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Taillaule

Torche, gâtelet.

In Kürze

Die «taillaule» ist ein Hefegebäck ohne oder mit Rosinen. Die Neuenburger zählen sie mit Recht zu den Leitsternen ihres kulinarischen Erbes. Trotzdem findet man sie auch im Kanton Waadt, und dies erst noch seit langem. Im Neuenburgischen präsentiert sich dieses Produkt durch grosse Homogenität in Name, Form und Inhalt, im Waadtland dagegen nicht. Die Taillaule im westlichen Kantonsteil gleicht jener aus Neuenburg. In den Waadtländer Voralpen nennt man sie eher «gâtelet», wobei dieser Name auch ein anderes Produkt bezeichnen kann. Im Lavaux und im Jorat heissen die Taillaules «taillé levé», «gâteau levé» oder «torche» … aber nochmals: Auch diese Namen können etwas Anderes meinen. Im Vully (FR, VD) bedeutet das Wort «taillaule» eine «taille aux greubons», die Taillaule heisst dafür «cuchaule» oder «pain aux raisin».

Beschreibung

Neuenburg: Hefegebäck mit getrockneten Rosinen und Zitronenzeste, normalerweise in einer Form gebacken und auf der Oberfläche zopfähnlich eingeschnitten.

Waadt: In den Familien ein Hefegebäck in Ringform, in den Bäckereien eine abgeplattete Kugel. Enthält keine Rosinen und wird nie in einer Backform in den Ofen geschoben. Die Oberfläche wird gar nicht eingeschnitten oder, so sie als abgeplattete Kugel erscheint, nur leicht, schachbrettartig wie eine Freiburger Cuchaule.

Variationen

Es gibt sie mit oder ohne Rosinen. Man kann diese vor Verwendung auch in Rum ziehen lassen.

Zutaten

Mehl, Salz, Zucker, Butter, Zitronenzeste, Eier, Hefe, Rosinen (fakultativ).

Geschichte

Die Taillaule hatte bereits im 18. Jahrhundert ein gewisses Renommee, denn sie figurierte auf den Menüs verschiedener offizieller Neuenburger Essen in dieser Epoche, was bedeutet, dass sie entweder ein Luxus- oder ein Festschmaus war. In seinem Buch Le mangeur neuchâtelois erwähnt Michel Schlup ein offizielles Mahl, gegeben am 21. Juli 1748, an dem auch eine «taillole» serviert wurde (die Schreibweise «taillaule» taucht laut Dictionnaire suisse romand erst 1907 auf). Dazu liefert er auch ein Rezept, das in der genannten Epoche datiert oder wenig später. Die genannten Zutaten waren mehr oder weniger dieselben wie heute. Ihre Güte bestätigt den erhöhten Status, den dieses Gebäck gehabt haben musste: Mehl, Zucker, frische Butter, Eier und Rahm (den man heute im Prinzip nicht mehr dazu gibt). Das gleiche Rezept präzisiert auch, dass man den Teig gehen lassen muss; die Verwandtschaft mit dem heutigen Teig ist also sehr deutlich.

Was in diesem Rezept freilich fehlt, sind die Rosinen. Heute sind beide Versionen möglich, mit oder ohne Rosinen. Aber im Kanton Neuenburg hat die zweite die erste Version verdrängt; das war nicht immer der Fall, glaubt man den Zeugnissen, die wir gesammelt haben. Es scheint auch, dass für die Waadtländer Taillaules nie Rosinen eingeführt wurden, ausser in den Regionen nahe am Kanton Neuenburg. Diese «Luxus-Variante» entwickelte sich mit Sicherheit in den Städten, die reicher waren als das Land, und ist auf alle Fälle älter als man annehmen könnte: Eine Confiserie in Valangin NE stellt sie seit der Eröffnung 1874 ausschliesslich mit Rosinen her. Diese Tatsache sowie die Präsenz der Taillaule in den erwähnten Speisefolgen suggerieren, dass dieses Gebäck ohne Zweifel nie eine bäuerliche oder volkstümliche Spezialität war. Man braucht sich nur die Liste der Ingredienzen vor Augen zu halten: Im 18. und 19. Jahrhundert verfügten die Bauernfamilien nicht immer über Butter, Rahm, Eier, Zucker und nicht einmal über Mehl.

Die Form der Taillaule hat sich ebenfalls entwickelt. Zwar wird sie heute im Kanton Neuenburg zumeist in einer Form gebacken, doch wurde sie ursprünglich ringförmig fabriziert und später als leicht abgeplattete Kugel, vergleichbar mit einer Freiburger Cuchaule. Die heutige Form dürfte sich im Kanton Neuenburg in den 1960-Jahren verbreitet haben. Ringförmige Taillaules findet man im Kanton Waadt (auch als «taillé levé», «aufgegangener Taillé», bekannt), vor allem in den Familien, während die leicht abgeplatteten Kugel eher in den Bäckereien hergestellt werden.

Zu vermerken ist noch, dass die Taillaule während des Zweiten Weltkriegs wegen den Lebensmittelrationierungen ohne Butter produziert wurde; heute ohne Belang.

Produktion

Hefe mit etwas Mehl in Milch oder Wasser – je nach Rezept mit etwas Zucker – auflösen. An einem temperierten Ort ruhen lassen, bis dieser Hebel doppeltes Volumen erreicht hat. Die einen empfehlen eine halbe Stunde, andere ein paar Stunden. Das ist abhängig von der Raumtemperatur – je höher sie ist, desto rascher steigt der Teig.

Mehl in ein grosses Gefäss geben. Den Vorteig unter Rühren beigeben; wenn man etwa einen Drittel der Teigmenge hat, die aufgeweichte Butter (Raumtemperatur), den Zucker, die Zitronenzeste, das Salz, das geschlagene Ei und die Rosinen (wenn man sich dafür entschieden hat) einmischen. Den Teig kneten und schlagen bis er schön glänzt und nicht mehr an der Schüssel klebt. Mit einem feuchten Tuch bedecken und eine gute Stunde ruhen lassen. Rosinen kann man auch nach der Ruhephase dazugeben. Die Butter darf nie flüssig oder warm verwendet werden, sonst umschliesst sie die Hefepartikel und verhindert, dass diese richtig arbeiten.

Teig in eine gebutterte Cakeform geben und bedeckt eine weitere Stunde an einem frischen oder gar kalten Ort ruhen lassen, bis der Teig über den Cakeformrand herausquillt. Die Kälte lässt den Teig fester werden, was für die nächste Etappe von Bedeutung ist, dem Einschneiden. 

Mit einer Schere die Oberfläche einschneiden, mit einer Messerspitze Salz verschlagenes Eigelb darauf pinseln und im auf 190-200°C vorgeheizten Ofen 40 bis 50 Minuten backen.

Die Proportionen der verschiedenen Zutaten spielen für die Konsistenz des Teigs eine grosse Rolle. «Will man eine geschmeidige und flaumige Krume, darf man nicht mit Butter knausern. Nimmt man aber zuviel Butter, macht sie den Teig schwer, so dass er nicht mehr richtig aufgeht und die Taillaule flacher wird mit einer bröselig-brüchigen Krume, ein bisschen wie ein Biscuit. Das gilt auch für die Eier: Gibt man zu viel in den Teig, wir die Krume poröser und trocknet schneller aus. Dies schreibt Francis Grandjean in Recettes du terroir neuchâtelois.

Wie weiter oben erwähnt, hat die «taillaule vaudoise» im allgemeinen ihre runde und abgeflachte Form behalten. Ausserdem wird die Oberfläche weniger tief eingeschnitten als bei der Neuenburger Taillaule und gleicht einem Schachbrettmuster, ähnlich wie bei der Cuchaule.

Konsum

Im Kanton Neuenburg wird die Taillaule prinzipiell am Sonntag zum Frühstück gegessen. Man schneidet sie in stämmige Tranchen und bestreicht diese mit Butter. Man kann auch Konfitüre dazugeben. Begleitet wird sie vom ewigen, der Bauernschaft im ganzen Juragebiet so lieb und teuren Milchkaffee. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts begründete die Kombination «café au lait – taillaule» das Frühstücksglück der besseren Gesellschaft Neuenburgs. In Coutumes gourmandes de Suisse steht dazu: «Was das Frühstück betraf […], zählte man generell auf Taillaule, Brot, Butter, Honig und Kaffee. In der einfachen Gesellschaft war das Backen der Taillaule – reich an Butter, Eiern und Zucker – für die Feiertage reserviert. Man gab nicht immer Rosinen und kandierte Zitronenschale dazu, denn es handelte sich um ein Luxusprodukt, reichlich teuer, aber man gab grosszügig Rahm in den Teig. […] In der Schweiz wurde der Milchkaffee schnell das bevorzugte und regelmässige Getränk der Bürger wie der Bauern, während Tee und Schokolade noch lange den vermögenden Leuten vorbehalten waren. In den Salons konsumierte man sie vorzugsweise gegen den Spätnachmittag, würdig begleitet von der Taillaule.»

Im Atlas der schweizerischen Volkskunde heisst es, «die gâteaux levés, taillés, taillôles sind ausgesprochenes Weihnachts-Neujahrsgebäck». Weitere, mündliche wie schriftliche Quellen bestätigen diese Aussage für den Kanton Waadt; doch im Kanton Neuenburg verbindet keine Quelle die Taillaule mit einem der genannten Ereignisse, auch wenn sie wie gesagt mit Sonn- und Feiertagen assoziiert wird. Im Kanton Waadt wird sie nicht oder nicht mehr zum Frühstück gegessen. Die befragten Mitglieder der Association des paysannes vaudoises [Waadtländer Bäuerinnenverband] erklären, dass die Taillaule durch den Zopf ersetzt worden sei. Man esse sie vielmehr aus purem Genuss.

Wirtschaftliche Bedeutung

Die Neuenburger Bäckereien produzieren etwa fünf Tonnen Taillaule pro Jahr und Betrieb (2008). Man findet sie in den meisten Bäckereien.

Die selbstgebackene Taillaule ist immer noch verbreitet, wenn auch nicht allzu häufig – sie gilt als Gebäck, das schwierig zu meistern ist.

... anderes

In Elixirs et merveilles versichert Esther Borel De Bitche, dass der Name «taillaule» vom spätlateinischen «taliare» komme, das «tailler» bedeute, zerschneiden. Die Herleitung des Namens bezieht sich auf die Tatsache, dass man die Oberfläche der Taillaule tief (mehrere Zentimeter) einschneidet, bevor man sie mit Eigelb bestreicht und in den Ofen schiebt.

Zum gleichen Thema meint der Dictionnaire suisse romand, «Wartburg hat dieses Wort den Wandlungen von taliare beigeordnet, aber die semantische Begründung der Verbindung bleibt obskur. Nach einer Hypothese, die A. Godet 1885 (v. Pier.) formuliert hat, handelte es sich um die metaphorische Anwendung des provenzalischen Taiolo, <eine Art Gürtel> (die Taillaule präsentierte sich einst als Krone). Diese Grundform, die schon im Altprovenzalischen in Form von talhola erwiesen ist, ging ab 1665 ins Französische über als taillole (<Schärpe, Gürtel>); v. FEW. Pierrehumbert wendet dagegen ein, diese Annäherung habe nur Wert, wenn <man zeigen kann, über welche Schiene das Provenzalische nach Neuenburg geraten ist>».

Literatur

  • Francis Grandjean,   Recettes du terroir neuchâtelois: De nos arrière-grand-mères au nouveau millénaire,   H. Meseiller SA,   Neuchâtel,   2002.  
  • North, Marcel<BR />Montandon, Jacques,   Neuchâtel à table. Légende, histoire et vérité de la gourmandise en pays de Neuchâtel,   Ides et Calendes,   Neuchâtel,   1973.  
  • Knecht, Pierre,   Dictionnaire suisse romand,   Zoe,   1997.  
  • Schnieper, Claudia et Peter Jaray,   Coutumes gourmandes de Suisse,   Mondo,   2006.  
  • Borel de Bitche, Esther; Bolens, Lucie (éd.),   Elixirs et merveilles: un manuscrit inédit sur la cuisine bourgeoise en Suisse romande à la fin du XVIIIe siècle,   Zoé,   Genève,   1984.  
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