Sprache
Suche

Sensler Rua-Brot

Rua-Brot, Rüa, Freiburger Kantonsbrot

Sensler Rua-Brot

In Kürze

Das knusprige, eher dunkle Rua-Brot aus dem Kanton Freiburg ist ein rundes Fladenbrot, das sich aus drei Mehlsorten zusammensetzt: aus Halbweissmehl, Ruchmehl und Roggenmehl. Das optische Merkmal des Rua-Brotes ist die quadratische Markierung der Teigoberfläche. Sie entsteht, indem der Produzent vor dem Backgang waag- und senkrechte Linien mit einem schmalen Rundholz in den Teig eindrückt. Typisch ist auch eine stark mit Mehl bestäubte Rinde.

Das Rua-Brot gilt als eigentliches Freiburger Kantonsbrot. Das Rua-Brot ist aber längst nicht mehr täglich und überall anzutreffen. Im französischsprechenden Kantonsteil beispielsweise ist die Cuchaule (siehe entsprechende Fiche), ein rundes Safranbrot, weit bekannter und populärer. Im deutschsprachigen Sensebezirk liegt das Rua-Brot zwar häufiger in den Auslagen der Bäckereien, aber auch da ist die Konkurrenz gross. Ein besuchter Produzent in St. Antoni stellt das Fladenbrot zweimal wöchentlich her und erinnert sich, dass sein Vater es noch täglich fabriziert hatte, wobei Mitte des 20. Jahrhunderts die Brotvielfalt auch noch bedeutend geringer war.

Die Verwendung des Roggenmehls rückt das Rua-Brot in die Nähe des Walliser Roggenbrots, das ebenfalls fladenförmig ist. Ein Roggenmehlteig, der sehr kompakt ist, lässt sich eben nur schwer zu einem hohen Brot formen, da er weniger „klebt“ als ein Weizenmehlteig. Gemeinsam ist beiden Broten auch die Verwendung eines Vorteiges, der dem Brot eine aromatische Geschmacksnote und eine gute Frischhaltung beschert. Trotz dieser Gemeinsamkeiten sind die Unterschiede gross, gerade weil das Rua-Brot aus zwei weiteren Mehlsorten besteht, und das verwendete Roggenmehl im Gegensatz zum Walliser Brot fein gemahlen und schrotfrei ist. Der Teig des Rua-Brotes wird dadurch weicher und poröser als das ungemein kompakte Roggenbrot aus dem Wallis, das wiederum viel länger haltbar ist.  

Der Dialektausdruck „Rua“ bezieht sich laut dem „Senslerdeutschen Wörterbuch“ auf die kreisförmige Form und leitet sich vom lateinischen Ausdruck „rota“ ab, der so viel wie Rad bedeutet.

Beschreibung

Ein rundes Fladenbrot aus Roggen-, Halbweiss- und Ruchmehl, dessen Oberfläche mit einem quadratischen Muster markiert ist.

Zutaten

Roggenmehl, Ruchmehl, Halbweissmehl, Wasser, Salz und Backhefe

Geschichte

Die früheste schriftliche Erwähnung geht ins Jahre 1909 zurück und ist im sechsten Idiotikonband zu finden. Von der Form her wird das „Rüj“ damals so beschrieben, wie wir es heute kennen: Als „flaches, scheibenförmiges Backwerk, auf der Oberfläche oft mit dem Messer in Vierecke geteilt.“ Sehr interessant sind auch die Angaben zur Herstellung und zum damaligen Konsum des Brotes: Das „Rüj“ sei ein „etwa zolldickes, ausgebackenes Brot aus rauem Mehl, das in nicht gar grosser Menge im Frühling hergestellt und mit Vorliebe auf die Alp mitgenommen wird, da es weniger schimmelt als Brot von gewöhnlicher Form; im Sommer wird es so hart, dass es zerschlagen und in Milch aufgeweicht werden muss.“

Die im Idiotikon hervorgehobene lange Haltbarkeit lässt darauf schliessen, dass es sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch um ein reines Roggenbrot gehandelt hat. Roggenbrote sind in Vergleich zu anderen Brotsorten länger haltbar, weil sie mit einem sauren Vorteig angereichert werden. Die dadurch im Brot enthaltene Säure macht es weitgehend resistent gegen Verschimmelung und verhindert ein schnelles Austrocknen. Das heutige Rua-Brot ist wegen seinem noch immer vorhandenen Roggenmehlanteil zwar länger haltbar als ein reines Weizenmehlbrot, trocknet nach ein paar Tagen aber ebenfalls aus. Ein weiteres Indiz, das für ein reines Roggenmehlbrot spricht, ist die Tatsache, dass im Freiburgischen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein rege Roggen angebaut wurde. Roggen erträgt Trockenheit und Frost weit besser als etwa Weizen; deshalb wurde und wird er gerade in Regionen mit einem rauen Klima sowie in höheren Lagen, etwa im Wallis oder Bündnerland, gerne angebaut. Weizenmehl hingegen war in diesen Regionen kaum vorhanden, es musste importiert werden. Dieses „Luxusprodukt“ konnte sich lange nicht jeder leisten. Daher galt das Roggenbrot lange als „Armeleute-Brot“, wie der besuchte Bäcker erzählt.

Tatsächlich finden wir in der Literatur einen Hinweis darauf, dass das heutige Rua-Brot eine neuere Variante des alten Roggenbrotes aus dem Sensebezirk ist. In der Broschüre „Kantonsbrote“ aus dem Jahre 1985 wird nämlich erwähnt, dass das Rua-Brot, „erst kürzlich modifiziert (wurde). Neu sind Roggen-, Halbweiss- und Ruchmehl gemischt eingesetzt.“ Offensichtlich hat sich der Schweizer Bäckermeister-Verband, der die Kantonsbrote laut der erwähnten Broschüre im Jahre 1950 anlässlich einer Fachmesse in Lugano lanciert hatte, von einem modifizierten Rua-Brot als Vertreter des Kantons Freiburg mehr Erfolg erhofft. Über die Kantonsgrenzen hinaus hat sich das Rua-Brot oder eben das Freiburger Kantonsbrot aber nie etablieren können. Dies im Gegensatz zu anderen Kantonsbroten, wie etwa dem Basler Brot, dem St. Galler Brot oder dem Weissbrot aus dem Tessin, die annährend schweizweit bekannt sind.

Kommen wir nochmals auf das Alter des Brotes zu sprechen. Es ist sehr gut möglich, dass das Rua-Brot schon viel früher als zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebacken und konsumiert wurde. Roggenbrote gab es schon im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, wie man im Buch „Brot und Stadt“ nachlesen kann. Das Rua-Brot gehört aber eher in die bäuerliche Hausbäckerei als in die städtische Gewerbebäckerei, zumal der Sensebezirk, wo das Brot herkommt, bis heute stark ländlich und landwirtschaftlich geprägt ist.

Auch die traditionelle Herstellungsart des Rua-Brotes verweist in die bäuerliche Lebenswelt. So wird das Rua-Brot im „Senslerdeutschen Wörterbuch“, das im Jahre 2000 herausgebracht wurde, als „Fladenbrot, meist aus Teigresten angefertigt“ beschrieben. Dies bestätigt auch eine uns vorliegende handschriftliche Notiz einer Sensler Bäuerin, die sich an das Brotbacken ihrer Kindheit in den 1930er-Jahren erinnert: „Nachdem der Brotteig zu Laiben geformt war, wurde die hölzerne Teigmulde gereinigt. Mit einem Schaber wurden die spärlichen Teigreste zusammengekratzt und zu einem Fladen geformt, wie etwa das Walliser-Roggenbrot. Am Backtag ass man es dann zum z’Nacht.“ Heutzutage, wo das Rua-Brot in den Berufsbäckereien hergestellt wird, verwendet man einen frisch angesetzten Teig.

Produktion

Die Produktion des Rua-Brotes beginnt bereits am Vorabend mit dem Ansetzen des Vorteigs. Dazu werden die drei Mehlsorten mit Wasser und Hefe zu einem Teig vermischt, geknetet und über Nacht stehen gelassen. „In dieser Zeit arbeitet der Teig, er entwickelt wichtige Aromastoffe, eine leichte Gärung setzt ein“, erklärt der Produzent, „all das kommt dem Geschmack des späteren Rua-Brotes zu Gute. Und macht es länger haltbar.“

Dieser Vorteig wird am nächsten Tag unter den neu angesetzten Teig gemengt, der ebenfalls aus Roggenmehl, Halbweissmehl und Ruchmehl sowie Wasser und Backhefe gewonnen wird, aber zusätzlich etwas Salz enthält. „Würden wir Salz schon im Vorteig verwenden, würde das die Aromaausbildung hemmen“, erläutert der Produzent. Nach dem Kneten lässt man den Teig für rund eine Stunde ruhen, wobei er sich von den Belastungen erholen kann und wegen der Hefetätigkeit schon etwas aufgeht. Schliesslich wiegt der Bäcker jeweils 500 Gramm schwere Teiglinge ab und formt diese von Hand zu einem runden Laib. Erneut wird den Teiglingen eine Ruhepause gegönnt, um weitere Aromastoffe ausbilden zu können. Kurz vor dem Backgang führt der Bäcker zwei wichtige Schritte aus, die dem Rua-Brot sein typisches Aussehen verleihen. Er presst die runden Teiglinge, die weich und gut formbar sind, von Hand zu einem flachen Fladen und drückt mit einem Rundholz je vier waag- und senkrecht Linien in den Teig, um so die Oberfläche quadratisch zu markieren. „Das Rua-Brot lässt sich nach dem Backen schön von Hand in einzelne, quadratische Teile brechen“, führt der Produzent aus und bestäubt die Teiglinge grosszügig mit Mehl. Erst danach werden die Teiglinge in den 240 Grad heissen Ofen geschoben, um nach 45 Minuten mit einer schönen, bemehlten Kruste und der gut sichtbaren quadratischen Markierung herausgezogen zu werden.

Neben den einpfündigen Rua-Broten stellt der Produzent auch Kleinbrote von etwa 80 Gramm Gewicht her, die ebenfalls flach und rund sind. Diese Kleinbrote werden vor allem für Sandwiches gebraucht.

 

Konsum

Zu salzigen Beilagen wie Käse oder Fleisch. Die Kleinbrote beispielsweise werden zu Speck- und Rohschinken-Sandwiches verarbeitet. Aber auch zum Frühstück eignet sich das Fladenbrot mit seinem eher neutralen Geschmack sehr gut.  Beliebt ist das Rua-Brot auch im Sommer zum Picknick oder einer Grillade, weil sich das Brot so gut von Hand in Teile brechen lässt.

Wirtschaftliche Bedeutung

Zweimal wöchentlich stellt der besuchte Bäcker Rua-Brote her, 15 Stück unter der Woche, 30 am Samstag. Dazu kommen jeweils rund ein Dutzend der 80 Gramm schweren Kleinbrote, die für Sandwiches gebraucht werden.

Literatur

  • Währen, Max,   Unser täglich Brot in der Geschichte und im Volksbrauch,   Verlag des Schweiz. Bäcker- und Konditorenmeisterverbandes,   Bern,   um 1951.  
  • Schnieper, Claudia<BR />Jaray, Peter,   Festliches Schweizer Gebäck. Rezepte und Traditionen aus allen Kantonen,   Mondo-Verlag,   Vevey,   2006.  
  • Vogt, Ernst, Ludwig M. Raith, Bruno Heilinger und Jakob Viel,   Der Schweizer Bäcker-Konditor. Handbuch für das gesamte Bäckerei- und Konditoreigewerbe. Band 1,   Thun,   1944.  
  • Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache,   Staub, Friedrich et al..  
  • Jedem Kanton sein Brot, jedem Brot seine Eigenheiten,   Schweizer Brot AG,   Bern,   2002.  
  • Kantonsbrote,   Fachschule Richemont Luzern,   Luzern,   1985.  
  • Vom Korn zum Brot,   Schweizerische Brotinformation,   Bern,   2005.  
  • Brot: LehrerInnen-Handbuch,   Schweizerische Brotinformation,   Bern,   1999.  
Konditorei- und Backwaren Drücken

Produktionsepizentrum

Kanton Freiburg, vor allem im deutschsprachigen Sensebezirk

Map