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Berner Zungenwurst (GGA/IGP)

Berner Zungenwurst (GGA/IGP)

In Kürze

Die Berner Zungenwurst ist eine Brühwurst aus Schweine- und Rindfleisch, Speck und Gewürzen, die mit einem gröberen Brät gezeichnet ist. Die gerade Wurst gibt es in verschiedenen Längen und hat ein Gewicht zwischen 250 und 500 Gramm.

Die Berner Zungenwurst wird vorwiegend in Metzgereien im Kanton Bern produziert, vereinzelt auch in anderen Kantonen. Konsumiert wird sie ebenfalls hauptsächlich im Kanton Bern. 

Entgegen ihrem Namen, ist in der Zungenwurst heute keine Zunge drin; in alten Rezepten dagegen schon.

Seit dem April 2019 ist die Berner Zungenwurst als Geschützte geografische Angabe (GGA/IGP) im Bundesregister der Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben eingetragen.

Beschreibung

Die Berner Zungenwurst ist eine Brühwurst aus zwei unterschiedlich feinen Brätsorten. Das gröbere Brät zeichnet dabei deutlich in einem feineren Grundbrät. Diese ganz gerade Wurst gibt es in verschiedenen Längen und hat ein Gewicht zwischen 250 und 500 Gramm.

Variationen

Es gibt eine rohe Version der Berner Zungenwurst. Die ist jedoch sehr selten! Je nach Metzger wird sie in einen Kunstdarm oder einen Naturfaserdarm eingefüllt.

Zutaten

Schweine-, Rindfleisch, Halsspeck, Pfeffer, Macis, Muskatnuss, Koriander, Kümmel. Die Gewürze sind je nach Metzger unterschiedlich.

Geschichte

Die älteste gefundene Erwähnung der Zungenwurst stammt aus dem Berner Kochbuch aus dem Jahr 1835. Als typischen Bestandteil der Berner Platte könnte es aber gut sein, dass die Anfänge der Berner Zungenwurst noch einige Jahre weiter zurückreichen. Diese beinahe schon sagenumwobene Berner Platte ist seit über 200 Jahre bekannt – so heisst es zumindest – historisch belegen lassen sich die beiden folgenden Geschichten nicht.

Die erste Geschichte datiert vom 5. März 1798: Als es den Berner Truppen bei Neuenegg gelang, die Franzosen über den Fluss Sense zu treiben, wollten die Frauen ihren Kämpfern endlich mal wieder den Teller mit etwas Rechtem füllen. Jede Frau suchte in ihren Vorräten. Zusammengekommen ist, was heute auf der Berner Platte zu finden ist. Damit jeder gleich viel Fleisch bekommen würde, wurde alles in nahezu gleich grosse Stücke geschnitten und auf das Gemüse gelegt.

Auch die zweite Geschichte handelt von einer Schlacht: Im Jahr 1712 zogen die bernischen Hilfstruppen, vor allem Männer aus der Waadt, nach der siegreichen Schlacht bei Villmergen heimwärts. Eine Truppe kehrte im Gasthof Bären in St. Niklaus bei Koppigen ein. Ein Offizier ohne Deutschkenntnisse versuchte mit Händen und Füssen beim Wirt, der kein Französisch verstand, eine Bestellung aufzugeben. Der Offizier meinte: „Bernois ... sont ... plat, ont faim!“, der Wirt verstand «Berner … Platte …, fein»! Somit kam das auf den Tisch, was gerade vorhanden war. 

Belegt ist die Berner Platte als solche wohl erstmals bei Alex Buchhofer im Jahre 1900 unter dem Eintrag "Berner Garnitur: Schönes gekochtes Sauerkraut wird mit Scheiben von sogenannter Zungenwurst und Stengel von gesalzenem, gekochtem Schweinsöhrli und -schnörrli belegt und zum betreffenden Gericht entweder apart serviert oder beigegeben."

Doch wie kam die Zungenwurst nun zu ihrem Namen? Dazu sind verschiedene Theorien im Umlauf. Eine Erklärung stammt von einem Metzger und wird augenfällig, wenn man die Zungenwurst aufschneidet. Die Wurst gleicht optisch einer Zunge: Sie schimmert leicht und ihre Oberfläche ist unregelmässig wie eine Zunge. Eine zweite, eher unwahrscheinliche, Erklärung stammt von einem Metzger aus Büren an der Aare. Er führt den Namen in die Zeit des Ancien Régime (bis 1798) zurück, als das Waadtland Untertanengebiet des Standes Bern war. Die heutigen Grenzen gab es noch nicht. Französisch, damals noch die Sprache der Oberschicht, wurde in beiden Gebieten gesprochen. Im Gegensatz zur Waadtländer Saucisson beinhaltet die Berner Wurst auch feines Brät. So nannte man die Wurst aus Bern auch „Saucisson à la langue“, also Saucisson nach Berner Art, was zu „Berner Zungenwurst“ wurde. 

Die naheliegendste Erklärung ist aber, dass früher effektiv Zunge in der Wurst war. Tatsächlich notiert das Rezept des Berner Kochbuchs aus dem Jahr 1835 "zwei bis drei Schweinszünglein" als Zutaten. Wenn man das Rezept weiter studiert, sind die Unterschiede zum heutigen Rezept jedoch augenfällig. Denn hinzu kamen "gleich viel vom zartesten Fleische, eben so gebröckelt", zwei Schweinsohren in lange, schmale Riemlein geschnitten und Speckbröckli. Das Ganze wurde gewürzt, mit Salz und Salpeter vermischt und danach in eine Kalbsblase gegeben. Diese Wurst hat man "gebeizt" (was soviel bedeutet, dass man sie in eine Pökellake gab,) und anschliessend einige Tage geräuchert. Doch wie ist der frappante Unterschied zum heutigen Rezept zu erklären? Der Historiker François de Capitani zeigt, dass die Antwort in ebendiesem Berner Kochbuch zu finden ist. Dieses Kochbuch gelte als Standardwerk und war sehr verbreitet. Nach dem Rezept der Zungenwurst folgt das Rezept der Hammenwurst. Und dieses Rezept der Hammenwurst ist dem der heutigen Zungenwurst sehr ähnlich. Seine These lautet also: Der Name kommt von der Zungenwurst und das Rezept von der Hammenwurst. Unterstreichen würde diese These, dass es im Rezept der Hammenwurst heisst "und verfährt man damit gleich, wie mit der Zungenwurst" (Reprint 1835 und alle weiteren Auflagen).

Produktion

Die Berner Zungenwurst besteht aus zwei Brätsorten. Das feine, auch Ausblitz genannte Brät, macht einen Viertel des gesamten Wurstvolumens aus. Bei dessen Herstellung gibt der Metzger nur gekühltes und zum Teil angefrorenes Rind-, Schweinefleisch und Halsspeck in den Blitz. Eine erste Portion Eis wird regelmässig in die Schüssel geschüttet. Nun streut der Metzger die Gewürze über das Brät. Beim befragten Produzenten wird die Mischung jedes Mal frisch zusammengestellt. Kurz darauf folgt die zweite Portion Eis. Als letztes kommen zwei bis drei handgrosse Speckstücke dazu. Zwischendurch stoppt der Metzger die Maschine und schabt das Brät mit einem Teigschaber zusammen. Zu Beginn zeigt das Thermometer des Blitz zehn Grad Celsius an, gegen Ende der Brätherstellung rund 15 Grad Celsius. Zum Abschluss verlangsamt der Metzger das Tempo der Maschine. Steht die Maschine still, schiebt er das „bindige“ Brät mit den Händen zu einem Ballen zusammen und packt ihn mit beiden Händen und legt ihn in den bereit stehenden Behälter aus Kunststoff. Wesentlich bei der Beurteilung des Bräts ist die Erfahrung des Metzgers: Wie sieht der Glanz des Bräts aus? Wie schmeckt es? Wie fühlt sich die Konsistenz des Bräts in der Hand an, zwischen den Fingern? Wie ist die Bindung des Bräts in der Schüssel?

Für das grobe Brät werden gesalzene und gepfefferte Schweineschultern in den Scheffel gegeben und zerkleinert. Vor dem Salzen und Pfeffern schneidet der Metzger Knorpel, Fett und Sehnen weg. Das Salz lässt er drei bis vier Tage einwirken. 

Nun kippt der Metzger den Ausblitz und das grobe Brät in die Meng- und Knetmaschine, wo sie fünf Minuten unter Vakuum vermengt werden.

In der Zwischenzeit bereitet der Metzger die Därme vor, es sind Hautfaserdärme (Fibrandarm). Die Hautfaserdärme sind gut zu lagern, sie sind nämlich trocken, deshalb werden sie vor der Verwendung in kaltes Wasser mit Salz eingelegt. Anschliessend nimmt der Metzger das Brät aus der Meng- und Knetmaschine und füllt es in den Trichter der Wurstspritze. Für jede einzelne Wurst führt der Metzger den einseitig offenen Darm über das Rohr der Wurstspritze, das zweite Darmende wurde schon beim Hersteller verschlossen, ebenso wurde dort eine Schnurlasche befestigt. Der Metzger gibt mit dem Kniepedal den Impuls an die Wurstspritze, zuvor hat er die Menge des Bräts pro Wurst eingestellt. Beim feinen Brät kann man die Wurstspritze sogar so einstellen, dass sie, sobald ein Darm mit Brät gefüllt ist, den kleinen Rest des Bräts, der unweigerlich leicht aus dem Rohr hinaus quillt, zurücksaugt. Der Darm ist gestossen, das zweite Wurstende wird mit der Clipmaschine von Hand geschlossen, die Würste nebeneinander gelegt. 

Der Metzger nimmt nun ein ganz kleines Werkzeug in die Hand, es ist ein etwa daumengrosses Stück Holz mit vier Nadeln. Mit diesem Stupfer sticht er fünf- bis sechsmal in beide Enden der Wurst. Dies um ganz sicher zu sein, dass es keine Luft in der Wurst hat.

Nun werden jeweils acht Würste auf einen hölzernen Räucherstecken aufgezogen. Die Räucherkammer war schon in Betrieb, als der Grossvater des jetzigen Metzgers, in den 1940er Jahren, hier wirkte. Die Räucherstecken legt der Metzger versetzt ein, jede Wurst hat genug Raum, um den Rauch einwirken zu lassen. In der Räucherkammer haben gut 30 Kilogramm Wurst Platz, das sind rund 100 Berner Zungenwürste. Bei dieser Menge ist gewährleistet, dass jede Wurst die richtige Menge Rauch abbekommt, um eine schöne Farbe und den gewünschten Geschmack zu erhalten. 

Nachmittags wird die Räucherkammer angefeuert: Sägemehl wird auf den Boden geschaufelt und mit dem Gasbrenner zum Brennen gebracht. Das Feuer wird nach etwa zwei Stunden gelöscht, wenn das Sägemehl gleichmässig glüht. Die Temperatur in der Räucherkammer darf nicht über 40 Grad Celsius steigen. Inzwischen ist es später Nachmittag geworden, die Würste hängen bis zum nächsten Morgen gegen sieben Uhr in der Räucherkammer. Aber Achtung, das Wetter beeinflusst den Räuchervorgang: Je nach Wetterlage zirkuliert der Rauch besser oder schlechter. Mal muss die Wurst länger hängen, mal fügt man eine Schaufel mehr Sägemehl hinzu und kommt so zum angestrebten Resultat. Auch weiss der Metzger, wann er zur besseren Luftzirkulation die Ladentüre aufmachen muss oder auf keinen Fall den Dampfabzug in den Produktionsräumen einschalten darf. Man sieht: Räuchern ist eine Kunst!

Vereinzelt wird die Berner Zungenwurst auch während sechs bis sieben Tagen in den Küchenrauch, einem Kaltrauch von 20 bis 25 Grad, gehängt.

Nach dem Räuchern werden die Würste im „Chessi“ (Kochkessel) bei 72 Grad Celsius während 40 Minuten gebrüht. Danach kommen sie zum Trockenen für etwa 20 Minuten in die Mulde. Es bewährt sich, den Würsten wirklich Zeit zum Trocknen zu geben, denn durch ein gutes Trocknen bleibt die goldige Farbe besser erhalten. Die getrockneten Würste werden in der Chromstahlmulde mit kaltem Wasser abgekühlt, etwa 30 Minuten, in den Kühlraum gebracht, wo sie während einigen Stunden abtropfen. Danach kann man sie verpacken.

Konsum

Die Berner Zungenwurst wurde früher oft als Teil der Berner Platte an Festtagen wie Heirat, Tauffest, Sichlete (Erntefest) und Neujahr aufgetischt. So wurden zum Beispiel bei der 700jährigen Gründungsfeier der Stadt Bern 259 Kilo Zungenwurst konsumiert. Der befragte Metzger bestätigt, dass noch heute mehr Wurst in den ländlichen als in den städtischen Gebieten gegessen wird. Die bodenständige Küche ist auf dem Land besser vertreten.   

Heute isst man die Berner Zungenwurst das ganze Jahr durch. Im Winter wird sie etwas häufiger konsumiert. Macht man die Wurst im Wasser heiss, kann sie in der Plastikverpackung gelassen werden, es ist sogar zu empfehlen. Denn so behält sie ihren Geschmack. Wird sie zum Erhitzen auf das Gemüse oder in die Suppe gelegt, dann natürlich ohne Plastikverpackung. Die Berner Zungenwurst passt gut zu Dörrbohnen, Linsen, Sauerkraut, Lauchgemüse oder Sauerrüben. Eine weitere Möglichkeit der Zubereitung: Die Berner Zungenwurst mit Blätter-, Brot- oder Zopfteig umhüllen und bei 180 Grad Celsius rund 45 Minuten im Ofen backen, ähnlich vorgehen wie bei einem Filet im Teig. Ein knackiger Salat dazu und das Menü steht. 

Aber auch kalt schmeckt die gebrühte Wurst sehr gut.

Bei einigen Metzgern ist es möglich, die Berner Zungenwurst roh zu kaufen. Lässt man diese etwa einen Monat bei null bis zehn Grad lufttrocknen, ist sie bis zu einem halben Jahr haltbar und kann roh gegessen werden. Dies wurde bis in die 1960er Jahre öfters gemacht, als der Kühlschrank noch nicht in jeder Küche stand. Ebenso wichtig ist bei diesem Vorgang das passenden Klima, das in den modernen Mehrfamilienhäusern kaum anzutreffen ist.

Die Grösse der Würste hat sich den veränderten Konsumgewohnheiten der Kundschaft angepasst, die Wurst ist seit mindestens zwei Generationen in diversen Grössen erhältlich. Da in dieser Metzgerei zwei Generationen aktiv sind, kann diese Entwicklung nachvollzogen werden. Während beim Vater des befragten Metzgers vor allem die grossen Grössen gefragt waren, verkauft der befragte Metzger viel mehr von den kleinen Berner Zungenwürsten. Erklärt wird dieser Wandel hauptsächlich mit der Veränderung der Familiengrösse.

Wirtschaftliche Bedeutung

Seitdem der befragte Metzger für seine Berner Zungenwurst die Goldmedaille gewonnen hat und einige Medien darüber berichteten, kommt die Kundschaft vermehrt wegen dieser Wurst in den Laden.

... anderes

Die Berner in Berlin können auf die Fresspäckchen aus der Heimat verzichten, denn eine Grossmetzgerei aus der Stadt Bern hat den Berliner Markt entdeckt und verkauft dort die Berner Zungenwurst als „Bergwurst“. Das Unternehmen hat mittlerweile seine Exportpalette wie auch die Destinationen erweitert.

Literatur

  • von Gunten, Fritz,   Alles ist Wurst. Auf dem Wurstweg durch die Schweiz,   Bern,   2006.  
  • Jaggi, Fritz und Adolf Loepfe,   Schweizerisches Metzgereigewerbe I. Teil. Sammlung von über 150 Rezepten und Anleitungen für die Wursterei,   Zürich,   1935.  
  • Fachbuch für das Metzgereigewerbe (Band II),   Ott Verlag / Verband Schweizer Metzgermeister,   Thun,   1960.  
  • Rytz, Lina,   Neues Berner Kochbuch,   Bern,   1835.  
  • Hobmeier, Elsbeth,   Edles aus heimischer Scholle. Spezialitäten und ihre Produzenten aus dem Schweizer Mittelland,   Berner Zeitung,   Wabern,   2006.  
  • Schweizer Würste, Saucisses suisses. Fachinformationen und Rezepturen,   Schweizerischer Fleisch-Fachverband SFF,   Zürich,   2006.  
  • Künzi-Mosimann, Alice,   Alte Emmentaler Rezepte. Kochen wie zu Gotthelfs Zeiten,   Olten,   2004.  
  • Die 700jährige Gründungsfeier der Stadt Bern, 1191-1891 : Festbericht / hrsg. vom Organisations-Komitee,   Bern,   1891.  
  • Der Bund,   Bern (?),   03.02.1996.  
  • Fleisch und Wurst. Wissenswertes über Fleisch und Wurst. Präsentiert in 56 Farbfotos, 140 Rezepten und vielen Varianten.  
  • Buchhofer, Alexander,   Handbuch der Berner Kochkurse für Frauen und Töchter,   Bern,   1900.  
  • www.meinen-bern.ch,   Mai 2017.  
Fleisch- und Wurstwaren Drücken

Produktionsepizentrum

Hauptsächlich in Metzgereien im Kanton Bern, in anderen Kantonen auch möglich.

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