchtum neu entdeckt. In Stichworten, Übersichten und Bildern,   Freiburg i.Br.,   1977.  
  • Suter, Hansjakob, Urech, Willy,   Hallwil und seine Mittwinterbräuche,   Gemeinderat Hallwil,   Hallwil,   1959.  
  • Anderes, Bernhard, Albert Hauser und Norbert Lehmann,   Allerheiligen. Namens- und Kirchenpatrone, Schutzheilige , Nothelfer,   Seedamm-Kulturzentrum Pfäffikon SZ,   Einsiedeln,   1998.  
  • Koch-Mertens, Wiebke,   Der Mensch und seine Kleider. 1. Bd,   Typotron,   St. Gallen,   2003.  
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