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Bratkäse

Früher Heimkuhkäse; im Dialekt „Heikuhkäsli“ oder „Heichuechäsli“.

Bratkäse

In Kürze

Der Bratkäse ist ein vollfetter Halbhartkäse. Ein Laib wiegt zwischen 750 Gramm und 1,1 Kilogramm. Er ist mild im Geschmack und verfügt typischerweise über ein leicht säuerliches Aroma.

Verbreitet ist der Bratkäse in Unterwalden (Halbkantone Obwalden und Nidwalden), wo er als einheimische Spezialität gilt. Er wird dort mittlerweile fast ausschliesslich in Talkäsereien aus pasteurisierter Milch produziert. Auf den Unterwaldner Alpen hingegen verwenden die Käser Rohmilch.  

Über das Produktionsgebiet hinaus kennt man den Bratkäse kaum. Zu gross ist die Bekanntheit eines anderen Schweizer Käses, der ebenfalls geschmolzen konsumiert wird: Raclette-Käse. Tatsächlich kann man den Bratkäse als kleinen Bruder des Raclette-Käses bezeichnen. Das gilt nicht nur im wirtschaftlichen Sinne. Mit einem Gewicht von etwa einem Kilogramm ist der Bratkäselaib viel leichter als ein Raclettelaib mit seinen rund fünf bis sieben Kilogrammen. Der Bratkäse ist etwas milder im Geschmack als der traditionelle Walliser Raclettekäse.

Seinen Namen verdankt der Bratkäse der Konsumationsart: Er wurde früher über dem offenen Feuer „gebraten“.

Beschreibung

Der Bratkäse ist ein vollfetter Halbhartkäse aus pasteurisierter Milch oder aus Rohmilch. Die Laibe sind zwischen 750 und 1,1 Kilogramm schwer bei einem Durchmesser von 13 bis 15 cm. Vom Geschmack her ist er mild-säuerlich.

Zutaten

Pasteurisierte Milch (Talkäserei) oder Rohmilch (Alp), Milchsäure-Bakterienkulturen, Lab. Salz und Wasser für das Salzbad und die Behandlung der Rinde.

Geschichte

Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts galt der Bratkäse in Unterwalden als einheimische Spezialität. „Obwohl der Unterwaldner im Durchschnitte kein starker Esser ist, so liebt er doch die seinem Lande fast ganz eigenthümlichen Leckereien, als da sind: die Bratkäse oder Heikuhkäsli, Nydlen, Fusterli, Ofenkrapfen, Zigerkrapfen und Lebkuchen“, steht im 1836 erschienenen Werk „Gemälde der Schweiz. Der Kanton Unterwalden“ geschrieben. Verbürgt ist der Bratkäse auch im dritten Band des Idiotikons aus dem Jahre 1895: Als „kleiner (5-6 Pfund schwerer) fetter Käse, der an Kohlenfeuer gehalten wird, wodurch die Oberfläche so weich wird, dass sie sich abstreichen lässt.“ Dieses Abstreichen des Käses hat dem Walliser Raclettekäse übrigens seinen Namen gegeben: Racler ist das französische Verb für abstreichen, abschaben oder abkratzen.

In der einschlägigen Literatur wird der Bratkäse zuweilen schon im Hochmittelalter angesiedelt. Tatsächlich liefert eine schriftliche Überlieferung aus dem ehemaligen Kloster Muri (AG) Hinweise auf eine Käseproduktion in Unterwalden im 12. und 13. Jahrhundert. Die erwähnte Überlieferung soll gar Schilderungen der Alpwirtschaft enthalten, in denen von einem Käse berichtet wird, der über einem offenen Feuer geschmolzen wurde. Sollten diese Angaben tatsächlich stimmen, wäre die Technik des Käseschmelzens weit früher in Unterwalden belegt als im Wallis, der Heimat des Raclettekäses, wo die erste schriftliche Erwähnung dieser Technik aus dem Jahre 1574 stammt.  

Die Bratkäse von damals dürften kaum etwas mit den heutigen, vollfetten und halbharten Bratkäsen gemeinsam haben. Die Herstellung von länger haltbaren und auch für den Handel interessanten Fettkäsen setzte in der Eidgenossenschaft frühestens im 15. Jahrhundert ein, als die Technik der Labkäserei übernommen wurde. Zuvor wurde das Milchfett für Fettziger oder Butter gebraucht, während man unter Käse einen Magerkäse aus gesäuerter Milch verstand.

Allgemein wird angenommen, der Bratkäse sei ursprünglich auf den Alpen hergestellt worden – wie alle anderen Käse auch. Im Gegensatz zum grösseren, länger haltbaren und für den Export bestimmten Alpkäse war der Bratkäse aber für den Eigengebrauch gedacht. Die Bezeichnung „Heikuhkäsli“, die im „Gemälde der Schweiz“ als Synonym für Bratkäse auftaucht, verweist aber offensichtlich nicht auf die Alp, sondern ins Tal. Das erklärt jedenfalls Robert Schnieper in seinem 1995 erschienenen Buch „Unser Käse“: „[Heichuechäsli sind] kleine Käselaibe, die mit der übriggebliebenen Milch der Kuh oder Kühe gekäst wurden, die die Bauern daheim im Tal behielten, um nicht auf Milch, Rahm und Butter verzichten zu müssen, wenn der Rest der Herde auf der Alp gesömmert wurde.“

Produktion

In der Folge wird die Bratkäse-Produktion in einer mittelgrossen Obwaldner Talkäserei beschrieben, die sich stark von jener auf einer Alp unterscheidet. Während im Tal pasteurisierte Milch grösstenteils maschinell zu Bratkäse verarbeitet wird, ist auf der Alp viel Handarbeit beim Verkäsen der Rohmilch gefragt.

„Die Verwendung von pasteurisierter Milch hat zwei Gründe“, beginnt der Käser zu erklären, „einerseits verbessert sie die Schmelzfähigkeit des Bratkäses, andererseits ist die kurzzeitig auf 76 Grad erhitzte Milch bakteriologisch unproblematischer als Rohmilch. So können wir stets eine gleichbleibende Qualität garantieren, ohne grosse Schwankungen. Das ist auf einer Alp kaum möglich.“ Der Rohmilch-Bratkäse von den Alpen gilt dafür als etwas vollmundiger. 

Nach dem Pasteurisieren folgt das Verkäsen. Dafür wird in einem ersten Schritt die Grundlage für den späteren Geschmack des Bratkäses gelegt, indem die pasteurisierte Milch mit einer in der Käserei selbst hergestellten Milchsäure-Bakterienkultur angereichert wird. Diese Kultur verleiht dem Bratkäse durch die Vergärung des Milchzuckers und den späteren Eiweissabbau ihren typischen Geschmack.

Es folgt die Beigabe von einwandfreiem Trinkwasser, wodurch die angesprochene Vergärung des Milchzuckers durch die Bakterien verlangsamt wird. So verhindert der Käser, dass der spätere Käse übersäuert. Nun folgen jene Schritte, die der Milch einen grossen Teil von den enthaltenen 87% Wasser entziehen. Den Grundstein dafür bildet das Labverfahren, das die sofortige Gerinnung der Milch einleitet. Eine halbe Stunde nachdem der Käser bei 32 Grad das Lab, ein Enzym aus Kälbermagen, beigegeben hat, ist die Milch geronnen. Sie wird nun maschinell verschnitten, der so genannte „Bruch“ entsteht: Die geronnene Milch trennt sich in flüssige Sirte, auch Molke oder Schotte genannt, und feste Käsekörner, die vor allem Fett und Eiweiss enthalten. Dieser Käsebruch wird weiter auf 37 Grad erhitzt und umgerührt. Die Körner ziehen sich mehr und mehr zusammen und trocknen aus. „Im Vergleich zu einem Hartkäse wie dem Emmentaler, oder gar zu einem Extrahartkäse wie dem Sbrinz, sind unsere kaffeebohnengrossen Körner gröber“, erklärt der Käser. „Sie enthalten dementsprechend mehr Wasser und können weniger lange gelagert werden als Hart- oder Extrahartkäse.“ Gleichzeitig wird der Käsebruch weit weniger hoch erwärmt, weil eine Bakterienkultur verwendet wird, die bei Temperaturen um die 35 bis 37 Grad voll aktiviert wird. 

Sobald die Käsekörner fest und trocken genug sind, wird der Käsebruch über einen dicken Schlauch in röhrenartige Formen von ca. 15 cm Durchmesser gepumpt. Hydraulisch werden dann genau eingepasste Pressen in die Röhren gedruckt, um weiter Sirte rauszupressen, worauf eine kompakte Käsemasse entsteht. Es folgt eine rund fünfstündige Gärphase bei 23 Grad, während der der Milchzucker in Milchsäure abgebaut wird. Danach werden die Laibe für sieben bis neun Stunden in ein Salzbad gelegt. Das Salz entzieht der Randpartie Wasser und setzt sich dort fest, es kommt zur Rindenbildung. Zudem wandert das Salz langsam in den Käseteig und wirkt so als Aromaträger.

Die Reifung im Lagerkeller, bei 13 bis 14 Grad und 93 Prozent Luftfeuchtigkeit, schliesst den Herstellungsprozess ab. Während sechs bis zehn Wochen reifen im Käse durch die Bakterientätigkeit jene Aromastoffe heran, die dem Bratkäse schliesslich den typisch mild-säuerlichen Geschmack verleihen. „Die Reifung vollzieht sich beim Bratkäse sehr schnell“, kommentiert der Käser, „ein Raclette-Käse reift während drei bis sechs Monaten, Hartkäse teils über ein Jahr. Das hängt mit der geringen Grösse der Bratkäse-Laibe zusammen, vor allem aber ist die Käsemasse beim Bratkäse weniger trocken, die Bakterien sind folglich aktiver.“ Wie bei vielen anderen Käsen wird beim Bratkäse die Reifung zusätzlich von aussen beeinflusst: Durch leicht gesalzenes Schmierenwasser. Dieses lässt auf der Oberfläche der Käse eine Schmiere entstehen, in der Mikroorganismen aktiv sind. Diese Methode verhindert auch die unerwünschte Schimmelbildung auf der Rinde. Bevor ein Bratkäse-Laib in den Handel kommt, wird er sorgfältig von dieser Schmiere gereinigt.

Konsum

Der Bratkäse  wird mit oder ohne Rinde geschmolzen. Statt über einer Feuerstelle, wie das noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Fall war, heute meist geraffelt in einer Bratpfanne mit einem Schuss Weisswein oder Apfelwein, ähnlich wie beim Fondue.  

Serviert wird der Bratkäse zu Kartoffeln oder Brot, auf welche die cremige Masse verteilt wird. Es ist auch möglich, den Käse auf ein „eher dunkles Brot“ zu legen, wie der Käser empfiehlt, und so im Backofen zu schmelzen oder ihn als Gratinzutat zu verwenden.

Bratkäse muss nicht zwingend „gebraten“ werden, er macht auch als Tafel- oder Dessertkäse zu einem Glas Wein eine gute Figur.

Wirtschaftliche Bedeutung

In Unterwalden ist der Bratkäse neben dem Alpkäse und dem Sbrinz das wohl beliebteste Käseprodukt. Die etwa 400 Bratkäse, welche die besuchte Käserei täglich herstellt, sind denn auch vorwiegend für den regionalen und einheimischen Markt gemacht.  

In der übrigen Schweiz ist der Bratkäse praktisch unbekannt, der Raclette gilt als Schweizer Schmelzkäse schlechthin. Auch in der besuchten Käserei macht die Racletteherstellung, die für den ganzen Schweizer Markt gedacht ist, über 90 Prozent aus.

Aktuell (2008) kosten 100 Gramm Bratkäse rund zwei Franken.

Literatur

  • Businger, Aloys,   wie's in Unterwalden vor 100 Jahren aussah. Nach einer zeitgenössischen Beschreibung von Aloys Businger,   Stans,   1926.  
  • Obwaldner Brattig,   Alpnach Dorf,   2000.  
  • Mässer, Gable, Leffelstiel - Alte Rezepte aus Nidwalden .... Geschichten rund ums Jahr,   Ermitage,   Beckenried,   1990.  
  • Keiser, Barbara,   Traditionelle Nidwaldner Küche - einst und jetzt,   Stans,   2004.  
  • Bachmann, Bruno<BR />Cuonz, Romano<BR />Von Moos, Rolf,   Gluschtigs us der Obwaldner Chuchi,   Sarnen,   1996.  
  • Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache,   Staub, Friedrich et al..  
  • Rohrer, Paul und Jürg Jedelhauser,   Alpen und Älpler. Kerns und Melchtal,   Sarnen,   2002.  
  • Montandon, Jacques,   Käse aus der Schweiz,   Lausanne,   1981.  
  • Schnieper, Robert,   Unser Käse. Ein Stück Schweiz,   Mondo Verlag,   Vevey,   1995.  
  • Businger, Aloys,   Der Kanton Unterwalden. 6. Heft (Gemälde der Schweiz),   Huber und Co.,   St. Gallen/Bern,   1836.  
  • Kaltenbach, Marianne,   Aus Schweizer Küchen. Überlieferte Rezepte aus den 26 Kantonen der Schweiz,   Hallwag AG,   Bern,   1996.  
  • Gutzwiller, Karl,   Die Milchverarbeitung in der Schweiz und der Handel mit Milcherzeugnissen,   Buchdruckerei Kühn & Comp.,   Schaffhausen,   1923.  
Käse- und Milchprodukte Drücken

Produktionsepizentrum

Unterwalden, selten im Kanton Uri.

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