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Linthmais-Mehl

Türggen, Welschkorn (für den Mais)

In Kürze

Linthmais-Mehl ist ein Mahl-Produkt, das aus einem traditionellen Speisemais gewonnen wird. Dieser so genannte Linthmais, eine Landsorte mit grosser genetischer Vielfalt, wird ausschliesslich im Linthgebiet angepflanzt, das die Schwyzer Bezirke March und Höfe, die St. Galler Bezirke See und Gaster sowie das Glarner Unterland umfasst. 

Neben dem fein gemahlenen Linthmais-Mehl wird auch der gröbere Linthmais-Griess hergestellt. 

Verbreitet sind das Linthmais-Mehl und der -Griess vorwiegend im Linthgebiet (linthmais.ch).

Ein sehr naher Verwandter vom Linthmais-Mehl ist der Rheintaler Ribel, ebenfalls ein Mahl-Produkt, das aus einem traditionellen Speisemais gewonnen wird. Der Name „Ribel“ oder „Ribeli“ kommt von einer Maisspeise, die sowohl im Rheintal wie auch im Linthgebiet einst sehr verbreitet war. Der Dialektausdruck „Riblen“ bezeichnet dabei den Vorgang des Verreibens und Zerkrümelns der Maismasse in der Bratpfanne. Der grösste Unterschied zwischen Linthmais und Rheintaler Mais liegt in der Farbe der Körner: beim Linthmais sind sie gelblich bis rötlich, beim Rheintaler Mais beige bis weiss.

Der Mais, der schon zwischen 4000 und 3000 v. Chr. in Zentralamerika angebaut wurde, fand nach der legendären Entdeckungsreise Kolumbus’ den Weg nach Europa, Asien und Afrika. Zunächst, im 16. und 17. Jahrhundert, fand die Maispflanze wegen ihrer hohen Anpassungsfähigkeit und Produktivität gar grössere Verbreitung als die Kartoffel, die vorerst eher als Topfpflanze verwendet wurde. Dennoch gelangte der Maisanbau von Kleinasien her nach Zentraleuropa. Dort hatte sich die Kulturpflanze, wohl von portugiesischen Händlern in die Region gebracht, schon im 16. Jahrhundert durchgesetzt. Dieser geographische Umweg erklärt, weshalb der Mais in Italien auch als „grano turco“, im Deutschen als „türkisches Korn“ und im Linthgebiet wie auch im Rheintal als Türggen bekannt war und immer noch ist.

Beschreibung

Ein aus Linthmais hergestelltes Mahl-Produkt. Linthmais-Mehl gibt es in drei Ausmahlungsgraden: fein gemahlenes Maismehl, mittelfein gemahlenes Maismehl sowie das gröbere Maisgriess, das sich für eine Polenta eignet. Charakteristisch ist die gelblich-rötliche Farbe.

Geschichte

Wann im Linthgebiet erstmals Mais angepflanzt und zu Mehl verarbeitet wurde, bleibt unklar, weil in den Quellen bisher Angaben dazu fehlen. Die Entwicklung dürfte jedoch ähnlich wie im St. Galler Rheintal verlaufen sein. Dort finden sich erste Erwähnungen über Maisanbau in Zehntabrechnungen des 17. Jahrhunderts.

Konkret erwähnt wird der Maisanbau im Linthgebiet im Jahre 1835 in Gerold Meyer von Knonau’s Werk „Gemälde der Schweiz. Der Kanton Schwyz“: „In der March sind Spelt [Dinkel], Weizen und Gerste die Haupterzeugnisse, etwas Türkenkorn wird erzielt, alle übrigen Getreidearten sind daselbst grösstentheils unbekannt.“

Der Maisanbau im Linthgebiet hatte nicht zuletzt klimatische Ursachen. Schwere Böden und viel Niederschlag erschweren allgemein den Getreideanbau. Vor allem Pilzkrankheiten verursachen Probleme. Dinkel und Mais kommen besser mit einem solchen Klima zurecht als Weizen. Deshalb wurden diese beiden Getreidearten bevorzugt im Linthgebiet angebaut.

In Kleinstarbeit wurde der Mais dabei über Generationen an die klimatischen Bedingungen angepasst. Jedes Dorf, selbst jede Familie selektierte ihr eigenes Saatgut und vermehrte seinen Mais selber. Durch diese Selektion entstand schliesslich eine eigene Sorte, der Linthmais, und innerhalb dieser Sorte eine erstaunliche, bis heute erhaltene genetische Vielfalt, die sich in diversen Abweichungen in Form und Farbe der Kolben offenbart.

Durch die zunehmende Mechanisierung in der Landwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde vermehrt Futtermais angebaut, der den Linthmais allmählich verdrängte, bis er in den 1980er-Jahren ganz aus dem Anbauplan der einheimischen Landwirte verschwunden war.

Ende der 1990er-Jahre machte sich ein Landwirt aus Tuggen (SZ) auf die Suche nach originalem Linthmais-Saatgut. Er wurde fündig bei einem Entwicklungs- und Dienstleistungsunternehmen der Schweizer Saatgutbranche, die sechs Inzuchtlinien aus den Jahren 1959 bis 1985 besass. Innerhalb von drei Jahren gelang es dem Landwirt, Linthmais zu ernten, der zu Mehl verarbeitet werden konnte. Es kam zur Gründung des Vereins „Linthmais“. Zehn Jahre später bauen bereits sieben Produzenten auf einer Fläche von über acht Hektaren Linthmais an, zumeist allerdings mit einer anderen Sorte gekreuzt.

Produktion

Bis auf die äusserste Schale wird beim Linthmais das ganze Korn vermahlen. Er wird also zu Vollkorn-Mahl-Produkten verarbeitet. Der Vitamin- und Mineralsalz-Gehalt bleibt so unverändert im Mehl erhalten. Zudem wird der Keimling gemahlen, wie auch beim Rheintaler Ribel, während für die meisten anderen Mais-Mehlarten, etwa bei der Polenta aus dem Tessin, die Maiskörner entkeimt werden, um aus dem fetthaltigen Keimling so genanntes Keimöl zu gewinnen. Linthmais-Mehl wie auch Rheintaler Ribel sind folglich fetthaltiger als übliche Mais-Mahl-Produkte und geschmackvoller, da Fett auch ein Geschmacksträger ist.

Die eigentliche Produktion des Linthmais-Mehls beginnt mit der Aussaat, die von Mitte April bis spätestens Mitte Mai erfolgen muss, wenn die Gefahr von Spätfrost gebannt ist. Die Linthmais-Samen dürfen dabei nicht zu dicht gepflanzt werden. Eine Faustregel besagt: nicht mehr als acht Pflanzen pro Quadratmeter. „Auf diese Weise bekommt die einzelne Pflanze viel Sonne und wird gut ernährt“, erklärt der Landwirt.

Zur Befruchtung der weiblichen Blüten durch Selbstbestäubung kommt es schliesslich Ende Juli und bald darauf werden die Kolben an den zwei bis drei Meter hohen Mais-Pflanzen sichtbar. Erntereif sind die Kolben, die dann ganz dürr sind, im Zeitraum von Ende Oktober bis Anfang November, also sehr spät verglichen mit anderen Kulturpflanzen.

Geerntet wird mit Mähdreschern, die ebenso das Entblättern und Dreschen der Kolben übernehmen. Getrocknet werden die frisch geernteten Maiskörner in Trocknungswerken bei einer Temperatur von 40 bis 50 Grad. Am Ende des Trocknungsvorgangs, der zwei bis drei Tage dauert, dürfen die Körner einen Feuchtigkeitsgehalt von höchstens 14 Prozent aufweisen.

Vor dem Mahlen werden die Maiskörner in der Mühle aus hygienischen Gründen erstmal gereinigt, „um sie von Staub und anderem Schmutz zu befreien“, wie der Landwirt erklärt. Ausserdem muss die äusserste Kornschale entfernt werden. Die Mahlung selbst geht stufenweise vor sich. In jeder Passage kommt es einerseits zur Zerkleinerung der Getreidekörner in Walzenstühlen oder einer Steinmühle, und auf der anderen Seite zur Trennung des zerkleinerten Materials durch so genannte Plansichter. Diese Plansichter bestehen aus vielen übereinander angeordneten Sieben, durch die sich das Mahlgut in verschiedene Feinheiten trennen lässt: Angefangen beim grobkörnigen Maisgriess, über mittelfeines Maismehl bis hin zum ganz feinen Maismehl.

Konsum

Am häufigsten wird aus Linthmais-Mehl wohl Brot gemacht, aber auch die erwähnte Maisspeise „Ribel“ aus mittelfein gemahlenem Linthmais wird in der Region hergestellt. Das Mehl wird mit Milch und etwas Salz mindestens drei Stunden lang quellen gelassen. Daraufhin folgt das rund 20-minütige Rösten in einer Bratpfanne, wobei der Maismasse Butter untergemischt wird. Gegessen wird der Ribel mit etwas Zucker und dabei in Kaffee getunkt. Vielfach wird auch Zwetschgen- oder Holundermus angerichtet. 

Auch Teigwaren können aus Linthmais-Mehl hergestellt werden. Weitere neuere Produkte sind garantiert glutenfreies Maismehl (Mais enthält ohnehin kaum Gluten),  Linthmais-Getreidebrand „Liwhinthsky“, Maisgold-Bier, Linthmais Tortilla Chips.

Wirtschaftliche Bedeutung

Sieben Produzenten aus dem Linthgebiet bauen mittlerweile die alte, regionale Landsorte auf insgesamt 8,5 Hektaren an. Allerdings ist nur eine Hektare davon mit reinem Linthmais bepflanzt, auf den übrigen Feldern wird eine Kreuzung aus Linthmais und Körnermais angebaut. 2015 bewirtschaften zehn Landwirte 12 bis 15 Hektaren mit Linthmais im Kanton Schwyz; in Glarus und St. Gallen wird zu dieser Zeit kein Linthmais produziert. Ein Landwirt: „Wir sind in einem Vier-Kantone-Eck zu Hause, daher variiert dies immer wieder, und es ist aus meiner Sicht schwierig, uns einer Region zuzuordnen.“

Der Ertrag aus einem Hektar Linthmais-Anbau ergibt etwa vier Tonnen Mehl. Für die gekreuzte Sorte ist übrigens eine Bierbrauerei aus Einsiedeln der Hauptabnehmer.

... anderes

Während des Zweiten Weltkrieges, erzählt der Landwirt eine Geschichte, die ihm ältere Einwohner aus Tuggen erzählt haben, habe der Plan Wahlen, ein Programm zur Förderung des schweizerischen Lebensmittelanbaus, im Linthgebiet den Weizenanbau vorgesehen. Einige Bauern in Tuggen hielten sich allerdings nicht an den Plan und pflanzten weiterhin Mais an. Sie wurden von Behördenseite als „Anbausünder“ tituliert. Als man jedoch wahrnahm, dass der Maisertrag auf Grund des Klimas höher war als jener von Weizen, verstummten die Klagen über die „Anbausünder“ und man liess sie gewähren.

Literatur

  • Meyer von Knonau, Gerold,   Der Kanton Schwyz. 5. Heft. (Gemälde der Schweiz),   Huber und Co.,   St. Gallen/Bern,   1835.  
  • Imhof Paul,   Das kulinarische Erbe der Schweiz, Miniaturen von Paul Imhof, Band 5 ,   Echtzeit Verlag,   Basel ,   2015.  
  • www.linthmais.ch,   April 2017.  
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Produktionsepizentrum

Linthgebiet, das die Schwyzer Bezirke March und Höfe, die St. Galler Bezirke See und Gaster sowie das Glarner Unterland umfasst.

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