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Bündner Alpkäse / Chaschiel d' alp dal Grischun

Caschiel d'alp, Chaschöl d'alp

Bündner Alpkäse /  Chaschiel d' alp dal Grischun

In Kürze

Bündner Alpkäse ist ein vollfetter Halbhartkäse aus Rohmilch. Ein Laib wiegt zwischen vier und sechs Kilogramm und sein Teig kann eine spärliche Lochung aufweisen. Im Handel ist der Bündner Alpkäse sowohl in milder, würziger als auch rezenter Form erhältlich.

Wie alle Schweizer Alpkäse unterliegt auch der Bündner der Berg- und Alp-Verordnung. Demnach darf die Kennzeichnung „Alpkäse“ nur verwendet werden, wenn die Milch während der Alpsaison im Alpgebiet erzeugt und verarbeitet wurde; ein Alpsommer dauert je nach Geografie und Meteorologie 70 bis 120 Tage. Die Rohmilch muss dabei von Kühen stammen, die auf einer Alpweide frei weiden können. Bergkäse kann während des ganzen Jahres im Rahmen der Bestimmungen auch in Käsereien produziert werden.

Verbreitet ist der Bündner Alpkäse vor allem regional. Ein grosser Teil der Produktion geht in die Gastronomie und Hotellerie oder wird direkt auf der Alp oder ab Bauernhof verkauft. Alpkäse sind im Bündnerland aber auch in Dorflädeli sowie vereinzelt im Grosshandel erhältlich.

Der Bündner Alpkäse zählt zur Familie der halbharten Alpkäse, die bereits nach zwei bis drei Monaten in den Handel kommen. Zur gleichen Familie gehören praktisch alle Ostschweizer und Innerschweizer Alpkäse. Alpkäse aus dem Berner Oberland, dem Waadtland sowie aus Obwalden sind dagegen Hartkäse, die länger reifen und etwas vollmundiger im Geschmack sind.

Beschreibung

Der Bündner Alpkäse ist ein vollfetter Halbhartkäse aus Rohmilch. Ein Laib wiegt zwischen 4 und 6 kg, der Käseteig weist eine sehr sparsame, reis- bis maiskorngrosse Lochung auf.

Zutaten

Rohmilch, Milchsäure-Bakterienkulturen, Lab. Später Salz und Wasser für das Salzbad und die Pflege der Rinde.

Geschichte

Im Kanton Graubünden führte die Käserei im Gegensatz zu den meisten anderen Schweizer Bergregionen bis weit ins 19. Jahrhundert hinein ein Schattendasein. Davon zeugt beispielsweise die Aufzählung der verschiedenen Benutzungsarten des Rindviehs im Werk „Gemälde der Schweiz. Der Kanton Graubünden“ aus dem Jahre 1838. Die Herstellung von Milchprodukten ist klar an letzter Stelle gerückt und wird wirtschaftlich als „verhältnismässig sehr unbedeutend“ beschrieben. Wichtiger waren die Rinderzucht für den Export, die Nutzung des Viehs als Lasttier und die Mästung von Schlachttieren. Scheinbar war man sogar auf Importe angewiesen, „(…) bezieht doch Bünden (…) vom Bregenzerwald her und weiter, alljährlich sehr bedeutende Lieferungen [von Butter und Käse] zum eigenen Verbrauch.“

Die grosse Ausnahme bildete das Engadin, wo bereits im 16. Jahrhundert fette Labkäse für den Export hergestellt wurden. Laut Aufzeichnungen eines Juristen aus dem Jahre 1556 wurde die Technik der Labkäserei im Kanton Graubünden um 1530 aus Italien eingeführt. Hauptabnehmer der fetten und transportfähigen Oberengadiner Hartkäse waren die oberitalienischen Klöster, in denen Käse als Fastenspeise beliebt war. Laut einem Reisebericht aus dem Jahre 1837 geht hervor, dass der Oberengadiner Fettkäse durchaus konkurrenzfähig war: „Hätten die Schweizer nicht Emmentaler, Urseler- und Greyerzerkäse, so würde man die Oberengadiner Fettkäse wohl für die delikatesten halten.“

Diese Situation begann sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu ändern. Damals entstanden die ersten Sennenkurse, seuchenpolizeiliche Bestimmungen wurden erlassen, in den 1920er-Jahren kam eine milchwirtschaftliche Beratungsstelle hinzu. Für Sanierungen der Alpbetriebe gab es ab 1930 kantonale Subventionen. All diese Massnahmen haben nicht nur zu einem Aufschwung der Vollfett-Käseproduktion in Graubünden geführt, sondern auch zu einer Verbesserung der Qualität und einer gewissen Vereinheitlichung der Produktion.

Entscheidend für diesen Wandel waren auch Wirtschaftsreformen des Alpwesens. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wichen die gewohnten Einzelsennereien, die über sehr beschränkte Produktionsressourcen verfügten, vermehrt Genossenschaftsbetrieben. Mit dieser Modernisierung veränderten sich auch die Prozesse der Milchverarbeitung: Produzierte man früher (abgesehen vom bekannten Engadiner Fettkäse) auf den Bündner Alpen Sauerkäse, Magerkäse, diverse Ziger und Alpbutter für den Eigenbedarf, so ist der vollfette und halbharte Alpkäse von heute ein qualitativ hochwertiges Lebensmittel, das grossflächig vermarktet werden kann. Ein Beleg dafür ist, dass ausser im Kanton Bern in keinem anderen Kanton so viel Alpkäse hergestellt wird wie in Graubünden.

Produktion

Der Bündner Alpkäse zählt zu Familie der halbharten Alpkäse, die alle den gleichen Produktionsprozess durchlaufen. Dass innerhalb der Familie trotzdem geschmackliche Unterschiede existieren, ist auf verschiedene Gründe zurückzuführen. So verändert sich – wie bei jedem Käse – auch bei den halbharten Alpkäsen der Geschmack je nach Reifegrad. Kommt er nach zwei bis drei Monaten in den Handel, ist er angenehm mild. Lässt man ihn länger reifen, wird er würziger und nach einem halben Jahr allmählich rezent. Ausserdem weist die Rohmilch auf jeder Alp ihren eigenen, typischen Geschmack auf, je nachdem, welche Alpenkräuter die Kühe fressen. Hauptverantwortlich für den Geschmack sind schliesslich die Milchsäuren-Bakterienkulturen, mit denen die Rohmilch vor der Weiterverarbeitung geimpft wird. Sie verleihen den Bündner Alpkäsen durch die Vergärung des Milchzuckers und den späteren Eiweissabbau ihren typischen Geschmack. Die Bakterienkulturen werden im Kanton Graubünden aus überprüften Stammkulturen selbst nachgezüchtet, sind also einzigartig. Im Grunde genommen schmeckt deshalb kein Bündner Alpkäse wie der andere. 

Für den Bündner Alpkäse wird ein Gemisch aus über Nacht gelagerter und gekühlter Abendmilch und frischer Morgenmilch verarbeitet. Die Abendmilch ist dabei so abgerahmt, dass der gewünschte Vollfettgehalt erreicht wird. Das heisst, der Fettgehalt in der späteren Trockenmasse des Alpkäses sollte mindestens 45 Prozent betragen.

Um einen lagerfähigen, halbharten Bündner Alpkäse zu erlangen, muss der Milch einen grossen Teil der enthaltenen 87% Wasser entzogen werden. Den Grundstein dafür bildet das Labverfahren. Eine halbe Stunde nachdem der Käser bei 32 Grad das Lab, ein Enzym aus Kälbermagen, beigegeben hat, ist die Milch geronnen. Sie wird nun verschnitten, worauf es zum „Bruch“ kommt: Die geronnene Milch trennt sich in flüssige Sirte, auch Molke oder Schotte genannt, und feste Käsekörner, die vor allem Milchfett und -eiweiss enthalten. Damit den Körnern ausreichend Flüssigkeit entzogen werden kann, verschneidet sie der Käser beim Bündner Alpkäse etwa kaffeebohnengross. Danach wird der Käsebruch unter permanentem Rühren auf 45 bis 47 Grad erhitzt, wodurch sich die Körner weiter zusammenziehen. „Würden wir einen Hartkäse herstellen, müssten wir die Körner noch kleiner verschneiden und auf über 50 Grad erhitzen, um ihnen noch mehr Flüssigkeit zu entziehen“, erklärt der Käser. Hartkäse können entsprechend länger gelagert werden, weil die Geschwindigkeit der Reifung und Bakterientätigkeit stark vom Wassergehalt der Käsemasse abhängt.

Nun spannt der Käser die Körner in eine runde Käseform, ins so genannte Järb. Mit einem Gewicht wird dort die restliche Sirte während 24 Stunden aus der Käsemasse gepresst – eine weitere Massnahme zum Flüssigkeitsentzug. Nach dem Pressen kommen die Laibe für für einen bis zwei Tage in ein Salzbad. Das Salz entzieht der Randpartie weiter Wasser und setzt sich dort fest, es kommt zur Rindenbildung. Zudem wandert das Salz langsam in den Käseteig und wirkt so als Aromaverstärker.

Nun beginnt die Reifung in den Lagerkellern. Bis zum Alpabzug im Herbst im Lagerkeller bei der Alp, dann im Tal im Keller der Bauernhäuser. Hier geht es darum, ideale Bedingungen zu schaffen, damit die Bakterienkulturen das Eiweiss und die Milchsäure wunschgemäss in kleine, aromawirksame Stoffe abbauen. Es darf in den Kellern nicht wärmer als 18 Grad sein, sonst könnten plötzlich Löcher im Teig entstehen oder es entwickeln sich Fehlaromen. Mit Bürsten wird gesalzenes Wasser auf die „grünen“ Käse geschmiert, wobei eine natürliche Schmiereflora, bestehend aus Bakterien, Hefen und Schimmelpilzen, entsteht. Diese Schmiereflora baut Milchsäure ab, fördert Aromen und Geschmacksentwicklung, unterstützt die Rindenbildung, bildet die typisch rötlich-braunen Farbpigmente der Rinde und schützt den Käse vor Verschimmelung und anderen unerwünschten Mikroorganismen.

Konsum

Erhältlich ist der Bündner Alpkäse fast das ganze Jahr hindurch, je nachdem wie lange der Vorrat aus der Vorsaison reicht. Konsumiert wird der Bündner Alpkäse vorwiegend als Schnittkäse zu Brot oder „Gschwellti“. Er eignet sich aber auch als Bratkäse oder für Gratin.

Wirtschaftliche Bedeutung

Die Gesamtproduktion von Bündner Alpkäse beträgt pro Sommer gegen 600 Tonnen (2016: 568 t Kuhkäse, 16 t Ziegenkäse). Im September 2016 wurden 115 Alpen mit QS-Nummern gelistet (QS bedeutet Qualitätssicherung). Die meisten davon sind Genossenschaftsalpen, wobei jeder Bestösser vom Verpächter seinen Anteil anhand der Milchmenge der Kühe bezieht.

... anderes

Alpkäse ist gesund. Eine Studie der ETH Zürich hat ergeben, dass Käse von der Alp bedeutend mehr ungesättigte Fettsäuren, so genannte Omega-3-Fettsäuren, enthält als herkömmlicher „Industriekäse“. Sie sollen das Risiko eines Herzinfarktes oder plötzlichen Herztodes um bis zu 50 Prozent senken. Verantwortlich für den hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren ist die reiche Alpvegetation, die viele gesunde Nährstoffe enthält.

Literatur

  • Zortea, Claudio,   Graubünden im Spiegel der Reiseberichte der landeskundlichen und topographischen Beschreibungen in der Zeit von 1800 bis 1850,   Zentralstelle der Studentenschaft,   Zürich,   1987.  
  • Curschellas, Michael,   Der Graubündner Alpkäse,   Schweizerische Milchzeitung,   Schaffhausen,   1946.  
  • Röder, G.W. und P.C. Von Tscharner,   Der Kanton Graubünden. XV. Heft. (Gemälde der Schweiz),   Huber und Compagnie,   St. Gallen/Bern,   1838.  
  • Gutzwiller, Karl,   Die Milchverarbeitung in der Schweiz und der Handel mit Milcherzeugnissen,   Buchdruckerei Kühn & Comp.,   Schaffhausen,   1923.  
  • Bildungsstätte Plantahof,   Landquart,   2017.  
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