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Kirsch, Zuger Kirsch und Rigi Kirsch (AOP)

Kirschwasser, Chriesiwasser, Chirsiwasser

Kirsch, Zuger Kirsch und Rigi Kirsch (AOP)

In Kürze

Kirsch ist ein klarer Obstschnaps. Gebrannt wird er sowohl von Grossbrennereien wie auch von kleinen gewerblichen oder privaten Brennereien. Am bekanntesten sind die Kirschobstbrände aus den Kantonen Zug und Basel-Landschaft. Aber auch im aargauischen Fricktal, im Kanton Schwyz sowie in anderen Innerschweizer Kantonen wird viel Kirsch gebrannt. Ein Grossteil der Produktion wird in der Schweiz selbst konsumiert ein kleiner Anteil aber auch ins grenznahe Ausland exportiert.

In der Deutschschweiz ist der Kirsch wohl der bekannteste Obstbrand überhaupt. Auch in der Romandie, wo er beispielsweise im Neuenburgischen oder im Jura hergestellt wird oder im Tessin, kennt man den Kirsch. In beiden Landesteilen wird er aber eher als Deutschschweizer Produkt wahrgenommen. Man nennt ihn dort auch überwiegend beim schweizerdeutschen Namen: „Kirsch“.

Der Schweizer "Brenzerkirsch" ist seit 2008 ein Produkt in der Arche des Geschmack von Slow food. Brenzerkirsch bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Kirsch ausschliesslich aus alte Brennkirschensorten hergestellt sein darf.

Der Zuger Kirsch und der Rigi Kirsch sind seit 2013 im Register der „geschützten Ursprungsbezeichnungen“ (AOP) eingetragen. Das geografische Gebiet der Herstellung der AOP Zuger und Rigi Kirsch umfasst den gesamten Kanton Zug sowie neun Schwyzer und sieben Luzerner Gemeinden rund um die Rigi.

Beschreibung

Obstbrand aus vergorener Kirschenmaische, der nach dem Brennen und Herabsetzen auf Trinkbrandstärke rund 43 Volumenprozent Alkohol aufweist.

 

Zutaten

Reife, gut besonnte und gesunde schwarze Kirschen. Hefe, Säurezugabe, demineralisiertes Wasser.

Geschichte

Eine sehr frühe Erwähnung des Kirschs zitiert der Historiker Albert Hauser in seinem Buch „Vom Essen und Trinken im alten Zürich“: „Um 1662 wurden so viel Kirschen gebrannt, dass der Magistrat befürchtete, es möchten „dem armen Mann die Kriesi vertheuert und den Liederlichen zu noch mehr Liederlichkeiten geholfen“ werden.“ Schon damals also, über zwei Jahrhunderte bevor der Begriff „Alkoholismus“ erstmals auftauchte, war man sich gewisser Probleme des Obstbrandkonsums bewusst.

In diversen Reiseberichten aus dem 18. und 19. Jahrhundert erfahren wir, dass Kirsch auf einer langen Wanderung fast schon ein Pflichtaccessoire war: „Ausserdem führte noch ein jeder ein kleines (…) Fläschchen, mit Kirschwasser angefüllt, bey sich, welches, mit Wasser vermischt ein sehr angenehm kühlendes und dabey völlig unschädliches Getränk ist (…).“, erfährt man von Friedrich Meisner, der 1801 den Reisebericht „Alpenreise mit seinen Zöglingen. Für die Jugend beschrieben“ veröffentlichte. Und auch in der Armee machte man sich damals die Wirkung des Kirsch zu Nutze: „Der Kirsch gehörte übrigens auch zu den Getränken, welche die Obrigkeit ihren Soldaten ins Feld nachschob“, erwähnt Albert Hauser. 

Vor allem aber war Kirsch schon im 18. Jahrhundert ein wichtiges Handelsprodukt. „Der Kirschengeist erquickt den Prasser viel mehr als Wein, Bier, Most und Wasser“, mit diesem Vers wurden im Jahre 1748 das „Guts Kriesi-Waser“ auf den Zürcher Märkten angeboten. So überliefert es uns jedenfalls David Herrliberger (1697-1777), der mit seinen Ausrufbildern das Warenangebot Mitte des 18. Jahrhunderts dokumentierte. Auf der Radierung des „Kriesi-Waser-Ausrufers“ ist ein bestockter Mann zu sehen, der dank einer speziellen Haltevorrichtung ein schweres Holzfass auf dem Rücken zu tragen vermag und sein Kirschwasser so feilbietet. Kirsch wurde aber auch ins nahe Ausland exportiert. „In einem einzigen Dorfe (des Illnauer Amtes) wird für zwei bis drei tausend teutsche Gulden Kirschwasser gebrannt, welches sie in die Gegenden von Teutschland verführen, wo es (…) keine Reben gibt, und die Biertrinker doch etwas Geistiges, oder vielmehr Feuriges geniessen wollen“, wird im Buch „Begegnungen mit Zürich im ausgehenden 18. Jahrhundert“ ein Reisebericht zitiert. Und im „Illustrierten Ausstellungsalbum“, das anlässlich der Landesausstellung im Jahre 1914 in Bern erschienen ist, heisst es: „Einzelne Erzeugnisse, hauptsächlich Kirschwasser und Enzianbranntweine geniessen einen guten Ruf im Auslande und werden exportiert.“

Bis nach dem Zweiten Weltkrieg war die Qualität des Kirschs wie auch der übrigen Obstbranntweine, nicht vergleichbar mit den heutigen Standards. Einerseits war eine kontrollierte Gärung des Obstes erst seit Ende des 19. Jahrhunderts durch die Verwendung von Hefe möglich. Andererseits wurde dem Rohmaterial wie auch dem Brennverfahren weniger Sorge getragen wie auch die von uns besuchte Produzentin erzählt: „Als ich noch Kind war, da standen die mit Obst gefüllten Bottiche oft einfach rum, zum Beispiel im Dachstock, wo dann zuweilen noch Regenwasser hineinlief, oder die Sonne schien auf das Obst, wodurch es einen Essigstich erhielt.“

Produktion

Es waren die Römer, welche die Süsskirschen von der Türkei aus über die Alpen in unsere Region brachten. Heutzutage werden sie vor allem in der Nordwestschweiz angebaut, dem „Chriesigebiet“ schlechthin, aber auch in der Innerschweiz oder im Waadtland. Es sind besonders die schwarzen Kirschen der Hochstammbaum-Sorten, die sich zum Brennen eignen. „Jene Kirschen, die man zu Konfitüre einkocht, sind auch zum Schnapsbrennen geeignet“, erzählt die von uns besuchte Obstbrennerin eines Familienbetriebes im Baselland und zählt eine Reihe von typischen Schweizer Brennkirschen auf: „Dolleseppler“, „Basler Adler“, „Basler Langstieler“, „Lauerzer“, „Mischler“ und „Wölflisteiner“. Die meisten Produzenten stellen allerdings keine sortenreinen, sondern gemischte Brände her. Hagelschäden, Schorfflecken, ja selbst ein Wurmbefall haben keine geschmacklichen Auswirkungen auf den Kirsch. Was hingegen stimmen muss ist die Reife der Frucht.

Nach der Lieferung des Obstes folgen das Einmaischen und die anschliessende Gärung. Die Kirschen werden beim Einmaischen zuerquetscht. Es entsteht eine Mischung aus Haut, Fruchtfleisch und Saft ausgequetscht. Die Steine werden je nach Produzent ebenfalls in der Maische gelassen. Im besuchten Familienbetrieb lässt man die Steine jedenfalls drin, denn „solange die Steine beim Quetschvorgang nicht kaputt gehen, geben sie keine unerwünschten Bitterstoffe ab“, erklärt ein Mitarbeiter. Seiner Meinung nach sorgen die Steine sogar für ein volleres Aroma der späteren Brände. Anschliessend wird die Maische in gut verschliessbare Gärbehälter gepumpt.  Für die Gärung wird die Kirschenmaische sowohl mit Hefe als auch mit Schwefel-, Milch- oder Phosphorsäure angesetzt. 

Die Hefe ermöglicht eine kontrollierte Gärung, also eine Umwandlung des Zuckers in Alkohol. Während dieses chemischen Prozesses werden grosse Mengen an Kohlendioxid freigesetzt, was nicht zu überhören ist: Es blubbert und zischt im Gärbehälter. Sobald der Kohlendioxidausstoss aufhört, ist die Gärung abgeschlossen, was bei der Kirschenmaische nach zwei, drei Wochen der Fall ist. Die Säurezugabe verhindert während des Gärprozesses das Wachstum unerwünschter Mikroorganismen.

Uneinigkeit herrscht darüber, ob die Kirschenmaische direkt nach der Gärung abgebrannt oder noch eine Weile in den Gärbehältern gelassen werden soll. Im besuchten Familienbetrieb wird die Maische mehrere Monate stehen gelassen, „wodurch sie an Aroma gewinnt“, wie der Mitarbeiter ausführt. 

Der letzte grosse Schritt auf dem Weg zum Obstbrand ist das Brennen. Dabei macht man sich zu Nutze, dass Wasser bei 100 Grad, Alkohol dagegen schon bei etwa 80 Grad verdampft. Ist die vergorene Maische in die Brennblase des Destillierapparates gepumpt, erreicht man durch eine regulierte Erhitzung, dass der Alkoholdampf früher aufsteigt als der Wasserdampf. Dieser Dampf, der neben Alkohol auch die zentralen Kirschen-Aromastoffe enthält, wird über ein Rohr durch einen Kühler, oftmals ein Wasserbehälter, geleitet, kühlt sich dort so stark ab, dass er kondensiert und schliesslich flüssig als Kirschendestillat in einem Behälter gesammelt werden kann. Dieses Destillat hat einen Alkoholgehalt von durchschnittlich 70 bis 75 Volumenprozent. Die Trennung von Vorlauf, Herzstück und Nachlauf, die kontinuierlich erfolgt, ist der entscheidendste Vorgang beim Destillieren. Sie geschieht in erster Linie über die Nase und die so genannte Spindel, die den Alkoholgehalt im Destillat anzeigt. Eine saubere Trennung ist entscheidend für die Qualität des späteren Kirsches. „Den ersten Liter Alkohol, der nach dem Abkühlen in die Vorlage, den dafür vorgesehenen Behälter, tropft, kann man getrost vergessen und wegleeren. Erst wenn das Destillat mild-fruchtig riecht und nicht mehr beisst auf der Zunge, haben wir das Herzstück“, erklärt der Mitarbeiter den Ablauf. Sobald der Geruch des Kirschdestillats an Fruchtaroma verliert, ist der Nachlauf erreicht, der ebenfalls weggeleert wird.

Ein weiterer wichtiger Produktionsschritt bei Steinobstbränden ist die Entfernung der Blausäure aus dem Alkoholdampf. Die Säure wird von den Steinen abgegeben und sorgt für ein unangenehmes Bittermandel-Aroma. Es gibt deshalb eine gesetzlich festgelegte Höchstmenge an Blausäureanteilen. Deshalb lässt man den Alkoholdampf vor dem Abkühlen durch einen Katalysator. Das so gewonnene Kirschdestillat enthält zwischen 70 und 80 Volumenprozent Alkohol. Man setzt das Destillat deshalb mit demineralisiertem Wasser auf Trinkbrandstärke herab. Die im Destillat enthaltenen Trübstoffe müssen danach aus dem fertigen Kirsch herausfiltriert werden.  

Der auf Trinkbrandstärke hinabgesetzte Kirsch mag nun zwar gebrannt sein, ins Glas und damit auch in den Verkauf kommt er allerdings noch lange nicht. „Rund zwei Jahre lagern wir unseren Kirsch in den Edelstahltanks, wodurch der Brand Zeit hat, sein volles Aroma zu entwickeln.“

Konsum

Pur, als Verdauungshelfer, wird Kirsch am häufigsten konsumiert, zum Fondue etwa oder zum Dessert. Aber auch als Beigabe im Kaffee, Tee oder sogar in einer heissen Schokolade kann Kirsch verwendet werden.   

Eine beliebte Zutat ist der Kirsch wegen seines unverkennbaren Geschmacks auch bei verschiedensten Backwaren. Kein anderer Obstbrand wird so häufig zum Backen benutzt wie der Kirsch.

Wirtschaftliche Bedeutung

Unter den Steinobstbränden nimmt der Kirsch die absolute Spitzenposition ein. Nicht zuletzt deshalb, weil viele Patisserie-Produkte Kirsch beinhalten und er deshalb in der Bäckerei- und Konditoreibranche häufig verwendet wird.    

Laut den statistischen Zahlen der Eidgenössischen Alkoholverwaltung, betrug die einheimische Kirschproduktion in der Saison 2005/06 3’395 Hektoliter, wobei sowohl gewerbliche Produzenten als auch die Landwirte, die für den Eigenbedarf brennen, inbegriffen sind.

Seit den 1980er-Jahren, als beispielsweise in der Saison 1982/83 17'220 Hektoliter Kirsch gebrannt wurden, ist ein markanter Rückgang der Produktion zu beobachten. In dieser Zeit haben sich l auch die Anzahl der landwirtschaftlichen und gewerblichen Produzentinnen und Produzenten sowie der Pro-Kopf-Verbrauch alkoholischer Getränke verringert. Die Devise im Schweizer Brennereiwesen heisst heute mehr denn je: Qualität statt Quantität.

Literatur

  • Atlas der schweizerischen Volkskunde,   Weiss, Richard und Paul Geiger,   Basel,   1950.  
  • Messikommer, Heinrich,   Aus alter Zeit. Bäuerliche Speisekarte im zürcherischen Oberlande bis ca. 1840. Band III,   Orell Füssli Verlag,   Zürich,   1911.  
  • Meyenberg, Arnold.,   Zugerländchen ernst und heiter - Essen Trinken und so weiter,   Junge Wirtschaftskammer Zug,   Zug,   1982.  
  • Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache,   Staub, Friedrich et al..  
  • Historisches Lexikon der Schweiz (HLS),   Historisches Lexikon der Schweiz,   Bern,   15.8.2006.  
  • Hauser, Albert,   Vom Essen und Trinken im alten Zürich,   Verlag Berichthaus,   Zürich,   1973.  
  • Herrliberger, David,   Zürcherische Ausrufbilder,   Ulrich, Conrad,   Zürich,   1968.  
  • Begegnungen mit Zürich im ausgehenden 18. Jahrhundert,   Verlag Berichthaus,   Zürich,   1965.  
  • Wüstenfeld, Hermann und Georg Haeseler,   Trinkbranntweine und Liköre,   Blackwell Wissenschafts-Verlag,   Berlin,   1996.  
  • Baumann, Walter,   Brauen, Keltern und Brennen im alten Zürich,   Verlag Neue Zürcher Zeitung,   Zürich,   1996.  
  • Jahrheft der Stadt Illnau-Effretikon 2007. Thema: Wasser,   Hotzehuus-Verein mit Unterstützung der Stadt Illnau-Effretikon,   Effretikon,   2007.  
  • Pischl, Josef,   Schnaps brennen heute,   Leopold Stocker Verlag,   Graz,   1988.  
  • Jäger, Peter,   Das Handbuch der Edelbranntweine, Schnäpse, Liköre. Vom Rohstoff bis ins Glas,   Leopold Stocker Verlag,   Graz,   2006.  
  • Andreae, Illa,   Alle Schnäpse dieser Welt. Das internationale Buch der flüssigen Genüsse,   Seewald Verlag,   Stuttgart,   1973.  
  • Kranz, Brigitte,   Das grosse Buch der Früchte. Exotische und einheimische Arten,   Südwest Verlag GmbH,   München,   1988.  
  • Illustriertes Ausstellungs-Album. Schweizerische Landesausstellung in Bern 1914,   Zentralkomitee der schweizerischen Landesausstellung,   Bern/Genf,   1914.  
  • Aperitifs + Spirituosen,   Schweizer Wirteverband,   Zürich,   1988.  
  • Vauthier, Bernard,   Le patrimoine fruitier de Suisse romande,   Vauthier, Bernard,   Bôle,   2004.  
  • Bert L. Vallee,   Kleine Kulturgeschichte des Alkohols,   Spektrum der Wissenschaft,   8/1998.  
  • div.,   Dossier Kirsch / Schnaps.  
  • © Schweizerische Vereinigung der AOP-IGP,   Foto Kirschen am Baum.  
Getränke Drücken

Produktionsepizentrum

Zug und Basel-Landschaft. Aber auch im aargauischen Fricktal, im Kanton Schwyz (Sattel) sowie in anderen Innerschweizer Kantonen wird viel Kirsch gebrannt. Kirsch ist auch im Schwarzwald (D) weit verbreitet.

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