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Berner Honiglebkuchen

Berner Honiglebkuchen

In Kürze

Der Berner Honiglebkuchen ist ein ungefüllter, in der Regel rechteckiger Lebkuchen mit weissen Zuckerguss-Ausschmückungen. Das beliebteste Sujet ist der Bär, der auch das Berner Stadt- und Kantonswappen ziert. Die Ränder der Honiglebkuchen sind stets mit allerlei Schnörkeln, Punkten und Linien verziert und manchmal steht in schwungvollen Lettern „Gruss aus Bern“ auf den Gebäcken geschrieben. Dieses einzigartige Zuckerguss-Dekor ist das Markenzeichen des Berner Honiglebkuchens, der im ganzen Kanton hergestellt wird und ein äusserst beliebter Geschenkartikel ist.

Der Berner Honiglebkuchen, der aus einem klassischen Lebkuchenteig, sprich aus Honig, Zucker, Milch, Mehl und den typischen, exotischen Lebkuchengewürzen besteht, unterscheidet sich besonders durch dieses aufwändige Dekor von den anderen Schweizer Lebkuchen-Spezialitäten.

Nicht verwandt ist der Honiglebkuchen dagegen mit einer weiteren Berner Gebäckspezialität, dem Berner Haselnusslebkuchen, der eigentlich eher einer Marzipanmasse als einem Lebkuchen gleicht.

Über die Bedeutung des Wortes Lebkuchen, das im 13. Jahrhundert erstmals auftaucht, herrscht Uneinigkeit. Laut drittem Band des Idiotikons, der im Jahre 1895 erschienen ist, „[dürfte] das Wort (…) mit der Sache aus den Klöstern stammen, indem der 1. Teil der Zusammensetzung das lateinische „libum“, Opferkuchen, ist, das dann vom Volke umgedeutet wurde“. Eine andere etymologische Deutung geht davon aus, dass die Vorsilbe „Leb“ mit dem Wort „Laib“ als geformtem Gebäck zusammenhängt. Eine dritte Erklärung geht von einem medizinischen Bezug aus. Im Altertum wurden den Honiggebäcken lebenserhaltende und heilende Kräfte zugeschrieben. Sinngemäss bezeichnete man sie als Lebenskuchen, woraus das Wort Lebkuchen entstand.

Beschreibung

Ein zumeist rechteckiger Honiglebkuchen, der mit aufwändigem und künstlerischem Zuckerguss-Dekor verziert ist. Besonders häufiges Sujet sind drollige, kleine Bären in diversen Posen.

Zutaten

Teig: Honig, Zucker, Milch und etwas Wasser, Margarine, Semmelmehl, Lebkuchengewürze, Triebsalz und Pottasche.

Geschichte

Lebkuchen, die aus Honig und exotischen Gewürzen bestanden, wurden schon in den mittelalterlichen Klöstern hergestellt. Ein überliefertes Rezept aus Luzern, das aus dem späten 16. Jahrhundert stammt, zeigt auf, dass der Lebkuchenteig damals mit den gleichen Zutaten wie heute der Berner Honiglebkuchen hergestellt wurde, nur die exotischen Gewürze kommen nicht so reichhaltig vor. In Bern selbst reichen die Honiglebkuchenbelege ins frühe 19. Jahrhundert zurück. Im verbreiteten „Neuen Berner Kochbuch“ von Lina Rytz aus dem Jahre 1835 ist beispielsweise ein „Lebkuchen sehr gut“ aufgeführt, der dem heutigen Honiglebkuchenrezept sehr nahe kommt.

Was in diesen alten Quellen hingegen stets fehlt, ist die Erwähnung des heute so typischen Zuckerguss-Dekors. In der Literatur taucht das Zuckerguss-Dekor erstmals im Jahr 1946 in einem Lebkuchen-Fachbuch auf. „Bessere, d.h. teure Lebkuchen verzierte man aber mit Spritzglasur, und diese Art der Garnitur hat sich bis heute erhalten. Bekannt sind insbesondere die Berner Lebkuchen-Garnituren mit ihren drolligen Bärenfiguren“, heisst es da. Genaue Hinweise über das Aufkommen des Zuckerguss-Dekors beim Honiglebkuchen fehlen leider, folgende zitierte Passage aus dem Fachbuch deutet aber darauf hin, dass es diese Tradition schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegeben hat: „Seine Ausschmückung hat mit dem modernen Dekor wenig gemein. Sie beruht im Gegenteil auf einer jahrzehntelangen Tradition und ist an bestimmte überlieferte Richtlinien gebunden. Das Spritzen von Bären, Edelweiss, Täubchen usw. (…) sind und waren von jeher eine Kunst und Spezialität des Berner Konditors, auf die er stolz sein darf.“

Während das Lebkuchengewerbe und die Verwendung von Honig als Süssmittel schon im Mittelalter Bestand hatten, handelt es sich bei der Zuckerbäckerei um ein wesentlich jüngeres Gewerbe. Zucker ganz allgemein war aber noch im 18. Jahrhundert in der Schweiz ein Luxusgut, das teuer aus der Karibik und Mittelamerika importiert werden musste. Erst als zu Beginn des 19. Jahrhunderts die industrielle Gewinnung von billigem Zucker aus der heimischen Runkelrübe einsetzte, fand er breitere Anwendung. Wohl frühestens an diesem Punkt setzt die Verbindung des Honiggebäcks mit dem Zuckerguss-Dekor an, die zwei Süssgebäck-Gewerbe, die noch im 18. Jahrhundert streng in getrennte Zünfte unterteilt waren – die Lebzelterei und die Zuckerbäckerei – vereinte.

Produktion

Kein Honiglebkuchen schmeckt wie der andere, kriegt man immer wieder zu hören. Tatsächlich verfügt jede Bäckerei im Kanton Bern über ein eigenes Rezept. Die Unterschiede ergeben sich aus den Zutaten, vor allem der Gewürzmischung. Auch die Qualität des Honigs hat grossen Einfluss auf den Geschmack des Lebkuchens. Und genau da setzt der besuchte Produzent aus Bern an: „Wir verwenden ganz bewusst einheimischen Honig. Den müssen wir zwar zusammen mit etwas Zucker bei kleiner Gasflamme auflösen, weil er nicht flüssig genug ist, um ihn unter den Teig zu mischen, aber der Aufwand ist es uns wert. Es gibt nichts Besseres.“

Ist das Honig-Zucker-Gemisch aufgelöst, wird Milch und Margarine beigegeben. Erst wenn diese Mischung erkaltet ist, kann sie in der Knetmaschine mit den weiteren Zutaten vermengt werden. Neben Semmelmehl und einer Gewürzmischung aus Koriander, Anis, Sternanis, Nelken, Ingwer und Muskat kommt auch ein Triebsalz-Pottasche-Wasser-Gemisch hinzu, das für den späteren Trieb im Teig zuständig ist. Pottasche ist ein Kalziumcarbonat, das früher durch Auslaugen von Pflanzenasche mit Wasser und anschließendem Eindampfen in Töpfen, so genannten "Pött", gewonnen wurde. Das weiße körnige Salz wird erst durch die langsam einsetzende Milchsäuregärung aktiv, weshalb der Teig mehrere Tage lang gelagert werden sollte. Die so freigesetzte Kohlensäure lockert in dieser Zeit den Teig und verleiht ihm einen leicht laugenhaften Geschmack.  

Mindestens vier Tage lässt man den Teig ruhen, ehe die Produktion in die Backphase geht. Dazu wird der Teig erstmal durch die Reibmaschine gelassen, deren Walzen die zuvor grobe Konsistenz des Teigs weich werden lässt. Anschliessend rollt eine Maschine den Teig zu einem ca. sechs Millimeter dicken Teppich aus, woraus mit metallenen Ausstechern die gewünschte Form ausgestochen wird. „Unsere Honiglebkuchen sind in der Regel rechteckig, auf Kundenwunsch liefern wir aber auch runde Lebkuchen oder Herzen, was besonders auf den Valentinstag hin gefragt ist. Um den St. Nikolaus-Tag herum sind dann vor allem Kläuse aktuell.“ Gebacken werden die Honiglebkuchen möglichst trocken bei Temperaturen von etwa 220 Grad Celsius zwischen 14 und 20 Minuten. Gleich im Anschluss an das Backen werden die leicht aufgegangen Lebkuchen sorgfältig mit im Wasser aufgelöster Kartoffelstärke, Fécule genannt, bestrichen und erhalten so eine schön glänzende Oberfläche.

Nun wird noch von Hand das Zuckerguss-Dekor aufgetragen. „Man braucht dazu eine sehr ruhige Hand, schon die kleinste Druckveränderung auf die gefüllte Tüte beeinflusst die Linienführung. Ohne Übung und künstlerisches Flair geht gar nichts“, erklärt der Bäcker, der selbst nicht „zeichnet“. „Dafür haben wir zwei Spezialisten, die frei zeichnen und schreiben können.“ 

Das häufigste Motiv sind die kleinen Bären, die in unzähligen Posen und Szenen gezeigt werden. Beliebt ist beispielsweise die Darstellung des berühmten Berner Bärengrabens. „Die Bären und andere Figuren wie Tauben, Edelweisse oder Tannenbäume stellen unsere Zeichner vor allem im Sommer her, wenn die Lebkuchen nicht so gefragt sind. In der Advents- und Weihnachtszeit würden sie damit nicht nachkommen“, erzählt der Produzent und verweist darauf, dass die Zeichner die Szenen zwar nach ihrem Gusto komponieren können, in der Gestaltung der einzelnen Figuren aber an vorgegebene Formen gebunden seien. „Das typische Berner Dekor wirkt leichtfüssig, schwungvoll und elegant, es muss Bewegung in den Bildern sein.“

Neben den Zuckerguss-Bären, die sehr plastisch dargestellt sind, gibt es auch schablonierte Bären, die auf die Honiglebkuchen aufgetragen werden. Dabei wird eine Schablone in den Umrissen eines gehenden oder stehenden Bären auf die Oberfläche gelegt und mit Zuckergussmasse ausgestrichen. Mit einem Lebensmittelfarbe-Filzstift werden das Gesicht sowie die Konturen des Fells hervorgehoben. Trotzdem erreichen die Schablonen-Bären nicht die Lebendigkeit der kleineren Zuckerguss-Bären. Allen Honiglebkuchen gemeinsam ist dagegen die Ausschmückung der Randbereiche mit allerlei Linien und Schnörkel.

Konsum

„Milchkaffee“, so lautet die Empfehlung des Bäckers zum Berner Honiglebkuchen. „In den Milchkaffee tunken, damit er sich richtig schön voll saugen kann und sich mit dem Kaffeegeschmack vermischt“, gerät er ins Schwärmen. Von Butter, die man beispielsweise zum Appenzeller Biberfladen oder Luzerner Lebkuchen empfohlen kriegt, hält er dagegen weniger.

Der Honiglebkuchen kann zum Milchkaffee auch nach ein paar Monaten noch konsumiert werden, wenn das Gebäck schon ziemlich hart ist. Dies im Gegensatz zu den Lebkuchengebäcken mit Füllung, bei denen die Mandelmasse nach ein bis zwei Monaten nicht mehr geniessbar ist.

Wirtschaftliche Bedeutung

Als Berner Bäcker kommt man fast nicht umhin, Honiglebkuchen anzubieten, das Gebäck gilt neben dem Haselnusslebkuchen als Aushängeschild des einheimischen Bäckereigewerbes. Beliebt ist das Honiggebäck, das als typischer Geschenkartikel gilt, besonders in der Advents- und Weihnachtszeit. Bis zu 4000 Stück stellt der Betrieb in den Monaten November und Dezember her.  

Unter dem Jahr sind es vorwiegend Touristen, die sich die bemalten und verzierten Gebäcke als Andenken oder Geschenk zulegen.

Ein ganz neuer Markt hat sich der Bäckerei im Bereich des E-Commerce ergeben, der Abwicklung von Geschäftsprozessen über elektronische Medien, vor allem über das Internet. „Jeder, sei das eine grosse Firma, die sich bei ihren Mitarbeitenden mit einem kleinen Präsent bedanken will, oder ein verliebter Junge, der seinem Schatz ein beschriftetes Herz mit einem gemeinsamen Foto zum Jahrestag schenken möchte, kann sich mit ein paar Mausklicks seinen individuellen Lebkuchen gestalten“, erklärt der Bäcker das Prinzip. Gedruckt wird gestochen scharf mit Lebensmittelfarbe auf Zuckerpapier. „Die neue Vertriebsmethode beschert uns sechsstellige Umsätze“, frohlockt der Produzent, der um die Jahrtausendwende noch nicht an eine solche „Renaissance des Traditionsgebäcks“ geglaubt hat.

Literatur

  • Spycher, Albert,   Ostschweizer Lebkuchenbuch. St. Galler und Appenzeller Biber, Biberfladen und Verwandte,   Appenzeller Verlag,   Herisau,   2000.  
  • Krauss, Irene,   Chronik bildschöner Backwerke,   Hugo Matthaes Druckerei und Verlag GmbH & Co. KG,   Stuttgart,   1999.  
  • Hansen, Hans Jürgen,   Kunstgeschichte des Backwerks,   Gerhard Stalling Verlag,   Oldenburg,   1968.  
  • Rytz, Lina,   Neues Berner Kochbuch,   Bern,   1835.  
  • Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache,   Staub, Friedrich et al..  
  • Währen, Max, Hans Luginbühl, Bruno Heilinger et al.,   Lebkuchen einst und jetzt,   Luzern,   1964.  
  • Appenzeller Magazin 3/1998,   1998.  
  • Lebkuchen / Pains d'épices,   Hans Kaspar A.G.,   Zürich,   1946.  
Konditorei- und Backwaren Drücken

Produktionsepizentrum

Kanton Bern

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