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Urner Alpkäse

In Kürze

Der Urner Alpkäse ist ein vollfetter Halbhartkäse aus Rohmilch. Ein Laib wiegt zwischen sechs und acht Kilogramm, was einem Durchmesser von etwa 30 Zentimetern entspricht. Der Käseteig ist praktisch blind, weist also eine spärliche Lochung auf. Im Handel ist der Urner Alpkäse sowohl in milder, würziger als auch rezenter Form erhältlich.

Wie alle Schweizer Alpkäse unterliegt auch der Urner der Berg- und Alp-Verordnung. Demnach darf die Kennzeichnung „Alpkäse“ nur verwendet werden, wenn die Milch während der Alpsaison im Alpgebiet erzeugt und verarbeitet wurde. Die Rohmilch muss dabei von Kühen stammen, die auf einer Alpweide frei weiden können.

Verbreitet ist der Urner Alpkäse vorwiegend in seinem Heimatkanton Uri. Über den Grosshandel ist er allerdings auch in der übrigen Deutschschweiz teilweise erhältlich, zudem findet man ihn in ausgesuchten Spezialitätengeschäften.

Der Urner Alpkäse zählt zur Familie der halbharten Alpkäse, die bereits nach zwei bis drei Monaten in den Handel kommen. Zur gleichen Familie gehören die Ostschweizer und meisten Innerschweizer. Alpkäse aus dem Berner Oberland, dem Waadtland oder aus Obwalden und Fribourg sind dagegen Hartkäse, die länger reifen und etwas breiter im Geschmack sind.

Beschreibung

Der Urner Alpkäse ist ein vollfetter Halbhartkäse aus Rohmilch. Ein Alpkäselaib ist rund 6 bis 8 Kilogramm schwer.

Zutaten

Rohmilch, Milchsäure-Bakterienkulturen, Lab. Später Salz und Wasser für das Salzbad und die Pflege der Rinde.

Geschichte

Eine frühe Kunde der Alpkäserei in Uri stammt von einer landeskundlichen Beschreibung der Zentralschweiz aus dem Jahre 1479. Die erwähnten Käse sind allerdings nicht weiter beschrieben. Es dürfte sich jedoch um einen mageren Weichkäse aus gesäuerter Milch gehandelt haben. Fetthaltige Labkäse waren im 15. Jahrhundert in der Zentralschweiz noch kaum verbreitet. „Der eigentliche Durchbruch vom leicht verderblichen Weichkäse zum länger haltbaren Hart- und Halbhartkäse gelang Mitte des 17. Jahrhunderts“, heisst es dazu in einem Artikel der Zeitschrift „Montagna“ über den „Urner Alpkäse“.

Im 18. und 19. Jahrhundert tauchen dann schriftliche Belege zur Käserei in den Urner Alpen auf, die detailliert Auskunft über die Herstellung und das Aussehen der Käse liefern. Aufzeichnungen des Pfarrers Hans Rudolf Schinz über das „Schweizerland“ aus dem Jahre 1783 beschreiben den Käse aus Uri als „sehr fest und dicht gemacht, wodurch er seine Haltbarkeit (…) bekömmt.“ Er wurde daher auch „Brintz“ genannt, in Anlehnung an den extraharten, sehr lange haltbaren Sbrinz. Auch Karl Franz Lusser deutet in seinem „Gemälde der Schweiz. Der Kanton Uri“ aus dem Jahre 1834 die Nähe zum Sbrinz an: „Den folgenden Tag wird der Käse nach dem Speicher getragen, und da täglich mit Salz eingerieben und auf luftigen Gestaden getrocknet.“ Diese harten, stark gesalzenen Käse waren offensichtlich für den lukrativen Export nach Oberitalien gedacht, der über den Gotthard-Pass vollzogen wurde.

In einem Reisebericht aus den 1820er-Jahren ist hingegen von einem Käse aus dem Urserntal die Rede, der „nicht stark gepresst“ und deshalb als „weicher“ vorgestellt wird. Diese Feststellung zeigt auf, dass es bis weit ins 19. Jahrhundert hinein keine klar definierbaren Käsesorten mit einheitlichem Charakter gab. Innerhalb der Käse, die man damals auf den Urner Alpen produzierte, waren die Variationen beträchtlich. Die Herstellung von hartem, transportfähigem Käse war gar nicht für alle Sennen in Uri möglich. Eine lohnende Käseproduktion erforderte mindestens 20 Kühe. Die kleineren Alpbetriebe stellten aus diesem Grunde weniger harte, kleinere Käse her, die für den Eigengebrauch und für die lokalen Märkte gedacht waren. Ihr Erbe ist der heutige Urner Alpkäse. Sbrinz hingegen wird im Urnerland nicht mehr produziert.  

Seit 1996 sind die meisten Urner Alpbetriebe in einer Genossenschaft zusammengefasst, die sich um die gemeinsame Vermarktung der Alpkäse kümmert, die Älpler aber weit gehend autonom käsen lässt.

Produktion

Der Urner Alpkäse zählt zur Familie der halbharten Alpkäse, die alle den gleichen Produktionsprozess durchlaufen. Dass innerhalb der Familie trotzdem geschmackliche Unterschiede existieren, ist auf verschiedene Gründe zurückzuführen. So verändert sich – wie bei jedem Käse – auch bei den halbharten Alpkäsen der Geschmack je nach Reifegrad. Kommt er nach zwei bis drei Monaten in den Handel, ist er angenehm mild. Lässt man ihn länger reifen, wird er würziger und nach einem halben Jahr allmählich rezent. Ausserdem weist die Rohmilch auf jeder Alp ihren eigenen, typischen Geschmack auf, je nachdem, welche Alpenkräuter die Kühe fressen. Hauptverantwortlich für den Geschmack sind schliesslich die Milchsäure-Bakterienkulturen, mit denen die Rohmilch vor der Verarbeitung geimpft wird. Sie verleihen den Urner Alpkäsen durch die Vergärung des Milchzuckers und den Eiweissabbau ihren typischen Geschmack. Die Bakterienkulturen werden von den Urner Älplern ausgehend von einer Stammkultur selbst nachgezüchtet. Deshalb schmeckt kein Urner Alpkäse wie der andere.

Für den Urner Alpkäse wird ein Gemisch aus über Nacht gelagerter und gekühlter Abendmilch und frischer Morgenmilch verarbeitet. Die Abendmilch ist dabei so abgerahmt, dass der gewünschte Vollfettgehalt erreicht wird. Das heisst, der Fettgehalt in der späteren Trockenmasse des Alpkäses sollte mindestens 45 Prozent betragen.

Um aus der Alpmilch einen lagerfähigen, halbharten Urner Alpkäse zu erlangen, muss der Milch einen grossen Teil der enthaltenen 87% Wasser entzogen werden. Den Grundstein dafür bildet das Labverfahren. Eine halbe Stunde nachdem der Käser bei 32 Grad das Lab, ein Enzym aus Kälbermagen, beigegeben hat, ist die Milch geronnen. Sie wird nun verschnitten, worauf es zum „Bruch“ kommt: Die geronnene Milch trennt sich in flüssige Sirte, auch Molke oder Schotte genannt, und feste Käsekörner, die vor allem Milchfett und -eiweiss enthalten. Damit den Körnern ausreichend Flüssigkeit entzogen werden kann, verschneidet sie der Käser beim Urner Alpkäse etwa kaffeebohnengross. Danach wird der Käsebruch unter permanentem Rühren auf 45 bis 47 Grad erwärmt, wodurch sich die Körner weiter zusammenziehen. „Würden wir einen Hartkäse herstellen, müssten wir die Körner noch kleiner verschneiden und auf über 50 Grad erhitzen, um ihnen noch mehr Flüssigkeit zu entziehen“, erklärt der Käser. Hartkäse können entsprechend länger gelagert werden, weil die Geschwindigkeit der Reifung und Bakterientätigkeit stark vom Wassergehalt der Käsemasse abhängt.

Daraufhin spannt er die Körner in eine runde Käseform, ins so genannte Järb. Mit einem Gewicht wird dort die restliche Sirte während 24 Stunden aus der Käsemasse gepresst – eine weitere Massnahme zum Flüssigkeitsentzug. Diese Laibe kommen nach dem Pressen für nochmals ein bis zwei Tage in ein Salzbad. Das Salz entzieht der Randpartie Wasser und setzt sich dort fest, es kommt zur Rindenbildung. Zudem wandert das Salz langsam in den Käseteig und wirkt so als Aromaträger.

Nun beginnt die Reifung in den Lagerkellern, wo die Käse in den ersten 1-2 Wochen täglich und später 2-3-mal wöchentlich von Hand gepflegt werden müssen. Mit Bürsten wird gesalzenes Wasser auf die „grünen“ Käse geschmiert, wobei eine natürliche Schmiereflora, bestehend aus Bakterien, Hefen und Schimmelpilzen, entsteht. Diese Schmiereflora baut Milchsäure ab, fördert die Aroma- und Geschmacksentwicklung, unterstützt die Rindenbildung, bildet die typisch rötlich-braunen Farbpigmente der Rinde und schützt den Käse vor Verschimmelung und anderen unerwünschten Mikroorganismen.

Bis zum Alpabzug im Herbst lagern die Käse im Spycher bei der Alp, dann im Tal im Keller der Bauernhäuser oder im grossen Keller der Genossenschaft. Ein gutes Kellerklima mit einer hohen Luftfeuchtigkeit von über 85% ist notwendig damit die Schmiereflora gut wächst und die Käse nicht austrocknen. Im kühlen Keller bauen die der Rohmilch zugegebenen Käsekulturen kontinuierlich das Eiweiss ab und bilden daraus Geschmacks- und Aromastoffe. Es darf in den Kellern nicht wärmer als 18 Grad sein, sonst könnten plötzlich Löcher und Fehlaromen im Teig entstehen.

Konsum

Konsumiert wird der Urner Alpkäse vorwiegend als Beilage zum Zmorge oder Znacht. Auch als Dessertkäse zu einem Glas Wein passt er hervorragend.

Wirtschaftliche Bedeutung

Wirtschaftlich gesehen ist Alpkäse der mit Abstand wichtigste Käse aus dem Urnerland. Mit grossem Abstand folgen die Produktion von Urner Bergkäse oder Mutschli.

Die Gesamtproduktion von Urner Alpkäse verteilt sich auf rund 60 Älpler und beträgt etwa 200 Tonnen. Knapp die Hälfte davon wird über den Gross- und Detailhandel ausserhalb des Kantons in die übrige Schweiz gebracht. Zur Förderung der Vermarktung haben sich rund 40 Produzenten in der Genossenschaft Urner Alpkäseproduzenten zusammengeschlossen. Einen Teil der Produktion verkaufen die Älpler auch direkt auf ihren Alpen oder ab Hof im Tal.

... anderes

Bevor Kühlschränke, Tiefkühlanlagen und Klimaanlagen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ganz neue Konservierungsmöglichkeiten boten, machte man sich im Kanton Uri die Natur zu Nutze. Wie wir im Buch „Vom Essen und Trinken im alten Uri“ (1970) von Karl Iten erfahren, hiess der „Kühlschrank“ der Urner einst „Nidler“: „Auf den Alpen gehört vielerorts ein unscheinbares, kleines Gebäude zum Lebensbezirk des Urners (…). (…) das Kühlhaus für die Milch und die Milchprodukte. Es ist etwa unter einem Felsblock in den Berg eingegraben (…), oder es ist sogar über einem munter plätschernden Bergbächlein errichtet, so dass das Wasser mitten durch das Gebäude hindurchfliesst.“

Goethe soll 1775, als er im Rahmen einer Reise in die Schweiz im Urserntal war, ausgerufen haben: „Trefflicher Käss. Sauwohl!“

Literatur

  • Montagna. Die Zeitschrift für das Berggebiet. 12/2000,   Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB),   Bern,   2000.  
  • Historisches Lexikon der Schweiz (HLS),   Historisches Lexikon der Schweiz,   Bern,   15.8.2006.  
  • Roth, Alfred G.,   Der Sbrinz,   Burgdorf,   1993.  
  • Die Alpkäserei und die Geschichte des Schweizer Käses,   Schweizerische Käseunion,   Bern,   1995.  
  • Montandon, Jacques,   Käse aus der Schweiz,   Lausanne,   1981.  
  • Schnieper, Robert,   Unser Käse. Ein Stück Schweiz,   Mondo Verlag,   Vevey,   1995.  
  • Iten, Karl,   Vom Essen und Trinken im alten Uri. Band 1, ein fröhlicher Streifzug durch die Urner Küche,   Buchdruckerei Gamma & Cie.,   Altdorf,   1970.  
  • Lusser, Karl Franz,   Der Kanton Uri. 4. Heft (Gemälde der Schweiz),   Huber und Compagnie,   St. Gallen/Bern,   1834.  
  • Gutzwiller, Karl,   Die Milchverarbeitung in der Schweiz und der Handel mit Milcherzeugnissen,   Buchdruckerei Kühn & Comp.,   Schaffhausen,   1923.  
  • Moser, Peter<BR />Brodbeck, Beat,   Milch für alle. Bilder Dokumente und Analsysen zur Milchwirtschaft und Milchpolitik in der Schweiz im 20. Jahrhundert,   hier + jetzt, Verlag für Kultur und Geschichte,   Baden,   2007.  
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