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Schlumbergerli

Umgangssprachlich, vor allem in Basel gebräuchlich: Schlumbi

In Kürze

Einige Brötchen verdanken wir allein der Tatsache, dass „das Brot der Fremde“ selten so gut schmeckt wie jenes, an das die Geschmacksknospen von Kindheit an gewöhnt sind. So geschah es beim Schlumbergerli. Das geschmackliche Heimweh führte so weit, dass das vermisste Produkt in der neuen Heimat beschafft wurde.

Das Schlumbergerli ist ein rundes, knusprig gebackenes Brötchen. Es wird aus demselben Teig wie die Semmel oder das Mütschli hergestellt, weist jedoch eine rosettenförmige Oberfläche auf sowie eine mehlige und so genannt "rösche" Kruste. Hauptmerkmal für "rösch" ist eine elastische Kruste, die auf Druck mit einem hörbaren Knistern reagiert. Kunden beurteilen daran oft die Frische des Produkts.

Bis mindestens in die 1950er Jahren stellten hauptsächlich die Bäcker aus Basel und Umgebung das Schlumbergerli her. Anderswo in der Schweiz war das Brötchen fast unbekannt. Das hat sich mittlerweile geändert. Da die gesamtschweizerischen Organisationen der Bäcker- und Konditorenverbände zunehmend lokale und regionale Produkte in der ganzen Schweiz bekannt machten, beispielsweise über nationale Ausstellungen, gesamtschweizerische Lehrmittel und die Propagierung von Kantonsbroten, fand das Schlumbergerli schliesslich Eingang ins Sortiment der Schweizer Bäckereien – selbst in der Romandie und dem Tessin, wo es unter demselben Namen verkauft und gegessen wird. Die mittlerweile nationale Verbreitung zeigt sich auch daran, dass es zum Prüfungsrepertoire bei den Lehrabschlussprüfungen der Bäckerinnen und Bäcker in der Schweiz gehört.

Ein nach Italien ausgewanderter Schweizer Bäcker führt die Schlumbergerli sogar in Mailand unter diesem Namen in seinem stark helvetisch geprägten Sortiment. 

Beschreibung

Schlumbergerli sind runde, knusprig gebackene Kleinbrote aus Semmelteig mit einer rosettenförmigen Rissstruktur. Die Porung ist eher unregelmässig, die Krume leicht elastisch und die Kruste zartknusprig.Von der Grösse und dem Gewicht her variiert das Stück zwischen 40 und 50 Gramm.

Zutaten

Wasser, Hefe, Levit, Malz, Salz, Weiss- oder Halbweissmehl und Öl. Das Öl wird nur zum Bestreichen der Unterlage beim Formen verwendet.

Geschichte

Es war der elsässische Bankier und Industrielle Amedée Schlumberger, den das kulinarische Heimweh plagte, als er das Elsass aufgrund der deutschen Besetzung verlassen musste und 1872 in die Schweiz emigrierte. Schlumberger war mit einer Baslerin aus dem wohlhabenden Geschlecht der Ehinger verheiratet und so zog die Familie nach Basel, wo Schlumberger Teilhaber in der Bank des Schwiegervaters wurde und so auch Anschluss an das gesellige Leben der Basler Oberschicht fand. Auch wenn er in Basel ein gutes Leben führen konnte, so vermisste er – gemäss der Familienerzählung – doch den unverwechselbaren Geschmack der typisch französischen „petits pains bien crustillants“, der kleinen knusprigen Weissmehlbrötchen. Doch statt in melancholischer Sehnsucht zu verharren, beauftragt Amedée Schlumberger den Bäckermeister Riedtmann in der Aeschenvorstadt in Basel mit der Produktion solcher Brötchen, die er dann mit Vorliebe an den gesellschaftlichen Einladungen in seinem Hause servieren liess. Diese neuartigen Brötchen fanden offenbar grossen Anklang und als Bäcker Riedtmann nach deren Namen gefragt wurde, erklärte er einfach, dass dies die Brötchen seien, welche der Schlumberger jeweils backen liess. So kam es, dass die Brötchen schliesslich im Volksmund einfach „Schlumbergerli“ genannt wurden. Und wie das mit der mündlichen Sprache so ist, wurde mit der Zeit daraus in Basel ganz einfach das „Schlumbi“.

Die Basler Bäcker riefen 100 Jahre nach Schlumbergers Emigration, im Jahr 1972, zum Jubiläum auf. Die Bevölkerung hatte allen Grund zur Freude, denn zu dieser Gelegenheit verkauften die Bäcker die Brötchen zum gleichen Preis wie vor 100 Jahren: Nämlich zu 5 Rappen das Stück. Das war 3 bis 4 Mal weniger, als das Brötchen 1972 kostete. Die Aktion war ein grosser Erfolg. Nach nur drei Stunden sollen die rund 1 Million Brötchen verkauft gewesen sein.

Produktion

"Die Basis für das Schlumbergerli ist ein einfacher Weissmehlteig – oft auch als Semmelteig bezeichnet", so der besuchte Bäcker. Semmelteig besteht aus Weissmehl oder einer Mischung aus Weiss- und Halbweissmehl, Wasser, Hefe, Levit, Malz und Salz. Selbst in den kleineren Bäckereien wird heute für die Teigproduktion eine Knetmaschine verwendet, wobei der erfahrene Bäcker die jeweilige Lufttemperatur berücksichtigt, wenn er die Menge der Hefe und die Temperatur des Wassers bestimmt. Wenn der Teig etwas geruht hat, teilt der Bäcker ihn in abgewogene, so genannte „Brüche“ auf, welche er zu einer Art grosser Laibe formt. Diese lässt er dann wieder eine Weile ruhen. Die verschiedenen Ruhezeiten, in denen der Teig zu gären beginnt und langsam sein Aroma findet, sind in Backstuben, in denen noch ein grosser Teil der Arbeit von Hand verrichtet wird, zeitlich nicht exakt festlegbar: "Hier haben Wetter, Backstubentemperatur und Ähnliches einen Einfluss", erklärt der besuchte Bäcker. Bis zu diesem Punkt unterscheidet sich die Produktion des Schlumbergerlis in nichts von der von Semmeln und ähnlichen Kleinbroten. Es ist der nächste Schritt, die Formung der Schlumbergerli, der sie zu dem macht, was sie später sind. Im Gegensatz zu den anderen Brötchen wird bei der Herstellung des Schlumbergerli die Arbeitsfläche mit Öl oder einem anderen flüssigen Pflanzenfett eingepinselt. Auf dieser wird der Teig zu kleineren Brötchen geformt. Die Arbeitsfläche hat kleine, flache, gerillte Vertiefungen, auf denen der Teig in Form gebracht wird. Das Formen geschieht heute selbst in kleineren Bäckereien halb- oder vollautomatisch mit einer Maschine. Die Brüche werden dafür auf die Arbeitsfläche gelegt und in die Maschine geschoben. Diese trennt die Brüche in Brötchengrösse und formt daraus in Rotationsbewegungen schöne runde Brötchen. "Dieser Prozess ist sehr wichtig, damit die Schlumbergerli ihre charakteristische rosettenförmige Oberfläche bekommen", verrät der Bäcker und fährt fort: "Das Öl spielt eine entscheidende Rolle. Es hilft, dass der so genannte Schluss der einzelnen Teiglinge etwas offen bleibt." Mit dem Begriff Schluss meint der Bäcker die Stelle, an dem die Teigenden zusammenkommen. Mit dem leicht beölten Schluss werden sie nun nach unten auf eine bemehlte Fläche gelegt, damit sie beim weiteren Gären nicht zu früh aufreissen. Gewisse Bäcker empfehlen für das Bestauben der Lade Roggenmehl, andere bevorzugen gewöhnliches Weiss- oder Halbweissmehl. Nun folgt „die Gare“, das heisst das Gären der Teiglinge, entweder im Gärschrank in konstanter Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit oder aber in der Backstube, wobei man sie dort mit einem Tuch bedeckt, damit ihre Oberfläche nicht austrocknet. In diesen Gärphasen muss man aufpassen, dass die Teiglinge nicht zu stark aufgehen – was sich auf die Struktur der Brötchen negativ auswirken würde. Nach dieser weiteren Ruhe- und Gärphase werden die Teiglinge umgedreht, also mit dem Schluss nach oben, auf den "Einschussapparat" platziert. Der Einschussapparat ist ein mit einem Tuch bespanntes Metallbrett mit dessen Hilfe die Backwaren in den Ofen „eingeschossen“, das heisst hineinbefördert, werden. Der Ofen sollte so um die 250 Grad heiss sein. Das sofortige Einlassen von Wasserdampf bewirkt, dass sich rasch eine knusprige Kruste mit einem schönen Riss bildet, im Fall der Schlumbergerli einer blümchenartigen Rosette. „Ohne Dampf läuft bei den Schlumbergerli gar nichts.“ bringt es der Bäcker auf den Punkt. 

Die Backzeit ist in einem Handwerksbetrieb wiederum etwas, das nicht festgelegt ist, sondern nach Gefühl gehandhabt wird. Sie beläuft sich um die 15 Minuten. Wenn die Schlumbergerli eine goldene Farbe und eine knusprige, „rösche“ Kruste erhalten haben, sind sie fertig gebacken und werden zum Auskühlen auf Holzroste gelegt. Und dann geht es ab in den Verkauf.

Konsum

Schlumbergerli sind ein Alltagsgebäck und werden als Beilage zu den Hauptmahlzeiten und als Zwischenmahlzeit mit salzigen oder süssen Beilagen konsumiert. Auch zum Frühstück eignen sie sich. Sie spielen nicht nur in Privathaushalten, sondern aufgrund ihrer appetitlichen Rissästhetik vor allem auch in der Gastronomie und Hotellerie eine wichtige Rolle.

Wirtschaftliche Bedeutung

Schlumbergerli gibt es in der ganzen Schweiz. Seit einiger Zeit werden sie von Grossbäckereien industriell gefertigt. Sie bringen damit die kleineren handwerklichen Bäckereien gerade im Bereich der Kleinbrote in Bedrängnis. Denn unterdessen ist die früher für die Bäckereien sehr wichtige Hotellerie und Gastronomie oft dazu übergangen, ihre Frühstücksbrötchen, darunter auch das beliebte Schlumbergerli, von solchen Grossbäckereien zu beziehen, so dass die Produktion für viele lokale Bäckereien schmerzhaft zurückgegangen ist.

... anderes

Als die Frau des Enkels von Amédée Schlumberger, Alice Schlumberger, die Brötchen telefonisch bestellte, klang es so: "Do isch Schlumbärger – mer hätte gärn zäh Schlumbärgerli."

Literatur

  • Dumont, Cédric,   Kulinarisches Lexikon,   Bern,   1997.  
  • Morel, Andreas,   Basler Kost. So kochte Jacob Burckhardts Grossmutter,   Morel, Andreas,   Basel,   2000.  
  • Berufskunde für das Bäcker- und Patissiergewerbe,   Schweizer Bäcker- und Konditorenmeister-Verband,   Luzern,   1949.  
  • Richemont Fachblatt,   Fachschule Richemont Luzern,   ab 1945.  
  • Vogt, Ernst, Ludwig M. Raith, Bruno Heilinger und Jakob Viel,   Der Schweizer Bäcker-Konditor. Handbuch für das gesamte Bäckerei- und Konditoreigewerbe. Band 1,   Thun,   1944.  
  • Schweizer Bäckerei,   Richemont Fachschule,   Luzern,   2006.  
  • Berufskunde für Bäcker-Konditoren-Confiseure. Band 3,   Richemont Fachschule, Luzern,   Luzern,   2006.  
  • Hommage aux Schlumbergerlis,   Basellandschaftliche Zeitung,   1972.  
  • Ein Weggli jubiliert,   Basellandschaftliche Zeitung,   1972.  
  • Dr. Nicolas Schlumberger (Neffe des Amédée Schlumberger-Ehinger),   Kopie eines Briefesan Dr. h. c. Eduard Strübin,   Staatsarchiv BL, Kartei Eduard Strübin, Staatsarchiv Basel-Land, Wiedenhubstrasse 35, 4410 Liestal,   1966.  
Konditorei- und Backwaren Drücken

Produktionsepizentrum

Bäckereien in der ganzen Schweiz stellen das Schlumbergerli sowohl gewerblich als auch industriell her.

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