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Landsgmendchrempfli

Landsgmeendchreempfli, Chrempfli, Landsgmendchrempfli, Landsgemeindekräpfli

Landsgmendchrempfli

In Kürze

Jedes Jahr am letzten Sonntag im April findet im innerrhodischen Hauptort ein geschichtsträchtiges politisches Ereignis statt: die Landsgemeinde. Gefüllt ist an diesem Tag aber nicht nur der „Platz bei der Linde“, sondern auch die Auslagen der Appenzeller Bäckereien mit einem weissen, halbkreisförmigen Kräpflein aus einem Zucker-Eier-Teig und einer Haselnussfüllung. Sie heissen dem Anlass entsprechend „Landsgmendchrempfli“.

Zusammen mit den „Leckerli“, etwa handgrossen, flachen und ungefüllten Lebküchlein, bilden sie das „Landsgmendchrom“, den süssen „Kram“ also, der an der Landsgemeinde verspeist wird.

Innerhalb der grossen schweizerischen Krapfenfamilie zählt das Landsgmendchrempfli zu jener Art, die im Ofen gebacken wird. Nahe Verwandte des Appenzeller Kräpfleins sind zum Beispiel die „Rigi-Böcke“ aus Goldau (SZ) oder die Gubel-Krapfen aus Menzingen (ZG). Auch sie werden im Ofen gebacken und mit einer Nussmasse gefüllt. Das Landsgmendchrempfli unterscheidet sich von seinen Artgenossen durch den Konsum und die Form. Die Chrempfli aus Appenzell sind eine saisonale Spezialität mit starkem Bezug zur Landsgemeinde, während die anderen Kräpflein mit Nussfüllung ganzjährig hergestellt werden. Und im Gegensatz zu den anderen Kräpflein ist das Landsgmendchrempfli halbkreisförmig und nicht rund.

Das Wort Krapfen ist auf die althochdeutschen Begriffe „crapho“, „kraphun“ und „kräpfen“ zurückzuführen, die schon im 9. Jahrhundert bekannt waren. Es bedeutete in erster Linie Kralle oder Haken und nahm wohl Bezug auf die gebogene Form, die Krapfengebäcke teilweise bis heute aufweisen.

Verschiedene Kochbücher aus dem Spätmittelalter zeigen, dass damals Krapfen als gefülltes Gebäck verstanden wurden. Die Füllung konnte dabei sowohl aus Fleisch und Gemüse wie auch aus süss gewürzten Äpfeln, Nüssen und Rosinen bestehen. Gebäcke zu füllen hatte in der frühen Neuzeit auch funktionale Gründe. Man ass damals viele Speisen von Hand, wollte aber gleichzeitig sauber sein, weshalb Küchenmeister und Hausfrauen ihre Speisen entsprechend in einen Teigmantel „einpackten“. Eine einheitliche Form oder Grösse scheint es nie gegeben zu haben.

Diese Vielfalt zeigt sich bis heute. Krapfen kann man sowohl in einem Fettstoff wie auch mit Ofenhitze backen. Die erste Variante ist möglicherweise die ältere und weiter verbreitete, da Backöfen bis ins 20. Jahrhundert hinein in Privathaushalten nicht selbstverständlich waren. Die in einem Fettstoff gebackenen Krapfen sind im deutschsprachigen Raum vielfach eng mit der Fasnachtszeit verbunden. In der Schweiz umfasst das Krapfen-Gebiet vor allem die Innerschweiz.

Beschreibung

Handgrosses, halbkreisförmiges Zuckerteiggebäck mit einer Haselnussfüllung. Der Teig wird meistens mittels Prägemodel mit einfachen Sujets versehen.

Zutaten

Teig: Weissmehl, Wasser, Zucker, Eier, Triebmittel

Füllung: Haselnüsse, Wasser, Zucker, Biskuitbrösel, Zitronenraspeln und ein Schuss Zitronensaft.

Geschichte

Wie lange die Chrempfli die Landsgemeinde schon kulinarisch bereichern, ist unklar. Die Indizien sprechen dafür, dass die Kräpflein in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts nicht an der Landsgemeinde, sondern in Appenzeller Klöstern zu finden waren.

Die erste schriftliche Erwähnung eines Chrempfli liefert nämlich eine nationale, volkskundliche Umfrage aus den 1930er-Jahren, die ein Appenzeller Gebäck namens „Kloster-Chrempfli“ aufzählt. Von der Landsgemeinde oder einem Landsgmendchrempfli ist nichts erwähnt. Die „Kloster-Chrempfli“ aber wurden damals in den beiden Kapuzinerinnen-Klöstern in Appenzell und Jakobsbad zum Verkauf hergestellt. Leider fehlen jegliche Informationen über das Aussehen oder die Zusammensetzung dieser „Kloster-Chrempfli“.

Ein Übergang der Produktion von den Kloster- in die Berufsbäckereien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts scheint jedenfalls eine durchaus mögliche Entwicklung zu sein. Krapfen haben nicht nur eine lange Tradition als Fasnachts- und Festgebäck, sondern auch als Köstlichkeit der klösterlichen Bäckereien. Albert Spycher verweist in seinem „Ostschweizer Lebkuchenbuch“ auf „eine der frühesten Erwähnungen des Krapfengebäcks (…)“ einer „elsässischen Äbtissin“ aus dem 12. Jahrhundert. Und gerade in Frauenklöstern war die Tradition des Krapfenbackens bis weit ins letzte Jahrhundert hinein sehr lebendig, „Chloschter-Chräpfli“ sind beispielsweise im dritten Idiotikon-Band als typische Krapfenart aufgeführt. Von Landsgmendchrempfli dagegen fehlt im Idiotikon jede Spur.

Spannend im Zusammenhang mit dem Landsgmendchrempfli ist die Tatsache, dass die Herstellung offenbar von Beginn an in „professionellen“ Händen war, also nicht in privaten Haushalten gebacken wurde. Erst waren es vermutlich die Klosterbäckereien, die das Kräpflein hergestellt haben, dann haben das die Appenzeller Berufsbäcker übernommen.

Produktion

Die Produktion beginnt mit der Zubereitung des Zucker-Eier-Teiges sowie der Haselnussfüllung. Für den Teig werden Eier und Zucker schaumig geschlagen. Erst dann gibt man Weissmehl, Wasser und Triebmittel dazu und lässt die Masse von einer Knetmaschine zu einem Teig kneten. Es handelt sich dabei um einen Teig, wie man ihn üblicherweise für Anisgebäcke verwendet. Anis benutzt allerdings kaum ein Appenzeller Produzent für seine Landsgmendchrempfli, weil das Gewürz über „einen intensiven Eigengeschmack verfügt, den nicht alle Konsumenten mögen“, wie der besuchte Bäcker erklärt.

Besonderen Wert legt man in seiner Bäckerei auf die selbst hergestellte Füllung, „die gar nicht so süss sein muss“, wie er ausführt, „weil der Teig schon ordentlich Zucker enthält“. Also werden ungeschälte, geröstete und fein gemahlene Haselnüsse, Wasser, nicht zuviel Zucker und trockene, ebenfalls gemahlene Biskuits, auch Schraps genannt, zu einer feuchten, leicht körnigen Masse vermischt. „Wir geben zusätzlich noch frische Zitronenraspeln und etwas Zitronensaft dazu. Das sind Nuancen, aber die merkt man später eben doch“, verrät der besuchte Bäcker. Es folgt das Ausrollen des Teiges zu einem etwa 4,5 mm dicken Teigteppich, aus dem mit einem leicht gezackten, metallenen Ausstecher die runden Teiglinge von etwa 11 cm Durchmesser ausgestochen werden. Von Hand drückt man diese anschliessend auf ein Holzmodel, damit sich das Sujet schön in den Teig eingraviert und drückt die Haselnussmasse mit einem Dressiersack auf die Teigstücke. Schliesslich werden die Teiglinge mittig übereinander gelappt und dann am Rand festgedrückt. So entsteht ein geschlossener, halbkreisförmiger Teigbeutel, wobei das Modelsujet nur noch gut hälftig sichtbar ist.

Nun lässt man die Chrempfli in einem trockenen, warmen Raum über Nacht ruhen. In dieser Zeit beginnt der im Teig enthaltene Zucker zu kristallisieren, und es bildet sich eine harte Kruste an der Aussenfläche. „Dieses lange Trocknen ist fast der wichtigste Produktionsschritt“, erklärt der Bäcker, „denn danach ist die verkrustete Aussenhülle so fest, dass sie beim anschliessenden Backprozess von 20 Minuten bei 220 Grad nicht verläuft.“ Nur so sind die vom Model geformten Sujets auch nach dem Backen gut erkennbar.

Die Sujets variieren von Bäckerei zu Bäckerei“, kommentiert der Bäcker. Er selbst verwendet sechs verschiedene Modelsujets: eine Doppelkirsche, eine Birne, einen Früchtekorb, einen Schwan und eine Taube sowie ein Schweizer Wappen.

 

Konsum

Bis zu Beginn der 1990er-Jahre war die Appenzeller Landsgemeinde eine reine Männersache. Was die Frauen vom politischen Zeremoniell mitbekamen, beschränkte sich damals auf eine Schachtel Landsgmendchrempfli, die die Männer ihren Frauen und Kindern mit nach Hause brachten. Damals wurden die Chrempfli nur während eines kurzen Zeitraumes rund um die Landsgemeinde Ende April hergestellt und von Einheimischen konsumiert. Die Nachfrage stieg jedoch stetig, auch die Touristen entdeckten das Kräpflein und so dehnte sich der Herstellungszeitraum kontinuierlich aus. Einige Bäckereien bieten die Chrempfli bereits das ganze Jahr über an, andere von Anfang März bis Ende Mai.

Gegessen wird das Süssgebäck, das rund eine Woche haltbar ist, als Zwischenverpflegung zum Kaffee oder Tee und als Nachtisch.

Wirtschaftliche Bedeutung

„Das Landsgmendchrempfli ist in letzter Zeit immer wichtiger geworden für uns“, bestätigt auch der besuchte Produzent. Dabei sind es nicht nur einheimische Landsgemeinde-Besucher, die ihre Kinder beschenken oder die Chrempfli selber geniessen, oder Touristen, sondern neuerdings auch Firmen, die die Kräpflein in grossen Mengen zu Firmenanlässen bestellen.

Höhepunkt der Produktion bleiben aber die Tage rund um die Landsgemeinde, wenn die Tagesproduktion von 250 auf über 500 bis 700 Stück anschwillt.

... anderes

Abschliessend soll die Appenzeller Landsgemeinde noch kurz näher vorgestellt werden. Neben Appenzell existiert diese politische Abstimmungsform auf kantonaler Ebene nur noch in Glarus, in den anderen Innerschweizer Kantonen ist sie mittlerweile abgeschafft worden. Was eine solche Landsgemeinde überhaupt ist, bringt das Historische Lexikon der Schweiz auf den Punkt: „(Sie) ist die verfassungsmässige, unter feierlichem Zeremoniell abgehaltene Versammlung der stimmfähigen (…) Bewohner (…), an denen die Behörden gewählt und über Sachgeschäfte abgestimmt wird.“ Sie sind im Spätmittelalter entstanden, in Appenzell im 14. Jahrhundert, und waren bis weit ins letzte Jahrhundert hinein eine reine Männerangelegenheit.

Literatur

  • Spycher, Albert,   Ostschweizer Lebkuchenbuch. St. Galler und Appenzeller Biber, Biberfladen und Verwandte,   Appenzeller Verlag,   Herisau,   2000.  
  • Krauss, Irene,   Chronik bildschöner Backwerke,   Hugo Matthaes Druckerei und Verlag GmbH & Co. KG,   Stuttgart,   1999.  
  • Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache,   Staub, Friedrich et al..  
  • Historisches Lexikon der Schweiz (HLS),   Historisches Lexikon der Schweiz,   Bern,   15.8.2006.  
  • Hauser, Albert,   Das Neue kommt. Schweizer Alltag im 19. Jahrhundert,   Zürich,   1989.  
  • Nisple, Agathe,   Appenzell. Ein Dorf- und Kulturführer,   Herisau,   2001.  
  • Bäuerinnenverband Appenzell Innerrhoden<BR />Landfrauenverband Appenzell Ausserrhoden,   Appenzeller Frauen kochen. 242 ausgesuchte und erprobte Rezepte von Bäuerinnen und Landfrauen aus den beiden Halbkantonen,   Oberdiessbach,   1998.  
  • Appenzeller Magazin (Nr. 1, 2003),   Appenzeller Medienhaus,   Appenzell,   2003.  
  • Rüsch, Gabriel,   Der Kanton Appenzell. XIII. Heft. (Gemälde der Schweiz),   Huber und Compagnie,   St. Gallen/Bern,   1835.  
  • 27 Rezepte von Bäuerinnen aus allen Kantonen der Schweiz - einfach zum Nachbacken,   LID.ch,   Brugg,   2007.  
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