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DrückenMünstertaler Brot / Paun jauer /paun sejel
Parel, ein deutscher Begriff im romanisch sprechenden TalVal Müstair, der aus dem benachbarten Südtirol „eingewandert“ ist; bedeutet soviel wie das Paar.
In Kürze
Das Münstertaler Brot (Paun jauer, Paun sejel) ist ein flaches, rundes, helles Roggenbrot in einer Doppelform, bestehend aus zwei runden, aneinander gebackenen Hälften.
Es wird im Val Müstair (Münstertal, Kanton Graubünden) produziert und auch vorwiegend in dieser Region konsumiert.
Im Gegensatz zum Walliser Roggenbrot, das aus einem Sauerteig hergestellt wird, ist das Münstertaler Brot ein Hefeteigbrot.
Beschreibung
Das Münstertalerbrot ist das traditionelle Brot im ganzen Tal. Es ist ein flaches, rundes, helles Roggenbrot in einer Doppelform, bestehend aus zwei runden, aneinander gebackenen Hälften. Es ist etwa 400 Gramm schwer. Die Kruste, v.a. der Boden ist auffallend mehlig.
Zutaten
Roggenmehl, Weizenmehl, Wasser, Hefe und Salz
Geschichte
Wie mit vielen Broten ist es auch beim Münstertaler Brot schwierig, einen Entstehungszeitraum zu nennen. Die ältesten Belege führen ins 19. Jahrhundert, es ist jedoch möglich, dass es das Brot bereits früher gab. Das Münstertaler Brot war aber nicht nur Begleiter zu Käse oder Wurst – es war auch Zutat verschiedener Alltagsspeisen wie der Brotsuppe oder dem Brotkuchen.
Ursprünglich wurde das Münstertaler Brot nur aus Roggenmehl hergestellt und war nicht so luftig wie heute. Roggen eignet sich gut für den Anbau in hoch gelegenen Tälern mit relativ rauem Klima. Weizen hätte teuer aus Italien importiert werden müssen..
Die typische Fladenform rührt einerseits daher, dass sich Roggenmehl auf Grund seiner Eigenschaften besonders gut für fladenartige Gebäcke eignet. Andererseits ist sie geprägt von der Konservierungsmethode des Brotes, wie sie noch etwa bis in die 1970er Jahre von vielen Bauernfamilien im Tal angewandt wurde: Das Brot hat man jeweils für mehrere Wochen oder gar Monate auf Vorrat gebacken und es musste danach haltbar gemacht werden. Dies geschah im Wesentlichen durch Austrocknung. Dafür schichtete man die flachen Brotlaibe senkrecht in ein speziell dafür bestimmtes Gestell, so dass die Laibe sich gegenseitig nicht berührten. Dies erlaubte eine Austrocknung ohne den gefürchteten Schimmelbefall.
Ende des 19. Jahrhunderts entstanden im Münstertal die ersten gewerbsmässigen Bäckereien. War das Backen eines guten Brotes zuvor für jede Hausfrau eine Ehrensache und konnte unter Umständen ihre Chancen auf dem Heiratsmarkt erheblich steigern, wurde die private Bäckerei zusehends von der gewerblichen abgelöst.
In den 1950er Jahren begannen einige Bauern, ihr Roggenmehl bei den Bäckern gegen Weizenmehl zu tauschen. Der Bäcker machte dann das traditionelle Roggenbrot zusehends für Touristen. Mittlerweile gibt es noch einen Bäcker im Münstertal, der Münstertaler Brot herstellt.
2007 wurde das Paun sejel Val Müstair, das traditionelle Münstertaler Roggenbrot in Doppelfladenform und 70 Prozent Roggenmehl aus lokalem Anbau, von Slow Food Schweiz in die Arche des Geschmacks aufgenommen (Presidio 2007).
Produktion
Das Münstertaler Brot wird aus 80 Prozent hellem Roggenmehl und 20 Prozent halbweissem Weizenmehl hergestellt. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts hat man, wie für Roggenbrote üblich, das Brot mit Sauerteig erstellt. Heute macht man es jedoch aus einem Hefeteig.
Zuerst wird ein Vorteig, der Hebel, erstellt. Diesen lässt der Produzent mit der Hälfte der Teigmasse aus Roggenmehl, Wasser und Hefe während sechs bis acht Stunden gären. Danach vermischt der Produzent diesen Vorteig mit dem restlichen Roggenmehl, dem Weizenmehl, Wasser und Salz zu einem ziemlich weichen, fast flüssigen Brotteig, der eine für Roggenmehl typische, klebrige oder „klitschige“ Konsistenz hat. Der fertige Teig wird direkt, ohne weiteres Aufgehen unter Verwendung von viel Mehl geformt. Dafür werden zwei faustgrosse Teigstücke auf ein stark bemehltes Brett nebeneinander gelegt. Es ist eine typische Eigenschaft des Münstertaler Brotes, dass Kruste und Boden stark bemehlt sind. Die geformten Brote gehen in den folgenden ein bis zwei Stunden in der Backstube bei ca. 25-30°C auf und die beiden Hälften „fliessen“ ineinander. Nun muss der richtige Moment für das Backen der Brote abgewartet werden. Dieser Schritt verlangt viel Erfahrung, Geduld und Geschick. Gebacken wird für circa 30 Minuten bei 240 Grad und zwar nicht, wie sonst bei Brot üblich mit Dampf, denn die Brotlaibe würden dabei zu sehr verlaufen.
Konsum
Das Münstertaler Brot war das typische Alltagsbrot in der Region. Da das ofenfrische Brot wegen des hohen Wassergehalts sehr feucht ist, schmeckt es nach zwei bis drei Tage am besten. Dann kommt der würzige, nussige Geschmack des Roggens am besten zur Geltung. Es passt hervorragen zu Trockenfleisch, aber auch als simples Butter- oder Konfibrot ist es wunderbar.
Wirtschaftliche Bedeutung
Das Münstertaler Brot wird einerseits in der Bäckerei selber verkauft. Ein grosser Teil wird aber auch an die Gastronomie und Hotellerie in der Region vertrieben. Beliefert wird auch die Delikatessen-Abteilung eines Warenhauses in Chur und Lebensmittelläden im Tal. Je nach Saison werden 100 bis 150 Brote pro Tag produziert. Beeinflusst wird diese Schwankung vor allem durch die Touristensaisons. Für die Herstellung von Münstertaler Brot werden jährlich ca. 15 Tonnen Roggenmehl verarbeitet. Als Anpassung an ein neues Konsumverhalten wird neben der traditionellen Form von ca. 400g, seit wenigen Jahren auch ein kleines Format von ca. 150g hergestellt.
Literatur
- Pünchera Anna Chatrina, Co chi’s fa pan – e co chi’s cultiva ils chomps da sejel, 1979.
- Der Hochwächter. Blätter für heimatliche Art und Kunst, Haupt, Bern, 1957.
- Schweizerisches Archiv für Volkskunde, Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde, Basel, 1942/44.
- Dorschner, Fritz, Das Brot und seine Herstellung in Graubünden und Tessin, Winterthur, 1936.
- Slow Food Schweiz, Slow Food Schweiz, Zürich, 2017.
- Genossenschaft Gran Alpin, Genossenschaft Gran Alpin, Tiefencastel , 2017.
- Naturpark Biosfera Val Müstair, Naturpark Biosfera Val Müstair, Tschierv, 2017.
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