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Kartoffelbrand

Kartoffelbrand, Kartoffelbranntwein, Kartoffelschnaps, Eau de vie de pommes de terre

Kartoffelbrand

En bref

Der Kartoffelbrand, in der Deutschschweiz auch Härdöpfeler genannt, ist ein klarer Schnaps.

Er ist in der ganzen Schweiz verbreitet, in einigen Regionen, wie dem Kanton Bern und dem Kanton Luzern aber beliebter als in anderen. Der Kartoffelschnaps ist mild und im Geschmack leicht erdig.

In Schriftsprache lautet der offizielle Name für Schnaps, der aus Kartoffeln hergestellt wird, Kartoffelbrand. In der Deutschschweiz wurde und wird er zumeist „Härdöpfeler“ genannt. Schnäpse aus Kartoffeln werden in der Schweiz seit dem 19. Jahrhundert hergestellt. Kartoffeln waren zu der Zeit ein günstiger Rohstoff, der als Grundnahrungsmittel konstant erhältlich war.

Description

Klarer Schnaps aus Kartoffeln mit etwa 45 Volumenprozent Alkoholgehalt

Ingrédients

Kartoffeln, Gerstenmalz, Hefe, Wasser, Alkohol

Histoire

Schriftliche Zeugnisse vom Kartoffelschnaps in der Schweiz gibt es seit dem 19. Jahrhundert. Die Kartoffel wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Volksnahrungsmittel in der Schweiz. Das Brennen der Kartoffel funktionierte erst nach einer recht langen Experimentierzeit. Man musste erkennen, dass erst durch die Zugabe von Gerstenmalz zu den Kartoffeln eine vergärbare Maische entsteht. Die Kartoffel hat zu wenig eigenen Zucker und vergärt deshalb nicht.

Der Kartoffelschnaps hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Erst seit dem Jahre 1997 ist seine Herstellung offiziell wieder erlaubt. Die Herstellung dieses Schnapses ist in den Mangeljahren vor und während des ersten Weltkrieges vom Bund verboten worden. Nichtsdestotrotz ist er, wie auch der Absinth, in kleinerem Umfang immer weiter im Versteckten produziert worden.

Der Kartoffelschnaps war aber schon im 19. Jahrhundert umstritten und Gegenstand hitziger Debatten. Damals hat das Brennen der Kartoffeln stark zugenommen, speziell in ländlichen Gebieten. Und auch der Konsum von Kartoffelschnaps nahm zu.

Ein Auslöser für den hohen Kartoffelschnapskonsum war der durch Industrialisierung veränderte Lebensalltag vieler Menschen. Durch die Fabrikarbeit und den Schichtbetrieb musste sich das Essverhalten der Arbeiterinnen und Arbeiter dramatische verändern. Als Folge davon kamen vermehrt Nahrungssurrogate in Mode, die Kalorien in ansehnlicher Dichte liefern, denn zum Essen war während einem normalen Arbeitstag kaum Zeit vorhanden. Der Schweizer Historiker Jakob Tanner schreibt in seinem Aufsatz “Modern Times“, dass im 19. Jahrhundert gerade deswegen Zucker und Alkohol als “quick energy“ gefragt gewesen seien. In der Schweiz stand dafür der billig produzierbare Kartoffelschnaps im Vordergrund, der zum “idealen Billig-Instant-Food für alle möglichen Gelegenheiten“ wurde.

Aber auch auf dem Land ergaben sich wegen dem Kartoffelschnaps zahlreiche soziale Probleme. Immer wieder trifft man den Alkoholmissbrauch mit Kartoffelschnaps im Werk von Jeremias Gotthelf. Der Berner Dichter und Pfarrer, der von 1797 bis 1854 lebte und der engagiert gegen den Alkoholmissbrauch ankämpfte, obwohl er selbst einem guten Glas Wein nicht abgeneigt war, erlebte den Missbrauch von Kartoffelschnaps als grosses, gesellschaftliches Übel, das er immer wieder thematisierte und gegen das er rhetorisch ankämpfte.

Weil immer mehr Alkohol konsumiert wurde und bei der Herstellung des Kartoffelschnapses oft auch der leicht giftige Vorlauf des Destillats als Schnaps verkauft wurde, schränkte der Bund schliesslich im Jahre 1887 mit einem Alkoholgesetz das Kartoffelbrennen ein und sicherte sich das Produktionsmonopol. Jeder, der weiterhin Kartoffeln brannte, musste dem Bund eine Brennsteuer entrichten. Da nicht mehr jeder unkontrolliert Schnaps herstellen konnte, wurde auch die Qualität des Schnapses gesteigert.

Während dem Ersten Weltkrieg wurde die Herstellung des Kartoffelschnapses komplett verboten. Neben dem weiterhin akuten Alkoholproblem, das grosse Teile der Bevölkerung betraf, war die Nahrungsmittel-Rationalisierung der Hauptgrund für das Verbot. Grundnahrungsmittel wie Getreide und Kartoffeln durften in dieser Zeit nur als Nahrungsmittel verwendet werden, sowohl für Menschen als auch Tiere und nicht für die Herstellung von alkoholischen Getränken. Obwohl die Kriegswirtschaft längst nicht mehr aktuell ist und in der Schweiz permanent Überschüsse aus dem Kartoffelanbau erzielt werden, ist die Herstellung von Kartoffelschnaps erst 1999 wieder legalisiert worden.  

Der Kartoffelschnaps wurde jedoch auch in der Zeit, in der er offiziell verboten war, produziert. Auch der Alkoholverwaltung war das klar. Da man den Kartoffelschnaps schwarz brannte, konnte man sich die Alkoholsteuer, fällig für die Destillation, sparen – man betrieb also gleichzeitig Steuerhinterziehung. Insofern brach man gleich doppelt das Gesetz und beging nicht unbedingt ein Bagatelldelikt.

Production

Kartoffeln sind ein vergleichsweise günstiger Rohstoff und das ganze Jahr erhältlich. Daher kann man Kartoffelschnaps zu allen Jahreszeiten herstellen.

Für die Kartoffelschnaps -Herstellung können verschiedene Kartoffelsorten verwendet werden. Das Aroma des Schnapses ändert sich je nach Sorte. Insbesondere bei einem sortenreinen Brand sind geschmackliche Unterschiede im Endprodukt feststellbar.

Der besuchte Produzent verwendet Kartoffeln von Speisequalität. Im 19. Jahrhundert wurden meist die als zu klein aussortierten Kartoffeln für die Schnapsherstellung verwendet. Der Produzent verarbeitet fest- oder mehligkochende Kartoffeln. Er erwähnt die rotschalige Sorte Urgenta, die speziell geeignet sei.

Die Kartoffeln werden zuerst gekocht oder gedämpft, damit ein dicker Kartoffelbrei entsteht. Dieser Brei muss verzuckert werden, denn in Getreide und Kartoffeln sind Stärkemoleküle enthalten, die sich mit Hilfe von Hefepilzen nicht vergären lassen. Traditionellerweise werden die Kartoffeln mit Getreidemalz, in diesem Falle Gerstenmalz, versetzt. Seit ein paar Jahrzehnten gibt es auch industriell hergestellte, flüssige und hochkonzentrierte Enzyme, um die Kartoffeln zu verzuckern. Der Vorteil der Produktion mit Gerstenmalz ist, dass diese dem Schnaps ein besonderes Aroma verleiht.

Das Gerstenmalz wird zu den gekochten Kartoffeln gegeben. Im Gerstenkorn gibt es zwei Enzyme, die für die Schnapsherstellung von Bedeutung sind. Zum einen ein Enzym, das den Kartoffelbrei flüssig macht, zum anderen das Enzym, welches die Kartoffelstärke in Einfachzucker aufspaltet. So entsteht aus der mehligen “Kartoffelsuppe“ eine zuckersüsse Flüssigkeit, die Maische. Diese leert der Produzent in ein Fass und gibt die Hefe dazu, damit die Gärung der Kartoffelmaische einsetzt und Alkohol entsteht. Nach ein paar Tagen, sobald der Zucker vergoren ist, wird die Maische dann gebrannt.

Da die Kartoffeln gekocht wurden, ist die Maische nicht lange haltbar. Je länger mit dem Brennen zugewartet wird, desto grösser ist die Gefahr, dass sich Bakterien in der Maische einnisten. Dadurch würde die Maische sauer werden. Deswegen wird die Maische sofort gebrannt, wenn der Zucker vollständig vergoren ist. Sie wird in einen Trichter geleert und wird von dort mit einem Schlauch direkt in den Brennhafen gepumpt

Durch die Destillation erhält man einen hochprozentigen Kartoffelschnaps, der mit destilliertem Wasser in mehreren Schritten auf die Trinkstärke von ungefähr 45 Volumenprozenten verdünnt wird. Am Schluss wird der Kartoffelschnaps noch filtriert, um Trübungen auszumerzen, denn das Endprodukt soll eine klare, durchsichtige Flüssigkeit sein. Jeder Schnaps, der auf unter 50 Volumenprozente verdünnt wird, weist wegen der ätherischen Öle in den Pflanzen Trübungen auf. Diese sind alkohol-, aber nicht wasserlöslich. Deswegen werden die Trübungen sichtbar, sobald die Flüssigkeit mehrheitlich aus Wasser besteht.

Consommation

Der Kartoffelschnaps ist ein Massenprodukt, das möglichst schlicht und billig sein soll. Schöne, ausgeformte Flaschen werden von den Kunden eher nicht gewünscht. Der Schnaps wird in der Regel pur getrunken. Kartoffelschnaps passt weder als Beigabe in Kaffee noch zu einem Dessert. Manchmal wird er heute auch aus gesundheitlichen Gründen konsumiert. Er beeinflusst das Blutbild und die Zuckerwerte positiv. Der Kartoffelschnaps soll zudem vorbeugend gegen Grippe wirken und habe eine verdauungsfördernde Wirkung, so der Produzent. Es gibt Leute, die deswegen täglich ein Gläschen Kartoffelschnaps trinken und darauf schwören. Im Prinzip dient der Kartoffelschnaps dadurch immer noch als schneller Energiespender, wie schon im 19. Jahrhundert.

Importance économique

Da die Herstellung des Schnapses erst 1997 vom Bund wieder legalisiert wurde, hielt sich seine wirtschaftliche Bedeutung im 20. Jahrhundert lange in Grenzen.  

Für den besuchten Produzenten stellt der Kartoffelschnaps nur ein kleines wirtschaftliches Standbein dar. Er weiss aber von befreundeten Produzenten aus Kanton Solothurn und im Berner Oberland, dass der Kartoffelschnaps für sie seit einigen Jahren ein sehr wichtiges Produkt darstellt und sie heute quasi von der Kartoffelschnaps-Herstellung leben. Der besuchte Produzent verkauft den grössten Teil seines Kartoffelschnapses direkt ab Hof, nur ein kleiner Teil gelangt in den Wiederverkauf. Seit der Kartoffelschnaps wieder offiziell hergestellt werden darf, sind die Preise gesunken, da das Angebot logischerweise grösser geworden ist.

... et enfin

Auch der Wodka (beim Import in der Schweiz hinter Whisky und den Likören an dritter Stelle) wird oft aus Kartoffeln gebrannt. Die edelsten Wodkas hingegen sind aus Getreide. Das Geheimnis des Wodkas, der vor allem als Alkoholbasis für Mixgetränke gebraucht wird, ist, dass er möglichst keinen Eigengeschmack aufweist und mild im Geschmack sein soll. Deswegen wird er sehr rein gebrannt, wie ein Trinksprit, nach dem Destillationsvorgang aber noch verdünnt, bis er einen Alkoholgehalt von etwa 40 Volumenprozenten hat.

Sources

  • Riedhauser, Hans,   Essen und Trinken bei Jeremias Gotthelf,   Verlag Paul Haupt,   Bern/Stuttgart,   1985.  
  • Peter, Roger,   Wie die Kartoffel im Kanton Zürich zum,   Verlag Hans Rohr,   Zürich,   1996.  
  • Wüstenfeld, Hermann und Georg Haeseler,   Trinkbranntweine und Liköre,   Blackwell Wissenschafts-Verlag,   Berlin,   1996.  
  • Escher, Felix<BR />Buddeberg, Claus,   Essen und Trinken zwischen Ernährung, Kult und Kultur,   vdf Hochschulverlag AG,   Zürich,   2003.  
  • Dossier Härdöpfeler und Träsch,   2008.  
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