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Gangfisch

Coregonus macrophthalmus oder exiguus

In sintesi

Wer heute vom Gangfisch spricht, spricht auch von Ermatingen. Das malerische Dörfchen am thurgauischen Untersee verfügt über eine weit zurückreichende Fischereitradition wie kaum ein anderes Schweizer Dorf. Hier feierte der Gangfisch seine Blütezeiten und einzig hier ist der traditionell geräucherte Gangfisch zu finden. Der Gangfisch ist ein naher Verwandter des Felchens, jedoch ein wenig kleiner als dieser. Geräuchert werden aktuell vorwiegend die Weibchen, in der Fachsprache als Rogner bezeichnet, die trächtig sind und somit Eier in sich tragen. Das rare Produkt gibt es jährlich nur wenige Wochen im Winter. Denn damit der Fisch ganz, also unausgenommen, geräuchert werden kann, muss sein Magen und somit seine Organe "leer" sein. Dies ist erst der Fall, wenn die Gangfische im Spätherbst aus den Tiefen des Unter- und Zellersees in die Flachwasserzonen bei Ermatingen, Gottlieben und im Seerhein zum Laichen ziehen. Hier sind sie dann zu finden: Die Fische, die den besonderen Bodenseekaviar, den Rogen, in sich tragen. 

Doch woher kommt bloss dieser seltsame Name Gangfisch? Gemäss einer Legende soll der Konstanzer Bischof Gebhard im 10. Jahrhundert, als er mit seinem Schiff auf dem Untersee fuhr, von einem so grossen Fischschwarm umringt gewesen sein, dass er nicht mehr weiterfahren konnte. Daraufhin habe er "Gang Fisch!" gerufen. Die Fische seien tatsächlich weg geschwommen.  

Der wissenschaftliche Name Coregonus macrophthalmus oder exiguus verrät die typischen Charakteristika des Gangfisches. Zum einen, da er in der Tiefe lebt, die grossen Augen und zum anderen die kleine Grösse. Eine weitere biologische Erklärung des Namens ist im Grimmschen Wörterbuch, das bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht, zu finden. Demnach ist der Gangfisch ein Felchen im dritten Lebensjahr, der im Bodensee lebt. Seelen hiesse der Fisch im ersten, Stüben im zweiten, Renchen im vierten und Halbfisch im fünften Lebensjahr. Im letzten wird er Felchen oder "Blauwling" genannt. Diese Unterscheidungen werden nicht mehr gemacht. Wie der pensionierte kantonale Fischereiaufseher erläutert, wird der Begriff Gangfisch nur für die Felchen im Untersee, die geschlossen und kalt geräuchert werden, benutzt. Sobald der Fisch ausgenommen wird, nennt man ihn Felchen. Eine weitere mögliche Erklärung des Namens könnte aus der Fischersprache kommen. Im Gegensatz zu Standfischen, die sich ruhig im Wasser verhalten, "gehen" respektive "laufen" die unruhigen, aktiven Fische – im Fischerjargon eben auch "Gangfische".

Descrizione

Ein dem Felchen verwandter Fisch, der ganz - also samt den Eingeweiden geräuchert wird. Aktuell werden lediglich die Weibchen, die Rogner, mit ihren Eiern, dem Roggen, geräuchert. Die Männchen, die Milchner, werden entweder als frischer Fisch auf den Markt gebracht oder wie der bekannte Felchen "offen" geräuchert.

Variazioni

Im Nachbarsdorf befindet sich ein Produzent, der nach einem modernen Verfahren räuchert.

Ingredienti

Es werden keine weiteren Zutaten beigefügt

Storia

Es sind mehrere Quellen zum Gangfisch vorhanden und sie gehen bis ins Mittelalter zurück. Aus den Quellen lässt sich deuten, dass der Gangfisch ein sehr wichtiges Produkt für den Bodenseeraum war. Offensichtlich war der Fischfang nicht nur auf Ermatingen konzentriert. Gottlieben und Konstanz werden als weitere Fangorte genannt. Seine Wichtigkeit hatte der Gangfisch auch als Handelsprodukt, sei es als Zehntenabgabe oder als Exportprodukt. Fangzeit und –methoden sowie Zubereitungsweisen werden ebenfalls in den Quellen beschrieben. 

Wird der Legende des Konstanzer Bischofs Gebhard aus dem 10. Jahrhundert Glaube geschenkt, ist der Fisch schon seit dieser Zeit bekannt.  Eine weitere gefundene Erwähnung datiert aus dem 13. Jahrhundert. Damals kommt der Name Gangfisch – dazumals "ganchvisch", "gangvissche" oder "gantvisch" – in alten Fischereiordnungen vor. Die älteste Erwähnung von der Ankunft der Fische im Laichgebiet ist im 1337 vollendeten "Schachzabelbuch" des Schweizer Benediktinermönchs Konrad von Ammenhausen zu finden. Sie war am 11. November, dem St. Martinstag, und dauerte zwölf Tage. Der Gangfisch war eng mit den Klöstern in der Umgebung verbunden. Zum einem im Rahmen der Klosterfischerei, das heisst zur Versorgung der Klöster selbst, zum anderen vergaben sie auch Fischrechte zur Lehe, deren Zins jährlich in Naturalien, in einer festgelegten Menge an Fischen, zu bezahlen war. Fischereirechte im Untersee vergaben das Kloster von Reichenau und der Bischof von Konstanz. Der Ermatinger Dorfchronist Thomas Vaterlaus berichtet von einer Quelle aus dem 14. Jahrhundert, wonach die Ermatinger "getertem Gantvisch", also geräucherten Gangfisch, dem Kloster Reichenau als Teil ihres Zehnten abliefern mussten. Aus dieser Quelle geht hervor, dass der Gangfisch bereits damals geräuchert wurde. Auch in der Ortsgeschichte von Gottlieben, einem Nachbardorf von Ermatingen, ist notiert, dass die Bewohner dem Bischof Gangfische als Zinsen ablieferten. 13 000 Stück sollen es im Jahr 1521 gewesen sein. Der Bischof aus Konstanz erlaubte den Gottliebern keinen Grundbesitz, so dass sie sich ausschliesslich der Fischerei widmeten. Dies erklärt die bis heute sehr kleine Fläche des Ortes. 

Der Gangfisch hat mindestens zwei Blütezeiten durchgemacht. Von der einen berichtet der Konstanzer Historiker Gregor Mangolt aus dem 16. Jahrhundert. Er beschrieb einen Rekordfang: "Im Jahr 1534 fiengents im Manet December […] ob 46'000 gangfisch…" Der Gangfisch soll so begehrt gewesen sein, dass 1533 "etlich geterdt Gangfisch" sogar nach Zürich – zu Heinrich Bullinger – geliefert wurden, wie Mangolt berichtet. Eine zweite Blütezeit soll um die Zeit des 2. Weltkriegs gewesen sein. Damals gab es so viele Gangfische, dass man die Idee hatte, einen Wettbewerb mit ebendiesen Fischen als Preis einzuführen. Im Jahr 1937 wurde das so genannte Gangfischschiessen erstmals durchgeführt und findet bis heute jedes Jahr am zweiten Wochenende im Dezember statt. Geschossen wird natürlich nicht auf die Fische, sondern, wie es sich bei einem Preisschiessen gehört, auf Zielscheiben. Anschliessend wird an diesem Tag der Gangfisch in den Ermatinger Restaurants angeboten. Der Brauch ist ein wichtiges und bekanntes Fest, an dem mittlerweile Schützen auch ausserhalb der Region teilnehmen.

Auch über die spezielle Fangmethode wird berichtet. Immer wieder ist von der Gangfischsegi, dem grössten Fanggerät der Schweiz, die Rede. Sie soll bereits im 14. Jahrhundert erwähnt worden sein. Segi bezeichnet sowohl das Boot, einen schweren, schwarzen, flachbödigen bis 15 Meter langen Kahn, als auch das Garn. Ebenso wird mit Segi die Mannschaft bezeichnet. Eine Statutenrevision der Ermatinger Gilde der Gangfischer vom Jahr 1876 legt dar, dass die Mannschaft 18 Mitglieder umfasst. Die Mitgliedschaft war sehr begehrt. Entsprechend streng waren die Auflagen. Lediglich Ermatinger Bürger durften es sein; schied ein Mitglied aus erhielt sein ältester Sohn das erste Anrecht auf Mitgliedschaft, die dazumals stolze CHF 150.- kostete. Wenn es wieder Zeit für den Gangfischfang war, brachte jeder Fischer sein eigenes Zuggarn. Diese wurden anschliessend nach einem genauen Plan zu einem grossen Fischfanggarn zusammengesetzt. Der Fischfang mit der Gangfischsegi war bis nach dem 2. Weltkrieg viel im Einsatz, seit 1958 respektive 1967 – je nach Quelle – ist es jedoch vorbei. Als 1968 ein Fischer erkrankte und sich kein Ersatz finden liess, um die nötigen 18 Mann für die Gangfischsegi zusammenzubringen, wurde erstmals darauf verzichtet. Jedes Jahr hoffte man, dass sich wieder genügend Fischer finden liessen – jedoch vergeblich. Heute ist die Gangfischsegi im Seemuseum in Kreuzlingen oder am Ermatinger Groppenumzug, einer speziellen Form der Fastnacht, zu sehen. Die wenigen heute aktiven Fischer verwenden einen neuen Bootstyp.

Produzione

Das Besondere am Gangfisch ist, dass er "ganz", das bedeutet samt den Eingeweiden geräuchert wird. Bei den Weibchen, den so genannten Rognern, sogar samt dem Laich. Die Bezeichnung Rogner stammt vom altgermanischen de Roge für Eier und wird auch heute noch so benutzt. Rogner ist das Weibchen und Rogen sind die Eier, eine Delikatesse, dem Kaviar sehr ähnlich. Es heisst, ein echter Ermatinger würde den Rogen des geräucherten Gangfisches jedem Kaviar vorziehe.

Gangfische werden heute nicht mehr in der gleichen Menge wie zur Blütezeit gefangen. Der Grund für den Fang ist heute auch ein ganz anderer wie der kantonale Fischereiaufseher erklärt: "Das primäre Ziel ist die Laichfischerei, die künstliche Bewirtschaftung der Fische. Es dürfen nur die Fische samt dem Rogen geräuchert werden, die noch nicht laichreif sind. Die laichreifen Fische müssen abgestreift und der Rogen der Brutanstalt übergeben werden." Wegen der milden Winter und um den Fischbestand besser zu kontrollieren, wird heute das Gewässer später für den Fang freigegeben als früher: "Seit Mitte der 1990er Jahre ist dies jeweils zwischen dem 26. November und dem 7. Dezember", so der Fischereiaufseher. Diese Änderungen haben natürlich Auswirkungen auf die Fangmenge: "Uns Fischern bleibt nur wenig Zeit und nur wenige Fische mit dem beliebten Rogen."

Wie aus dem frischen Fisch die Delikatesse des geräucherten Gangfisches entsteht, ist seit Jahrhunderten mehr oder weniger gleich geblieben. Die frischen Fische werden sofort mit Salz bestreut und drei bis fünf Tage in ein Becken gelegt. Dabei verlieren die Fische Flüssigkeit. Wie sieht der Fischer, wann die richtige Beschaffenheit erreicht ist? "Wenn ich den Fisch am Hals leicht drücke und er knackt, dann ist es Zeit, ihn zu räuchern." Indem der Fischer durch die Augen der Gangfische sticht, reiht er sie an einer Stange auf – zehn bis zwölf Stück haben auf einem Stab Platz. Die Fische werden im Kaltrauch, eine weitere Besonderheit des Gangfischs, bei 35 Grad geräuchert. Der Räucherprozess ist sehr heikel und arbeitsintensiv, denn die Temperatur muss ständig kontrolliert werden. Da heisst es für den Fischer, einige Male in der Nacht aufzustehen, um neues Holz oder Sägemehl nachzulegen. Steigt beispielsweise die Temperatur über 40 Grad, wird der Fisch schnell ungeniessbar. Zum Räuchern eignet sich Eichenholz besonders gut. Dies gibt dem Fisch zudem die schöne Farbe. Nach zwei Tagen ist der Rauchprozess abgeschlossen. Das Resultat ist nicht nur das salzigrauchige Gangfischfleisch, sondern auch die einzigartigen Ermatinger Fischeier, der Rogen.  

Der Fisch wird anschliessend ganz verkauft. Bei den Fischen, die zu gross zum Räuchern sind, werden die Eier rausgenommen und separat als Felchenkaviar verkauft.

Consumo

Der Gangfisch kann auch gedämpft oder gebacken werden. Meist wird er jedoch geräuchert konsumiert – sozusagen auf die "fürstliche Art". Denn wie 1557 geschrieben wurde: "Man derrts auch und vereeret damit Fürsten und Herren." Dadurch, dass der Gangfisch nur wenige Wochen im Jahr mit dem Laich gefischt werden kann, wird er heute so gut wie nur in diesem Zeitraum gegessen. Das war nicht immer so. Durch das Räuchern ist der Fisch länger haltbar und eignete sich daher auch, um die Vorratskammern zu füllen.

Das Essen des Fisches wurde auch mit zwei Bräuchen eng verbunden: Zum einen das bereits erwähnte Gangfischschiessen, das jedes Jahr über 2500 Menschen anzieht. Zum anderen wurde das Ende des Gangfischfangzeit bis 1967 mit der "Abletzete" gefeiert: Ein gemeinsames Nachtessen, an dem die Fische aufgeteilt wurden. Mit dem Ende der Gangfischsegi wurde aber auch dieses Fest nicht mehr gefeiert.

Heute kommt der Gangfisch auch an Weihnachten gerne auf den Tisch. 

Erst das "Gewusst wie" macht das Essen des Gangfisches zum Genuss. Um das Filet zu erhalten, bricht man den Kopf ab und bläst den Fisch auf, damit sich die Haut vom Fleisch löst. Dann schneidet man ihn vom Rücken her auf, entfernt die Gräten und schält das Filet beidseitig aus der Haut. Mit Brot und Butter kann der Fisch von Hand gegessen werden. Ein Fischer, der früher ein Restaurant besass, liess seine Gäste den Fisch jeweils selbst filetieren: "So haben möglichst viele gelernt, wie es geht – und können dieses Wissen weitergeben", hofft der Fischer.

Importanza economica

Der Gangfisch scheint ein wichtiges Produkt gewesen zu sein. Mehrere Quellen schreiben, dass der Fisch exportiert wurde. Gemäss Grimms Wörterbuch sei um die Wende zum 19. Jahrhundert sogar in München geräucherter Gangfisch auf dem Markt angeboten worden. In seinen Glanzzeiten vor und nach dem Krieg soll der Fisch in weite Teile Deutschlands, ja selbst nach Frankreich und Oberitalien geliefert worden sein. Diese Zeiten sind jedoch vorbei. Zwar ist das Fangvolumen der Bodenseefische generell nicht kleiner geworden. Da sich aber die Nachfrage nach Fischen generell erhöht hat, man die meisten Fische frisch isst und auch weil man das ganze Jahr hindurch fischt, setzt man heute alle in der Region ab. Der besuchte Fischer schätzt, dass jährlich etwa 900 geräucherte Gangfische verkauft werden. Bei einem Verkaufspreis von rund CHF 25.- pro Kilo für den ganzen Fisch respektive CHF 70 – 80.- für den Kilo Rogen ist der Verkauf des Gangfisches kein lohnendes Geschäft mehr. Vielmehr ist es eine Liebhabersache.

... ed inoltre

Die aus den Höhlen hängenden Augen des Gangfisches werden im Kaltrauch mitgeräuchert. Dadurch wurden sie hart. Der Fischer erinnert sich an seine Kindheit: "Die haben wir sehr gerne gegessen. Sie schmecken schön salzig. Wir gingen jeweils vor oder nach der Schule bei der Rauchkammer vorbei und erbettelten uns die Augen, die wir dann in unsere Hosensäcke verstauten. Die Fettflecken verrieten uns dann jeweils."

Fonti

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  • Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache,   Staub, Friedrich et al..  
  • Mente, Michael,   Essen, Alltag und Verwaltung im Kloster,   Chronos,   Zürich,   2005.  
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  • Vaterlaus, Thomas und Monika Schiess,   Der See, das Dorf und sein Fest - Ermatingen und der grosse Groppenumzug,   Edition Cottus Gobio,   Zürich,   2004.  
  • Strauss, Hermann,   Gottlieben an Rhein und Untersee,   Vereinigung Heimatmuseum Kreuzlingen,   Kreuzlingen,   1959.  
  • Aus der Geschichte der Fischerei,   www.ermatingen.ch/html/fischerei.htm,   20.10.2005.  
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  • Grimm, Jacob und Wilhelm,   Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Quellenverzeichnis 1971. Band 4,   Leipzig,   1854-1960.  
  • Ebel, J. G.,   Anleitung auf die nützlichste und genussvollste Art die Schweitz zu bereisen,   Zürich,   1809-10.  
  • Pupikofer, J. A.,   Der Kanton Thurgau. 17. Heft (Gemälde der Schweiz),   Huber und Compagnie,   St. Gallen/Bern,   1837.  
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