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Schlipfechäs

Schlipfer Chäs

In Kürze

Der Schlipfechäs (Schlipferchäs) ist ein milder, rindenloser Frischkäse, der vor dem Konsum in dünnen Tranchen in Salzwasser eingelegt wird. Er wird sowohl aus voll- als auch aus viertelfetter Rohmilch hergestellt und ist nur während den Alpmonaten erhältlich. Eine Variante aus pasteurisierter Milch hingegen gibt es das ganze Jahr.

Produziert wird der Schlipfechäs fast ausschliesslich in Alpbetrieben im Appenzellerland. Konsumiert wird er vorwiegend in den beiden Appenzeller Halbkantonen.

Von seiner Konsistenz erinnert der Schlipfechäs an Mozzarella, ist aber weniger faserig und etwas weicher. Eng verwandt ist der Schlipfechäs mit dem im St. Galler Rheintal verbreiteten Brühkäse. Dies ist ein viertelfetter Käse, bei dem die Käsestücke ebenfalls in eine Flüssigkeit eingelegt werden. Mit einem Durchmesser von etwa drei Zentimetern ist er aber kleiner und auch etwas weicher als der Appenzeller Schlipfechäs. 

Der Name “Schlipfechäs“ kommt von seiner Zubereitungsart. Da der Käse in dünnen Tranchen in Salzwasser eingelegt wird, wird er “schlipfig“, also glitschig. In einem Buch über die Bauernarbeit im Kanton Appenzell Innerrhoden wird der Käse als “schlipferig, schlipfig: glatt, beim Anfassen leicht entgleitend“ beschrieben.

Beschreibung

Rindenloser Weichkäse aus Rohmilch, der vor dem Konsum in Tranchen in eine Salzwasser-Flüssigkeit eingelegt wird.

Zutaten

Rohmilch, Lab, Bakterienkultur, Salzwasser

Geschichte

Der besuchte Produzent schätzt das Alter des Produktes auf etwa 150 bis 200 Jahre. Er vermutet, dass der Schlipfechäs an Anfang an ein idealer Käse für die Sennen war, weil er nicht zuerst ein halbes Jahr gelagert werden musste, sondern bereits nach einem Tag genussbereit war. Schriftlich belegen lässt sich diese Vermutung jedoch nicht.

Käse gehört bereits seit mehreren Jahrhunderten zu den Hauptnahrungsmitteln der Appenzeller Alpsennen. Im “Gemälde der Schweiz“ über den Kanton Appenzell, das im Jahr 1835 erschien, ist zu lesen: “Die Sennen leben, zumal zur Sommerszeit, einzig von Milch, Molken, Zieger, Butter, Käse und Brot.“ Um welche Art Käse es sich dabei exakt handelte, bleibt allerdings offen. Neben dem rezenten Rässkäse, einem würzigen Käse, der aus teilentrahmter Milch hergestellt wurde und monatelang ausreifte, wurde auf den Appenzeller Alpen im 19. Jahrhundert meist ein junger Käse, primär für den Eigenkonsum, hergestellt, den man nur für wenige Tage in den Keller gelegt hat, erzählt ein Appenzeller Käsefachmann und -händler. Durch die Kellerlagerung begann der Käse aber trocken zu werden. “Um ihn wieder weich zu machen, dass er nicht mehr wie Gummi auf den Zähnen ’gyret’ [knirscht] beim Essen, hat man ihn vor dem Konsum in eine Flüssigkeit eingelegt“, so der Händler. Er vermutet, dass so der Schlipfechäs entstanden ist.

Seitdem der Bund den Rahm nicht mehr so stark subventioniert, also seit jüngster Zeit, wird der Schlipfechäs auch aus nicht entrahmter Rohmilch hergestellt. So auch beim besuchten Produzenten, dessen Schlipfechäs einen Fettgehalt von mindestens 45 Prozent Fett in Trockenmasse aufweist: “Der Käse wird so zarter, als wenn die Milch erst entrahmt würde und der Käse 25 Prozent Fett aufweisen würde, wie das früher immer der Fall war.“

Seit 2008 ist „Schlipferkäse“ ein Arche-Produkt des Conviviums Ostschweiz von Slow Food Schweiz.

Produktion

Bei frischem Rohmilchkäse muss ein besonderes Augenmerk auf die Milch gerichtet werden, denn die Gefahr von gesundheitsgefährdenden Keimen ist hier grösser als bei Hartkäse, der monatelang ausreift. “Beim Schlipfechäs ist eine einwandfreie Milch deswegen von entscheidender Bedeutung“, verdeutlicht der besuchte Produzent. 

Zu Beginn giesst der Produzent frische Kuhmilch ins Käsekessi. Nach etwa einer halben Stunde Vorreifung gibt der Käser bei einer Temperatur von 30 Grad die Milchsäurebakterienkultur und weitere 30 Minuten später das Lab bei. Durch das Lab wird die Milch zum Gerinnen gebracht. Nach weiteren 30 Minuten ist die Milch stichfest. Man nennt diese nun Gallerte. Mit der Käseharfe, einem Schneideinstrument, wird die Masse gleichmässig in kleine Körner geschnitten. Dabei ziehen sich die Körner zusehends zusammen und scheiden Flüssigkeit aus, die so genannte Molke: Es ist zum Bruch gekommen. Gleichzeitig wird der Käsebruch auf 35 Grad erhitzt. “Wenn die Temperatur zu hoch ist, würde der Käse zu hart und man könnte daraus keinen Schlipfechäs mehr herstellen. Allgemein gilt: Je höher die Temperatur, desto trockener und härter wird der Käse“, erklärt der Produzent eine Faustregel der Käseherstellung. 

Sobald der Käsebruch die gewünschte Festigkeit aufweist, füllt der Käser die Körner samt der Molke in Kunststoffformen ab. Am besten stellt man sich darunter ein hohes "Röhrli mit einem Durchmesser von 12 Zentimetern vor", so der Produzent. Durch winzige Löcher in diesen Formen kann die Molke abfliessen, gleichzeitig werden die Käsekörner durch Metallgewichte zu einer kompakten Masse zusammengepresst.

Dann wird der länglich geformte Käse herausgenommen und in drei kleine Käselaibe, so genannte "Mutschli", verschnitten. Diese legt der Produzent vorsichtig in die Kunststoffform zurück, fügt jedoch zwischen den Laiben kleine, runde Kunststoffplatten und Siebe ein, damit die drei Käslein nicht wieder zu einer Stange zusammenwachsen. Die Siebe bewirken zusätzlich, dass weiterhin Molke abfliessen kann. Mindestens einmal pro Stunde werden die Käse samt der Form gewendet. Nach etwa sieben Stunden wird der Schlipfechäs schliesslich ins Salzbad gelegt, wo er während einiger Stunden bleibt. Durch diese Salzbehandlung wird den kleinen Käselaiben weitere Flüssigkeit entzogen. Nach dem Salzbad sind die Laibe, die beim besuchten Produzenten ein Gewicht von 500 Gramm bis 4 Kilogramm aufweisen, verkaufsbereit.  

Der Schlipfechäs aus Rohmilch wird weder gelagert noch affiniert. Das würde auch gar nicht funktionieren, wie der Produzent erklärt: “Da der Käse nicht so hoch erhitzt wird, weist er einen vergleichsweise hohen Wasseranteil auf und die Gefahr, dass er beim Ausreifen bitter würde, ist sehr gross.“

Konsum

Üblicherweise schneiden die Konsumenten den Schlipfechäs in dünne, etwa einen halben Zentimeter dicke Scheiben und legen sie während zwölf Stunden bei Zimmertemperatur ein. Die Kunst dieses Einlegens besteht darin, dass die Tranchen zwar weich werden, aber nicht auseinander fallen. “Dass der Käse weich wird, ist auch für den Profi eine Herausforderung“, meint der Produzent verschmitzt. Die Käsescheiben werden dafür in einen Suppenteller gegeben und mit Salzwasser überdeckt. Der Produzent: “Ich gebe eine rechte Prise Salz dazu. Andere fügen je nach Vorliebe Öl, Kräuter, Rahm oder Milch bei.“ Bevor der Käse gegessen wird, giesst man die Flüssigkeit ab. Die Käsetranchen werden vom Käseverkäufer als “schliferigi Sach“ beschrieben. Der Produzent mag den Schlipfechäs am liebsten, wenn die einzelnen Käsetranchen, die er mit einem Messer herausholt, nicht auseinander fallen, wenn er sie isst. Die Meinungen, wie weich ein Schlipfechäs optimalerweise sein sollte, sind aber geteilt.

Da der Schlipfechäs relativ wenig Eigengeschmack aufweist, kann man das Produkt zu fast allem konsumieren. Zum Frühstück isst der Produzent Schlipfechäs am ehesten zu Brot und Butter, beim Abendessen auch zu Fleisch oder Essiggurken. Er fügt an: “Besonders gut passen auch Tomaten.“ Immer häufiger ersetzt der Käse im Appenzellerland den Mozzarella bei einem Tomaten-Basilikum-Salat. Auch die Kombination von Schlipfechäs mit Fruchtsalat oder Früchten, wie zum Beispiel Ananas, ist beliebt. 

Ein Berggasthaus, welches der besuchte Produzent direkt beliefert, bietet Schlipfechäs mit Kräutern, etwas Rahm und schwarzem Pfeffer als Vorspeise an.

Wirtschaftliche Bedeutung

Schlipfechäs gibt es nur in Käsefachgeschäften im Appenzellerland zu kaufen. Die einzelnen Käseläden im Appenzellerland verkaufen pro Jahr ungefähr je 200 bis 300 Kilogramm Schlipfechäs.

Der besuchte Produzent, einer von ungefähr fünf Schlipfechäs-Produzenten, stellt jährlich gut 500 Kilogramm Schlipfechäs her. Den grössten Teil verkauft er persönlich auf der Alp oder auf dem Markt. Der Rest geht an Restaurants oder Käsefachgeschäfte im Appenzellerland. Im Sommer auf der Alp produziert der besuchte Produzent den Schlipfechäs je nach Bedarf, ungefähr einmal pro Woche. Im Winter stellt er seltener auf Nachfrage im Tal Schlipfechäs her. Für ihn ist der Schlipfechäs ein finanziell interessantes Nebenprodukt, das er schon am Tag nach der Herstellung verkaufen kann.

Literatur

  • Fuchs, P. Ferdinand,   Bauernarbeit in Appenzell Innerrhoden. Sachen - Methoden - Wörter,   Verlag G. Krebs AG,   Basel,   1977.  
  • Slow Food Schweiz,   Slow Food Schweiz,   Zürich,   2017.  
Käse- und Milchprodukte Drücken

Produktionsepizentrum

Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden

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