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L'Etivaz (GUB/AOP)

L'Etivaz (GUB/AOP)

In Kürze

L’Etivaz ist ein gepresster Rohmilchkäse, der nur über Holzfeuer auf Sömmerungsbetrieben [Sennereien] in den Waadtländer Voralpen, insbesondere im Pays-d’Enhaut, hergestellt wird. Nach einer minimalen Veredelungszeit von fünf Monaten werden die besten Laibe selektioniert und während weiteren Monaten affiniert, bis ihre Konsistenz extrahart geworden ist und gehobelt (Rollen) werden können.

Seit dem Jahr 2000 ist der Etivaz als GUB/AOP (Geschützte Ursprungsbezeichnung-Appellation d’origine protégée)im Bundesregister der Ursprungsbezeichnungen eingetragen. Die Anforderungen, die erfüllt sein müssen um diese Bezeichnung zu erhalten, sind in einem Pflichtenheft beschrieben, das beim Bundesamt für Landwirtschaft eingereicht ist.

Beschreibung

Alpkäse aus Rohmilch, hart oder extrahart (Hobelkäse), mit einem Durchmesser von 30 bis 65 cm, einer Höhe von 8 bis 11 cm und einem Gewicht von 10 bis 38 kg; über Holzfeuer produziert von Mai bis Oktober exklusiv in den Waadtländer (Vor-)Alpen. Unverwechselbarer, aromatischer Geschmack, fruchtig, mit einer leichten Haselnussnote je nach Terroir der verschiedenen Alpen. Elfenbeinfarbener Teig, sehr gute Haltbarkeit. Verzehr ab 5 bis 13 Monaten Reifung.

Variationen

«L’Etivaz AOP à rebibes» (länger gereift, extrahart, gehobelt verzehrt)

Zutaten

Rohmilch, Lab, Betriebskulturen, Milchsäurekulturen, Salz

Geschichte

Die Geschichte des Etivaz ist bis ins 20. Jahrhundert eng mit der Geschichte des Gruyère verflochten. Da ist es keine Übertreibung, wenn man das Pays-d’Enhaut als eine der Wiegen dieser Käsesorte bezeichnet. Das Pays-d’Enhaut war integraler Bestandteil der Grafschaft Gruyère bis zum Bankrott von Graf Michel 1554. Einige Jahrzehnte vorher begann sich die Fabrikation von Gruyère auf den Alpen der Region zu entwickeln (siehe entsprechende Fiche). Man findet mit Sicherheit ältere Zeugnisse über Käsefabrikation, aber es ist kaum wahrscheinlich, dass diese Käse irgendeine Ähnlichkeit mit Gruyère und Etivaz von heute aufwiesen. Im Gegenteil, die ab dem 15. Jahrhundert erwähnten Käse sind Produkte aus erwärmtem und gepresstem Teig, gekäst auf der Basis von tierischem Lab, gepresst zu runden Laiben. Alfred Roth hat gezeigt (1970), dass sich die grossen Sorten von Schweizer Labkäsen wie Gruyère, Emmentaler, Berner Alpkäse und Sbrinz erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wirklich zu unterscheiden begannen.

Die Geschichte des Gruyère weist nach, dass dieser Käse ab dem 16. Jahrhundert und häufiger noch in den folgenden Jahrhunderten exportiert wurde. Mit dem Beginn des Dreissigjährigen Krieges (1618-1648) und den in der Folge stark ansteigenden Lebensmittelpreisen in der Schweiz wie im Ausland wurde der Käse zu einem gefragten Exportartikel. In dieser Zeit begann man im Greyerzerland, sich auf Käseproduktion zu spezialisieren. Dennoch war es in erster Linie das 18. Jahrhundert, das als goldenes Zeitalter der Schweizer Alpkäse gewertet wird. Richtet man den Fokus aufs Pays-d’Enhaut, kann man auf Grund einer Serie von Hinweisen den steten Aufschwung dieses Käses feststellen: Das Wappen eines Käsefabrikanten, dessen Nachfahren immer noch aktiv sind, geht aufs 17. Jahrhundert zurück; imposante und reich verzierte Chalets wie das Grand chalet de Rossinière (1754) mit seinem Keller, in dem bis 500 Käselaibe Platz haben. Charles-Victor de Bonstetten hielt 1779 fest: «Vor der Einführung des Käsehandels wurde der Boden umgegraben. Heute hat man das Pflügen fallengelassen, abgesehen von den profitabelsten Flächen … Im ganzen Saanenland gibt es keinen Pflug mehr.»

Im 19. Jahrhundert setzte ein Trend ein, die Käsefabrikation von den Alpen ins Tal zu verlegen, angeschoben durch eine Serie wirtschaftlicher Veränderungen, die Standorte für Käsereien im Alpen- Vorland und später im Mittelland begünstigten. Die Alpkäse verloren etwas Schwung, konnten sich aber einen gewissen wirtschaftlichen Erfolg erhalten. Letztlich aber erodierte dieser Erfolg im Pays-d’Enhaut und anderen Regionen. Die Produktionsstrukturen auf den Alpen erlaubten kaum eine gleichbleibende Qualität der Käse wie auf den Niveaus der Talkäsereien, auch wenn auf den Alpen Spitzenkäser zugange waren. Tatsächlich ist die Lagerung in den Alphütten oft mangelhaft. Wie Jean-Marc Chappuis 2002 unterstrichen hat, machte sich die Konkurrenz zwischen Berg und Tal zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf unsanfte Art bemerkbar.

1932 beschlossen die Produzenten der Region, sich als Vereinigung zu positionieren. Seither befinden sich der Etivaz-Käse und seine Produzenten auf einer Linie, die sich vom Gruyère immer stärker entfernt. 1934 baute man einen Reifekeller, in dem die Produktion von 30 Käsern unter guten Bedingungen eingelagert werden konnte. Der Begriff «L’Etivaz» wird seit dem Eintrag der Vereinigung ins Handelsregister im Jahr 1934 verwendet. 1945 steigt die Vereinigung bei der Schweizerischen Käseunion aus, um selber über Verkauf und Produktionsmengen zu bestimmen. Die Vereinigung bleibt gleichwohl Mitglied der Fédération laitière du Léman (ORLAIT), die Geschäftsführung und Verkauf von l’Etivaz absichert sowie die Reifung der Laibe in ihren Kellern in Vevey ermöglicht. 1946 wird im Pays-d’Enhaut ein Speicher für 2000 Laibe Hobelkäse gebaut. Die Vereinigung, ab 1974 eine Kooperative, verfolgt auf lange Sicht eine Politik der Qualitätssicherung und –verbesserung wie auch eine strikte Mengenkontrolle, was den Erfolg auf dem Markt sichert. Die Schliessung der Keller von ORLAIT zwingt die Vereinigung zur Reorganisation. Einmal mehr entschliesst sie sich, die Lagerkapazität zu erhöhen – auf 14000 Laibe – und alle Produktionsetappen im Kerngebiet zu konzentrieren. Abgesehen vom Wein ist L’Etivaz das erste Schweizer Produkt, das im Januar 2000 eine geschützte Ursprungsbezeichnung erhielt.

Produktion

L’Etivaz ist ein Käse aus Rohmilch, der vom 10. Mai bis 10. Oktober auf gut 70 Sömmerungsbetrieben im Pays-d’Enhaut und in den Waadtländer Voralpen hergestellt wird. Die Milch wird zweimal am Tag gemolken und in der Sennerei selber in Käse verwandelt. Die Milch darf nur in einem Kupferkessi über offenem Holzfeuer erhitzt werden, was dem Käse eine leicht rauchige, sehr gesuchte Note verleiht. Weiter darf man nur Arbeitsgerät aus Holz verwenden.

Zuerst erwärmt man die Milch auf höchstens 32°C. Dann gibt man Lab dazu, ein natürliches Enzym, das die Gerinnung in Gang setzt, sowie selektionierte Milchsäurebakterien. Die Milch trennt sich in der Folge in feste Gallerte und flüssige Sirte («petit lait», Molke, Schotte). Die Gallerte wird von Hand mit der Käseharfe auf die Grösse von Weizenkörnern zerkleinert. Nun wird alles auf maximal 57°C erhitzt und ausgiebig gerührt, so dass die Körner Wasser auspressen und sich dabei festigen. Anschliessend wird die Käsemasse mit einem Leinen- oder Nylontuch aufgenommen, aus dem Kessi gehoben und in eine Form gelegt. Dem Käse wird darin mindesten 20 Stunden lang mit Hilfe einer mechanischen Presse Sirte ausgepresst, dann legt man den Laib für mindestens 18 Stunden ins Salzbad; diesen Arbeitsschritt kann man in der Sennerei oder im Reifekeller ausführen. Eine Vor-Affinage [Veredelung, Reifung] während höchstens sieben Tagen auf der Alp ist auch möglich. Während dieser Phase werden die Laibe an einem kühlen Ort (10 bis 16°C) auf Tannenholzbrettern gelagert und mit Käsesalz eingerieben. Die endgültige Reifung (Affinage) findet in den dafür vorgesehenen Kellern (und nicht auf der Alp) statt bei Temperaturen von 10 bis 16°C und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 90 bis 97 Prozent. Die Laibe werden mindestens einmal pro Woche mit leicht gesalzenem Wasser gebürstet und dann gewendet. Die Mindestdauer des Reifungsverfahrens beträgt 135 Tage.

Während der ersten acht bis zwölf Tage werden die Laibe täglich mit Salzwasser gebürstet und gewendet, um die Bildung von Schmiere zu begünstigen. Anschliessend wird der ganze Vorgang während drei Monaten zweimal pro Woche ausgeführt, dann noch einmal pro Woche bis zum Verkauf. Das Schmieren und die Pflege sind entscheidende Etappen bei der Veredelung dieser Käsesorte und erfordern grösste Sorgfalt. Denn die Schmiere ist für den Austausch zwischen Käse und Umgebungsluft und somit für die Geschmacksbildung ausschlaggebend. Im Verlauf dieser Phase werden die in der Milch enthaltenen Eiweisse unter Einwirkung der Milchsäurebakterien sehr langsam zu Aminosäuren abgebaut. Da diese sehr aromatisch sind, lassen sich durch eine lange Reifezeit rezentere Käse erzielen. Doch es kommt der Moment, da die Laibe – unterschiedlich bei jedem einzelnen – ihre Geschmacksbildung abschliessen. Allgemein gilt, dass ein Etivaz das Optimum an aromatischer Komplexität im Alter von ein bis zwei Jahren erreicht hat.

Als Hobelkäse braucht der Etivaz ein paar Handgriffe mehr. Im Dezember und Januar nach der Herstellung werden ein paar Laibe aufgrund ihrer Eignung auf Trocknung selektioniert. Man entfernt die Schmiere und reibt die Laibe mit Speiseöl ein. Anschliessend stellt man sie vertikal in einen gut durchlüfteten Estrich ohne Klimatisierung. Dort reifen sie mindestens 30 Monate lang. Im Ersten Jahr werden sie jede Woche gedreht.

Konsum

Etivaz wird als Schnittkäse gegessen oder, nach entsprechendem Reifeverfahren und -dauer, in Form von gehobelten Röllchen. Er eignet sich sehr gut zum Schmelzen und wird deshalb für zahlreiche Käsegerichte verwendet wie Käseschnitte, Käsekuchen, Fondue ...

Wirtschaftliche Bedeutung

Seit sich die Coopérative des producteurs de fromage d'alpage L'Etivaz 1945 aus der Schweizerischen Käseunion verabschiedet hat, hielt sie in ihren Kellern eine Lagerkapazität von 3200 Laiben bis 1974, als die Kapazität mehr als verdoppelt wurde. Nach weiteren zwölf Jahren verdoppelte die Kooperative die Kapazität nochmals auf nun gut 14000 Laibe. Die Jahresproduktion lag Ende der 80er Jahre bei knapp 250 Tonnen Käse, 2005 dann bei 378 Tonnen, was 15000 bis 16000 Laiben entsprach.

2016 zählt die Kooperative 70 Mitglieder. Im selben Jahr betrug der Umsatz (ab Verarbeitungsbetrieb) 7,8 Mio. CHF bei einem Produktionsvolumen von 460 Tonnen (Quelle: Studie über 20 Jahre Erfahrungen der Schweizer AOP-IGP).

 

... anderes

Das Wort «rebibes» basiert auf den gebogenen Spänen, die beim Hobeln von einem Stück Holz anfallen. Die Verwendung des Wortes ist seit dem 18. Jahrhundert in den Kantonen Waadt und Freiburg belegt. Ab Beginn des 19. Jahrhunderts kommt es auch im Neunburgischen vor. Die heutige Bedeutung von «copeaux de fromage» [«Käse-Hobelspäne»] entstand im Kanton Waadt gegen Ende des 19. Jahrhunderts und wird heute in der ganzen Romandie verwendet.

Der Name «l’Etivaz» basiert auf dem Dialektausdruck «Léthuà», was Grenze bedeutet. Das Dorf Etivaz wurde 1713 gegründet, doch steht dort bereits seit dem 15. Jahrhundert eine Kapelle.

Literatur

  • Roth, Alfred G.,   Aus der Geschichte des Schweizer Käses. Neue Quellen und Forschungen zu seiner Geschichte bis 1914,   Burgdorf,   1970.  
  • Ruffieux, Roland<BR />Bodmer, Walter<BR />,   Histoire du gruyère : en Gruyère du XVIè au XXè siècle,   1972.  
  • Collectif,   Cahiers du Musée gruérien: La civilisation du Gruyère,   Société des Amis du Musée gruérien,   Bulle,   1999.  
  • Chappuis, Jean-Marc,   Les accords interprofessionnels dans les filières d'Appellation d'Origine Contrôlée (AOC) et la politique de la concurrence,   2002.  
  • Coopérative des producteurs de fromages d'alpages "l'Etivaz",   Demande d'enregistrement AOC: l'Etivaz,   1999.  
  • Coopérative des producteurs de fromages d'alpages "l'Etivaz" + OIC,   Cahier des charges AOC: l'Etivaz,   2004.  
  • © Association Suisse des AOP-IGP,   Photo Etivaz AOP.  
  • www.etivaz-aop.ch.  
  • Les AOP-IGP suisses : Regards sur 20 ans d’expériences ; Association suisse des AOP-IGP, OFAG et AGRIDEA, novembre 2017.  
Käse- und Milchprodukte Drücken

Produktionsepizentrum

Die Produktions- und Verarbeitungszone umfasst die Sömmerungsbetriebe, deren Produktionsstätten sich auf einer Höhe zwischen 1000 und 2000 m in den folgenden Gemeinden befinden: Château-d'Œx, Rougemont, Rossinière, Ollon, Villeneuve, Ormont-Dessus, Ormont-Dessous, Corbeyrier, Leysin und Bex.

Reifungszone ist der Bezirk Pays d’Enhaut.(Quelle: AOP-Pflichtenheft, 2004)

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