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Schlorzifladen

Birnenfladen, Birnfladen, Bere-Flade, Doppelfladen, Birä-Kösi Chuächä

Schlorzifladen

In Kürze

Der Schlorzifladen ist ein flacher Kuchen mit einem aromatischen Belag aus gekochten, pürierten Dörrbirnen und einem Rahmguss. Er wird teilweise auch Birnenfladen genannt. Die grossen, flachen, dünnen Kuchen, in der deutschsprachigen Schweiz sonst Wähe, Chueche oder Zelte, heissen in der ganzen Ostschweiz Fladen. Der Schlorzifladen ist in den beiden Halbkantonen Appenzell und im Kanton St. Gallen, insbesondere im Toggenburg, anzutreffen. Unter dem Begriff Fladen mit Kösi kennt man ihn im Kanton Zug, als Birä-Kösi Chuächä im Kanton Schwyz. Der Schlorzifladen wird gewerblich und privat hergestellt.

Produkte mit Füllungen aus einem Dörrbirnenmus sind in der deutschen Schweiz weit verbreitet. Neben den berühmten Birnbroten gibt es eine Anzahl weiterer Produkte wie zum Beispiel der Brienzer Krapfen oder der Ofenkrapfen aus Unterwalden.

Beschreibung

Runder, flacher Kuchen aus Kuchenteig mit einer Füllung aus passierten Dörrbirnen und einem Rahmguss. Durchmesser: 10 bis 36 Zentimeter.

Variationen

Nidelfladen oder Rahmfladen, der Rahmguss wird direkt auf den Kuchenteig gegossen

Zutaten

Teig: Mehl, Margarine, Zucker, Salz.

Schlorzi: Dörrbirnen, Milch, Baumnüsse, Rahm, Zucker, Sultaninen, Obstbrand (Kirsch), Eier, Gewürze.

Rahmguss: Eier, Mehl, Kaffeerahm, Milch, Rahm, Salz.

Geschichte

Die älteste Nennung des Schlorzifladens findet man im ersten Band des Idiotikons, dem schweizerdeutschen Wörterbuch aus dem Jahr 1881. Dort heisst er jedoch nicht Schlorzi-, sondern Birnfladen und wird als „Kuchen mit verkochten gedörrten Birnen“ beschrieben. Weiter ist dort zu lesen, dass im Appenzellerland „früher“ um Weihnachten und Neujahr in fast allen Privathaushalten Rahm-, Käs- und Birnenfladen gebacken wurden. Diese gab man den Angestellten als Weihnachtsgeschenk. Aber auch die Bäcker verschenkten ihrer treuen Stammkundschaft solchen Fladen. Wann dieses „früher“ genau war, erwähnt das Idiotikon leider nicht.

Dörrobst allgemein war während Jahrhunderten ein wesentlicher Bestandteil der Mahlzeiten in der Schweiz. Bis zur Einführung des Kühlschranks im Privathaushalt in den 1950er Jahren war das Dörren von Früchten von zentraler Bedeutung für den Speisezettel der Schweizerinnen und Schweizer. In jedem Bauernhaus stand eine Holztruhe mit Dörrfrüchten als eiserne Reserve für den Winter. Und so liest man im „Schweizer-Bauer“ im Jahr 1859: „Es wurde in früherer Zeit weit mehr vorgenommen als jetzt, obschon auch heute noch der Stolz mancher Bäuerin darin besteht, unter anderm auch ansehnliche Kasten voll dürren Obstes zu besitzen und vorweisen zu können.“ Aber was ist denn nun dieses „Schlorzi“? In den neueren Rezepten wird „Schlorzi“ mit „Füllung“ und „Guss“ gleichgesetzt. Ein Blick ins Idiotikon zeigt, dass man dies zu Recht so macht. Ein „Schlorzi“ oder ein „Geschlörz“ steht für „verschiedene untereinander gekochte oder gemengte Speisen“ und ist „weniger flüssig als Geschlüder“. Es ist ein „Mischmasch von Speisen“. Das „Schlörzi“ wird als „breiartige Flüssigkeit“ beschrieben. Für den hausgemachten Schlorzi existiert kein einheitliches Rezept. Wesentlich sind die Dörrbirnen, möglich ist ein Anteil von Dörräpfeln. Gewürzt wird mit Anis, Zimt und Birnbrotgewürz. Als Flüssigkeit wird Wasser, Wein, Obstbranntwein, Kräuterschnaps, Süssmost oder weisser Traubensaft verwendet. Diese Fladen mit Dörrbirnenmus waren um 1900 offenbar nicht nur in der Ostschweiz verbreitet. In Susanna Müllers „Fleissiges Hausmütterchen“ aus dem Jahr 1906, einem Ratgeber für junge Hausfrauen, der in der ganzen Deutschschweiz, ja selbst in Berlin und Russland, eine Leserinnenschaft fand, sind zwei Rezepte für Birnenfladen aufgeführt. Die Kochbuchautorin stammte zwar aus einer Bauernfamilie aus dem st. gallischen Wattwil. Den Birnenfladen bezeichnet sie in ihrem Buch jedoch nicht als regionale Spezialität.

Eine eindeutige regionale Zuordnung des Birnenfladens fand wohl erst nach dem 2. Weltkrieg statt. So ist etwa in der „Goldenen Kochfibel“ aus dem Jahre 1947 der Birnenfladen als Spezialität aus dem Kanton Appenzell Innerrhoden beschrieben.

Das Regionalstudio Ostschweiz vom Schweizer Radio DRS machte im Sommerprogramm des Jahres 1996 eine Sendung über den Schlorzifladen. Dieser, so war dort zu hören, wäre beinahe in Vergessenheit geraten. Doch 1978 haben ihn die Hobbyköche der Lichtensteiner „Bereflade-Chuchi“, ein Ostschweizer Verein von Hobbyköchen, wieder entdeckt und gefördert.

Produktion

Viele Bäcker verwenden heute für ihren Schlorzifladen fertige Birnenweggenmasse von der Einkaufsgenossenschaft. Diese Masse enthält über 40 Prozent Birnen und ist in der Konsistenz um einiges feiner als eine hausgemachte Masse, die mit Hilfe des Fleischwolfs hergestellt wird. Der besuchte Konditor produziert den Schlorzifladen immer am Freitag, am traditionellen Wähentag. Er nimmt für den Schlorzifladen einen Kuchenteig bestehend aus Mehl, Margarine, Salz, Wasser und etwas Zucker. Die Margarine vereinfacht die Arbeit des Konditors, denn der Teig ist leichter zu verarbeiten.

Der ausgewallte Kuchenteig wird in das gefettete Kuchenblech gelegt. Mit der Gabel sticht der Konditor ihn mehrmals ein. Anschliessend verteilt er die Birnenmasse darauf. Nun kommt schon der Guss: In ihm stecken sozusagen die Eigenheiten jedes Betriebes. Der Konditor verrührt Eier, Eigelb, Mehl, Kaffeerahm und Salz in der Schüssel glatt, es darf kein Klümpchen vorhanden sein. Nun folgt die Milch. Den Rahm schlägt er luftig und zieht ihn vorsichtig unter die Masse. Den Guss giesst er nun über den Schlorzi. Danach wird der Schlorzifladen bei 220 Grad Celsius während 50 Minuten im Ofen gebacken. Der fertige Fladen hat eine samtige, nicht zu dunkle Oberfläche.

Konsum

Heute isst man den Schlorzifladen im Appenzellerland und dem Toggenburg als kleine Mahlzeit. Er schmeckt lauwarm oder warm am Besten. Dann kommt der Birnengeschmack sehr gut zur Geltung, der Rahmguss hat dann auch etwas Samtiges, Crèmiges.

Traditionell wird der Schlorzifladen in der Hüslinacht, so heisst die Silvesternacht im Obertoggenburg, konsumiert. Er wird oft mit Schlagrahm garniert. Es ist zu lesen, dass der Schlagrahm nicht nur eine kulinarische Aufgabe hatte, sondern auch eine symbolische: Jeder Tischgast nahm einen Löffel voll Schlagrahm und warf den Rahm hinter sich und damit auch alle Sorgen des alten Jahres. So konnte er unbelastet das neue Jahr beginnen. Dieser Brauch ist dem besuchten Konditor jedoch nur noch von Erzählungen bekannt.

Eine Frau aus Herisau, geboren in den 1920er Jahren, erinnert sich an die Schlorzifladen ihrer Kindheit. Ihre Mutter backte den Fladen selber und verwendete dazu die Dörrbirnen vom eigenen Hof. Besonders dafür geeignet seien gemäss ihrer Aussage die Herbstlängler. Gegessen wurde der Schlorzifladen als Alltagsspeise, vor allem am Freitag.

Auch am ersten Fasnachtssonntag, am so genannten Chüechlisonntag, tischte man gerne einen Schlorzifladen auf.

Die traditionelle Backmasse aus gedörrtent Birnen ist nicht aus der Mode gekommen.

Wirtschaftliche Bedeutung

Beim besuchten Toggenburger Bäcker-Konditor kommt der Schlorzifladen in der wirtschaftlichen Bedeutung nach dem Mandelfisch und steht vor dem Zimtfladen.

Die Hauptsaison des Schlorzifladens ist der Dezember, vor allem die Silvesternacht. In der übrigen Zeit macht ihn der Konditor, ausser am Freitag, nur auf Bestellung, je nach Anzahl der Personen, passt er die Grösse des Fladens an.

... anderes

Der Schlorzifladen wird auch Doppelfladen genannt, eine Anspielung auf die zwei Schichten des Belags: Die Birnenmasse als erste und die Rahmmasse als zweite. Der einfache Fladen ist dementsprechend der Rahmfladen.

Literatur

  • Müller, Susanna,   Das fleissige Hausmütterchen. Mitgabe in das praktische Leben für erwachsene Töchter,   Verlag von Emil Wirz,   Aarau,   1906.  
  • Weibel-Gemsch, Inge,   Das Kochbuch aus der Ostschweiz,   Wolfgang Hölker,   Münster/Zürich,   1978.  
  • Hanselmann, Kurt,   Sanggaller Chuchi,   St. Gallen,   1991.  
  • Kulinarische Reise durch die Ostschweiz.,   Ostschweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft,   St. Gallen,   1996.  
  • Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache,   Staub, Friedrich et al..  
  • Bäuerinnenverband Appenzell Innerrhoden<BR />Landfrauenverband Appenzell Ausserrhoden,   Appenzeller Frauen kochen. 242 ausgesuchte und erprobte Rezepte von Bäuerinnen und Landfrauen aus den beiden Halbkantonen,   Oberdiessbach,   1998.  
  • Graf, Rosa,   Goldene Kochfibel,   Otto Walter AG,   Olten,   1947.  
  • Jost, Trudy,   Kochbuch für einfache und bessere Küche,   Säntis Verlag,   Urnäsch,   1950.  
  • Menüzauber im Appenzellerland: Eine Sammlung von Rezepten aus Appenzeller Küchen,   Hotelier-Verein beider Appenzell,   Herisau,   1993.  
  • Tschudi, P. und M. Zwicky,   Der Schweizer-Bauer. Ein landwirtschaftliches Handbuch für den Bauersmann,   Verlag von J.J. Christen,   Aarau,   1859.  
  • Brenneisen, Willy,   Gut Essen, das neue Kochbuch,   Walter-Verlag,   Olten,   1960.  
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