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Ankenzelte

Ankezelte, Rundi Anggä-Zältä, Anggäzelte

In Kürze

Die Glarner Ankenzelte ist ein leicht süssliches Hefegebäck, das Rosinen enthält und mit einer Spur Zimt gewürzt ist.

Anke ist eine Dialektbezeichnung für Butter; der Begriff Zelte ist gemäss einem Mundartforscher hauptsächlich im Kanton Glarus verbreitet und bezeichnet ein flaches, dünnes Gebäck, das meist fest, trocken und ohne Belag ist. Teilweise wird der Begriff auch gleichbedeutend mit den je nach Schweizer Dialektregion gebräuchlichen Bezeichnungen Dünne, Wähe, Kuchen und Fladen verwendet und hebt das Breite und Flache des Gebäcks hervor.

Neben der Ankenzelte gibt es auch die Drusenzelte sowie die Grübenzelte. Sie sind alle ohne Belag und bestehen im Wesentlichen aus Mehl, Butter, Zucker und Sultaninen. Während es sich bei der Ankenzelte um eine Hefegebäck handelt, ist die Drusenzelte ein sehr trockenes Mürbeteiggebäck. Als Drusen bezeichnet man im Glarner Dialekt den Rückstand, der beim Auslassen von Butter entsteht. Es handelt sich dabei um schwarze Krümel, die caramelähnlich schmecken. Die Grüben - respektive Grieben - sind der Rückstand, welcher beim Auskochen des Schweinefetts ensteht. Die Grübenzelte wird mit ebendiesem Fett hergestellt.

Diese Ankenzelte und die Drusenzelte sind hauptsächlich im Kanton Glarus zu finden. Allerdings werden sie nur von wenigen Bäckereien hergestellt, Ankenzelten ein wenig häufiger als Drusenzelten. Die Grübenzelte ist ein spezieller Fall. Sie ist auch im Kanton St. Gallen zu finden, heissen dort aber Grübenfladen respektive Grübenkuchen. Wie im Kanton Glarus bringen die Bauern ihre Grüben dem Bäcker, welcher ihnen daraus eine Grübenzelte backt. Auch in der Westschweiz ist ein Grübengebäck verbreitet, die tailée aux greubons. Sie ist im Gegensatz zu den Zelten aber nicht rund, sondern meist rechteckig-länglich.

Zelten sind im Kanton Glarus seit mindestens Mitte 19. Jahrhundert verbreitet, wie eine Quelle belegt. Fachleute gehen sogar davon aus, dass der Ursprung der Zelten noch weiter zurück liegt. Man glaubt, dass es zuerst eine Brotzelte gab – diese wir heute nicht mehr produziert – und sich daraus dann die Varianten Grüben-, Drusen- und Ankenzelten entwickelt haben, je nachdem, was auf dem Bauernhof vorhanden war. Denn die Zelten haben ihren Ursprung in der bäuerlichen Selbstversorgung. Die meisten Zutaten waren auf dem Hof vorhanden, für eine Ankenzelte mussten lediglich Zucker, Rosinen und Zimt dazu gekauft werden.

Beschreibung

Flaches, rundes Hefegebäck mit einer Spur Zimt

Variationen

Netstaler Anggäzelten

Zutaten

Mehl, Hefe, Ei, Butter, Zucker, Rosinen oder Weinbeeren, Zimt

Geschichte

Das älteste für Ankenzelte gefundene Rezept stammt aus dem Jahr 1839. Es ist aber anzunehmen, dass Ankenzelten schon früher hergestellt wurden. Zum einen gehört Butter im Kanton Glarus, der über eine lange alpwirtschaftliche Tradition verfügt, schon mindestens seit dem Mittelalter zu den gängigen Lebensmitteln. Gemäss einer Historikerin, die sich auf die Glarner Geschichte spezialisiert hat, wurde der "Glarner Anken" im Spätmittelalter sogar bis nach Zürich verkauft. In bäuerlichen Kreisen nutzte man ihn bis ins 20. Jahrhundert hinein als Zahlungsmittel. Beispielsweise entrichtete man den Alpzins in Form von Butter. Jeweils im Spätsommer und Herbst wurde sie in grossen Mengen eingesiedet respektive “ausgelassen”, wie man diesen Prozess ebenfalls nennt, und in so genannte "Ankenhäfen" gefüllt an einem kühlen Ort gelagert. So war die Butter den Winter über haltbar. 

Zum anderen deutet ein weiterer, korrekterer Hinweis auf das höhere Alter. Er ist in einem Rezept von Mitte des 19. Jahrhunderts zu finden. Dort wird auf eine gewisse Tradition hingedeutet, indem geschrieben ist, dass man in "neuerer Zeit alles Weissteig" nimmt. Es ist also anzunehmen, dass zur Zeit, als das Rezept geschrieben wurde, die Ankezelte schon mindestens einige Jahrzehnte existierte.

Über dem im Rezept angedeuteten Weissteig kommen wir zu den zwei verschiedenen Rezepttypen: Im einen Rezepttyp wird die Ankenzelte aus den Zutaten sozusagen direkt gefertigt, beim anderen, dem bekannteren Rezepttyp, wird ein bereits bestehender Brotteig zu einer Ankenzelte weiterverarbeitet. In den neueren Rezepten verwendete man in der Regel einen Teig aus Weissmehl, während in den beiden Rezepten vor der Wende zum 20. Jahrhundert der Brotteig je Hälftig aus Schwarzbrot und Weissbrot bestand. Dieser bereits vorgefertigte Teig hat die Wirkung eines so genannten Hebels, wie es in der Fachsprache heisst, und sorgt für einen besonders lockeren und luftigen Teig.

Die Ankenzelte bietet sich als Gebäck im Rahmen der bäuerlichen Selbstversorgung geradezu an. Die Zutaten waren einfach und grösstenteils auf dem Hof vorhanden. Wobei es offenbar zu Beginn des 20. Jahrhunderts üblich war, dass man die Ankenzelte aus dem eigenen Mehl vom Bäcker backen liess, so ein Hinweis aus dem handschriftlichen Originalmaterial für den Atlas der schweizerischen Volkskunde. Man muss nun aber nicht meinen, dass die Zelte jeden Tag auf dem bäuerlichen Tisch lag. Gemäss Quellen gehörte sie zu den Festgebäcken: Um 1900 habe man die Ankenzelte jeweils an der Chilbi gegessen. Auch bei geselligen Zusammenkünften zwischen befreundeten Familien, meist unter Damen und jungen Mädchen, den so genannten "Kränzen" wurde sie, wie übrigens auch die Glarner Pastete, gerne aufgetischt, ist in einem Artikel aus dem Jahr 1900 zu lesen. In einer gross angelegte, gesamtschweizerische Untersuchung zum Alltagsleben aus den 1930er und 1940er Jahren, die im Atlas der Schweizer Volkskunde erfasst ist, zählt sie neben Drusen- und Grübenzelten ebenfalls zu den Festtagsgebäcken. Die Autoren gehen aber nicht weiter auf die genauen Festanlässe ein, erwähnen aber, dass die Ankenzelten mit Rahm gegessen wurden, was ihren festlichen Zusammenhang zusätzlich unterstreicht. Im handschriftlichen Originalmaterial des Atlas ist jedoch zu lesen, dass die Ankenzelte ein Festgebäck für den Weihnachts- und Neujahrsabend war.

Produktion

"Der erste Schritt ist der Zopfproduktion sehr ähnlich", verrät der Bäcker. Es werden Mehl, Butter, Hefe, Eier sowie Zucker und Zimt gut miteinander vermengt, damit der so genannte Kleber im Mehl aktiv wird. Er macht, dass der Teig gut hält und das Produkt schön weich und luftig wird. "Bei Produkten mit viel Fettstoff wie bei der Glarner Ankenzelte muss der Teig lange ruhen, damit das Produkt einen guten Geschmack hat", erklärt der Bäcker. Diesem Prozess hilft er mit einem alten Trick nach: Er mischt dem neuen Teig ein Stück von einem älteren Teig, einen so genannten Vorteig oder Hebel bei. "Dadurch brauche ich weniger Hefe und erhalte mehr Geschmack." Als Vorteig nimmt er einen Teig aus Ruchmehl. Wenn alles gut geknetet ist, werden die Rosinen untergemischt. Der ganze Teig muss dann gären, Stockgare wird dieser Prozess in der Fachsprache genannt und dauert bei der Ankenzelte mindestens drei Stunden. Der Teig wird anschliessend in die einzelnen Zelten unterteilt und – zur Stückgare – 1 Stunde in den etwa 30 Grad warmen und 70 Prozent Luftfeuchtigkeit enthaltenden Gärschrank gelegt. Damit die Zelten nicht auseinanderdriften, legt sie der Bäcker in eine Ringform. Bei der privaten Herstellung würde man ein rundes Wähenbech verwenden.

Bei 190 bis 200 Grad werden die mit Ei bestrichen Zelten hellbraun gebacken. Der Bäcker: "Der Ofen darf nicht zu heiss sein, sonst caramelisiert der Zucker."

Die Glarner Ankenzelte ist 3 bis 4 Tage haltbar. Sie wird eher früh am Morgen hergestellt, damit sie gleichentags in den Verkauf kann.

Konsum

Die Ankenzelte hat sich in den letzten Jahrzehnten vom Festtags- über das Sonntags- zum Alltagsprodukt entwickelt: Mitte 1980er Jahre schreibt ein Glarner Bäcker bereits, dass die Ankenzelte jeweils am Sonntag auf den Tisch komme – Birnbrote und Zopf waren in dieser Zeit noch klar hohen Festtagen vorbehalten. Heute gilt die Ankenzelte als Alltagsprodukt, das zwischendurch gegessen wird, eventuell mit Butter bestrichen auch zum Frühstück, oder mit Kaffee oder einem Gläschen Wein zum Zvieri. Das Produkt wird hauptsächlich von Einheimischen und Heimwehglarnern gegessen. Der Produzent erzählt, dass es eher ältere Menschen sind, die den Ankenzelten kaufen. Sie sei halt schon nicht so opulent wie eine Glarner Pastete und eignee sich deshalb weniger als Geschenk, sondern werde mehr für den Eigengebrauch gekauft.

Wirtschaftliche Bedeutung

Für den besuchten Bäcker ist die Ankenzelte ein ergänzendes Produkt. Sie ist keiner saisonalen Schwankung unterworfen: Er backt etwa 50 bis 100 Stück pro Monat, also etwa 1 000 Stück pro Jahr.

Literatur

  • Atlas der schweizerischen Volkskunde,   Weiss, Richard und Paul Geiger,   Basel,   1950.  
  • Nold, Ruth,   Glarner Spezialitäten,   Glarus,   1981.  
  • Stüssi, Heinrich,   75 Jahre Bäcker-Konditorei-Meisterverband des Kantons Glarus 1909-1984,   Glarus,   1984.  
  • Guggenbühl, Helen,   Schweizer Küchenspezialitäten. Ausgewählte Rezepte aus allen Kantonen,   Schweizer-Spiegel-Verlag,   Zürich,   1929.  
  • Guggenbühl, Helen<BR />Lienert, Meinrad,   Schweizer Küchenspezialitäten. Alte Rezepte aus allen Kantonen,   Schweizer Spiegel Verlag.,   Zürich,   1962.  
  • Jahrbuch des Historischen Vereins des Kantons Glarus, Heft 85,   Fridolin Druck und Medien,   Schwanden,   2005.  
  • Brunner, Christoph H.,   Glarner Geschichte in Geschichten,   Regierung und Landrat des Kantons Glarus,   Glarus,   2004.  
  • Heer, Oswald und J.J. Blumer-Heer,   Der Kanton Glarus. VII. Heft. (Gemälde der Schweiz),   Huber und Compagnie,   St. Gallen/Bern,   1846.  
  • Schweizerisches Archiv für Volkskunde,   Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde,   Zürich,   1900.  
  • Atlas der schweizerischen Volkskunde (Originalmaterial),   Schweizerisches Institut für Volkskunde,   Basel,   o.J..  
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