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Appenzeller Nidelzeltli 212 ®

Appenzeller Nidelzeltli 212 ®

In Kürze

Im Appenzellerland darf man auf keinen Fall auf ein Nidelzeltli beissen, denn diese sind steinhart. Kenner und Kennerinnen schlecken sie, mit Geduld und Genuss. Typisch für das Appenzeller Nidelzeltli ist der intensive Caramelgeschmack und dass man es lange im Mund geniessen kann.

Grundsätzlich bestehen Caramels aus den gleichen Grundzutaten: Zucker und Milch beziehungsweise Rahm. Das besondere an der Appenzeller Variante aber ist, dass sie gerade nicht nur mit Rahm gemacht werden, sondern mit gezuckerter Kondensmilch. So kommen sie auch zu ihrer glasharten Konsistenz.

In der Schweiz trifft man auf verschiedene Arten der Rahm- oder Nidlezeltli. In der Westschweiz, etwa in den Kantonen Waadtland und Freiburg, kennt man vor allem das hellbraune, weiche und zähe „caramel à la crème“. In der Deutschschweiz sind die Rahmtäfeli aus der Region Basel und die Nidletäfeli aus dem Bernbiet den Westschweizer „caramels à la crème“ relativ ähnlich, sie sind weich und hellbraun. Ein Fachmann erklärt die Unterschiede zwischen den diversen Caramels folgendermassen: „Die typischen „caramels à la crème“ verdanken ihren Geschmack dem beigefügten Vanillin und dem Kakaopulver. Die klassischen Berner Nidletäfeli sind oft auf den Jahrmärkten erhältlich und zerfallen, einmal im Mund, sehr schnell. Und die Oberbaselbieter Rahmtäfeli sind mürbe und doch weich. Sie sind eine gewisse Zeit kaubar.“

Beschreibung

Quadratische, harte, dunkelbraune, leicht glänzende Bonbons. Die Grösse beträgt 18 x 18 mm.

Zutaten

Kondensmilch gezuckert, Zucker, Glucosesirup, Vollrahm („Nidel“).

Geschichte

Ein Blick in die vorhandenen alten Rezeptsammlungen bringt über 100jährige Rezepte für Nidelzeltli zum Vorschein. Und auch in den Unterlagen des Produzenten steht, dass schon 1839 hausgemachte Nidelzeltli als eine geschätzte Süssigkeit bei alt und jung galten.

Elisabeth Pletscher, die Autorin des Artikels „Kulinarische Reminiszenzen aus dem alten Trogen“ berichtet, dass auf dem Neujahrsmittagstisch ihrer Grossmutter – eine Enkelin des Landammanns Jakob Zeller (1770 - 1821) – selbst gemachte Nidelzeltli, Feuersteine, gebrannte Mandeln und Quittenschäumchen nicht fehlen durften. Leider zitiert sie das Rezept der Nidelzeltli nicht, so bleibt unklar, ob damals Rahm oder Milch verwendet wurde.   

Ein weiteres Rezept findet man in Trudy Josts „Kochbuch für die einfache und bessere Küche“, das im Jahr 1927 in Urnäsch erschienen ist. Dieses Rezept schreibt vor, dass man die gekochte Masse aus Zucker, Milch beziehungsweise Milch und Rahm, von schöner, brauner Farbe, mit dem Messer in gleichmässige, kleine Vierecke schneidet, bevor sie kalt wird. In den alten Rezepten fehlt der Hinweis darauf, dass die Zeltli glashart sein müssen. Es ist davon auszugehen, dass sie einfach härter wurden, wenn man anstatt Rahm Milch genommen hat – dass also beide Varianten nebeneinander existierten. Eine befragte Frau aus Herisau, Ende der 1920er Jahre geboren, erinnert sich denn auch, dass sie und ihre Schwestern manchmal an den Sonntagnachmittagen als Zeitvertreib Nidelzeltli machen durften. In dieser Familie wurde Milch verwendet, weil die Mutter den Rahm zu Butter verarbeitete. Diese Zeltli, mit Milch gemacht, waren viel härter als die mit Rahm gemachten Nidelzeltli, erinnert sich die befragte Frau.

Die Idee, die Appenzeller Nidelzeltli aus Kondensmilch zu machen, entstand nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals lagerten in den privaten Haushalten, in Bäckereien und Konditoreien noch grosse Mengen roher, also nicht pasteurisierter, Kondensmilch. Diese hatte man während des Krieges als Bestandteil des Pflichtlagers angehäuft. Nach den kargen Kriegsjahren bestand wohl auch eine grosse Lust auf Süsses. Seit über 50 Jahren wird das Appenzeller Nidelzeltli in Herisau von der Firma Tanner 212 hergestellt. Sicher schon seit dem Jahre 1963 ist der Produktname „Appenzeller Nidelzeltli 212“ bekannt, denn eine Fotografie von der Weihnachtsausstellung zeigt diverse Produkte der Engrosfirma für Kolonialwaren. Zwischen Blechbüchsen und transparenten Beuteln liegen Schilder wie „Appenzeller Nidelzeltli 212, Büchse und Inhalt Fr. 2.90“. Im vorderen Teil des Tisches liegen einige 100-Gramm-Beutel für 85 Rappen. 

Der heutige Produzent erinnert sich, dass die Appenzeller Nidelzeltli 212 in seinen Kinderjahren genauso schmeckten wie heute, das war etwa vor 50 Jahren. Seit 1992 ist das Appenzeller Nidelzeltli 212 als geschützte Marke eingetragen.

Produktion

Das Ausgangsprodukt für die Appenzeller Nidelzeltli 212 ist ein Gemisch aus Kondensmilch, Zucker und Rahm. Dieses ist anfangs ganz weiss und wird so lange unter ständigem Rühren gekocht bis es eine schöne, braune Farbe annimmt. Die Masse steht mehr als eine Stunde über dem Feuer bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist. Zum Abschluss wird das Rührwerk beschleunigt, um so noch einige Luftblasen aus der Masse zu schlagen.

Dann muss alles sehr schnell gehen. Die Mitarbeiterin nimmt den Kupferkessel aus der Rührvorrichtung und eilt zu einem langen Marmortisch auf den sie die Masse ausleert. Mit einem Spachtel und einer Art Wallholz aus Aluminium streicht sie die Masse bis auf eine Dicke von sechs bis sieben Millimetern flach. Noch einmal entweicht die hier unerwünschte Luft. Nun wird ein grosses Ausstechgitter auf die Masse gepresst. Anschliessend schneidet die eine Mitarbeiterin die geformte Masse in so grosse Stücke, dass sie auf einem mit Bienenwachs eingefettetem Backblech Platz finden. Das volle Belch wird zu einem zweiten Tisch getragen. Schnell wird noch die Oberseite auf dem Blech gewendet und daraufhin beide Seiten mit einem Tuch abgeputzt, ein Teil des Wachses wird so wieder entfernt. Nun werden die Nidelzeltliplatten von Hand immer mehr verkleinert, bis dass einzelne Nidelzeltli auf dem Tisch liegen. Wird zu langsam gearbeitet, erstarrt die Masse. Das steinharte Material in einzelne Stücke zu brechen, ist dann unmöglich.  

Der ideale Arbeitsraum verfügt über eine geringe Luftfeuchtigkeit, bei zu hoher Luftfeuchtigkeit kleben die frischen Zeltli aneinander. Es ist wichtig, die Zeltli am Morgen zu machen, so dass sie nicht zu grosser Wärme oder zu hoher Luftfeuchtigkeit ausgesetzt sind. Ein wichtiges Arbeitsmittel, der Marmortisch, darf ebenfalls nicht zu viel Wärme aufnehmen. Wird er zu warm, dann klebt die Zuckermasse am Tisch fest.

Anschliessend werden die Zeltli verpackt. Die Verpackung wurde der Zeit angepasst. Früher, der Artikel über Appenzeller Süssigkeiten nennt keine Jahreszahl, verkaufte ein grosses Zürcher Warenhaus die Zeltli offen in grossen Gläsern. Im Jahre 2003 wird festgestellt, dass der Offenverkauf keinen Anklang mehr findet. Heutzutage werden die Appenzeller Nidelzeltli 212 in Weissblechdosen und in Kunststoffbeutel verpackt, und das gleich nach der Produktion. Beide müssen Wasserdampf- und Lichtschutz gewährleisten.

Konsum

Das Appenzeller Nidelzeltli 212 ist eine Süssigkeit für Zwischendurch. Verkauft wird es heute im Kunststoffbeutel zu 100 Gramm und in der Weissblechdose zu 200 Gramm. Im Beutel halten sie 12 Monate und in der Dose 15 Monate. Gekauft werden Appenzeller Nidelzeltli 212 sowohl von Einheimischen als auch von in- und ausländischen Touristen. Die Verpackung ist mit einem typischen Appenzeller Motiv, einem Senn in der Festtagstracht, geschmückt.

Wirtschaftliche Bedeutung

Im Sortiment des Produzenten sind die Nidelzeltli ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. Übers Jahr hinweg ist keine saisonale Produktionsspitze auszumachen. Im Normalfall stellen die zwei Mitarbeiterinnen an drei Vormittagen pro Woche die Appenzeller Nidelzeltli 212 her. Der Absatz der Nidelzeltli ist steigend. Im Jahr 1963 kostete die Dose mit 200 Gramm 2.90 sFr, im Jahr 2008 7.90 sFr.

... anderes

„Karamell“ oder „Caramel“ ist gleichzusetzen mit dem französischen Wort „caramel“, das aus dem Spanischen und Portugiesischen „caramelo“ für "Zuckerrohr, gebrannter Zucker" abstammt. Dessen Ursprung ist das lateinische „Calamellus“, Röhrchen, welches auf das griechische „kálamos“ für Schilfrohr zurückgeht. Wer schon mal Zuckerrohr gesehen hat, kann die Ähnlichkeit der beiden Pflanzen nicht abstreiten.

Literatur

  • Appenzeller Zeitung, 15.1.2002,   2002.  
  • Appenzeller Magazin (Nr. 1, 2003),   Appenzeller Medienhaus,   Appenzell,   2003.  
  • Mitteilungen Kantonsschulverein Trogen,   Appenzeller Medienhaus,   Herisau,   1990.  
  • Jost, Trudy,   Kochbuch für einfache und bessere Küche,   Schoop,   Urnäsch,   1927.  
  • Appenzeller Nidelzeltli 212 - eine Spezialität mit Tradition.  
  • Dudenredaktion (Hg.),   Duden. Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache,   Dudenverlag,   Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich,   2007.  
Süss- und Confiseriewaren Drücken

Produktionsepizentrum

Herisau (AR)

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